2024-04-30T13:48:59.170Z

Interview
Im FuPa-Gespräch: Walter Zitzlsperger (links) und Robert Rothmeier.
Im FuPa-Gespräch: Walter Zitzlsperger (links) und Robert Rothmeier. – Foto: Zitzlsperger

Die niederbayerischen Rebellen des Amateurfußballs

Im Interview: Walter Zitzlsperger (55) und Robert Rothmeier (56) sind die deutlich sicht- bzw. hörbarsten Kritiker der BFV-Spitze um Dr. Rainer Koch und Florian Weißmann

Jeder, der sich eingehend mit Themen rund um den Bayerischen Fußballverband beschäftigt, kennt ihre Namen - obwohl sie gar nicht zum Kreise der BFV-Funktionäre gehören: Walter Zitzlsperger (55) aus Walchsing und Robert Rothmeier (56) aus Gergweis sind die in der Öffentlichkeit am deutlichsten sicht- bzw. hörbaren Kritiker der Verbandspitze um Präsident Dr. Rainer Koch und Verbands-Jugendleiter Florian Weißmann. Doch was steckt dahinter? Sind Zitzlsperger und Rothmeier nur laut - oder auch fundiert? Warum werden sie gegenüber den BFV-Honoratioren oft sogar persönlich? Das versuchen der Sportgeschäft-Betreiber und der Chemielaborant im FuPa-Interview zu erklären...

Robert, Walter: Würdet Ihr Euch selber als die niederbayerischen Rebellen des Amateurfußballs bezeichnen?
Zitzlsperger: Jein. Weil sich viele einfach nicht trauen, sind wir die einzigen, die versuchen, was zu ändern. Deshalb werden wir von der Öffentlichkeit gerne als "Rebellen" dargestellt. Wir wollen das aber gar nicht sein. Unser lautes Auftreten ist nicht gewollt, sondern die Folge davon, dass vom Bayerischen Fußballverband einfach keiner mit uns reden will. Das scheint unmöglich zu sein. Die Führung ist resistent gegen Vorschläge von außen.

Rothmeier: Wir werden in Zukunft deutlich mehr dem Bild der Rebellen entsprechen. Der Ton wird ruppiger werden demnächst. Vernünftiges Reden scheint mit dem Verband nicht möglich zu sein.

Werden irgendwelche Nachrichten rund um den Bayerischen Fußballverband veröffentlicht, kann man darauf warten, dass Ihr beide in den Sozialen Medien das Ganze kritisch kommentiert. Woher rührt Eure Abneigung gegenüber den Verbandsoberen?
Zitzlsperger: Um das erklären zu können, muss ich etwas weiter ausholen: Zusammen mit Siegfried Urlberger habe ich vor 35 Jahren die Hallenmeisterschaft im Landkreis Passau aufleben lassen. Ich habe die Urlberger Buam mitgegründet. Tobias Bracht, der nun Ü30-Vorstand ist, hat genauso wie der ehemalige BFV-Mitarbeiter Hannes Gastinger lange bei mir gearbeitet. Ich kenne durch meine Arbeit viele Funktionäre, bin mit denen in regelmäßigem Austausch. Und dadurch sehe ich, dass der bayerische Amateurfußball komplett den Bach runter geht. Ich weise schon seit zehn Jahren darauf hin, dass die Entwicklung in die komplett falsche Richtung geht. Aber man bekommt einfach kein Gehör. Und irgendwann muss man dann einfach etwas unternehmen.

»Auf Verbandsebene haben sehr viele sehr wenig Ahnung«



Ähnlich wie Robert habe ich es lange versucht, unsere Vorschläge über die persönlich-sachliche Schiene an die entscheidenden Stellen zu bringen. Bei Rainer Koch (BFV-Präsident; Anm. d. Red) und Florian Weißmann (Verbands-Jugendleiter; Anm. d. Red.) hat man allerdings keine Chance, selbst mit guten Argumenten etwas zu bewirken. Die beiden ziehen ihre Linie durch - ohne Wenn und Aber. Die einzige Möglichkeit, dagegen anzukämpfen ist: Voll dagegenhauen.

Rothmeier: Wir haben im Rahmen eines persönlichen Treffens mit Tobias Bracht (Ü30-Mitglied im Verbandsausschuss; Anm. d. Red.) und Robert Schraudner (BFV-Vizepräsident; Anm. d. Red.) zu diesem Thema bereits ein langes Gespräch geführt. Sie haben einen vernünftigen Eindruck hinterlassen, es wurde aber auch deutlich, dass auf Verbandsebene sehr viele sehr wenig Ahnung haben. Würden die Herren gewisse Dinge gut machen, würden wir nicht kritisieren. Aber das ist halt leider nicht der Fall. Gerade im niederbayerischen Bereich, in den wir einen hervorragenden Einblick haben, liegt einiges im Argen.

Seid Ihr nur mit der Spitze des BFV unzufrieden, oder auch mit den Funktionären auf Kreis- und Bezirksebene?
Zitzlsperger: Zwei Leute haben das Sagen. Rainer Koch bei den Herren und Florian Weißmann bei den Junioren. Und die anderen tun das, was ihnen gesagt wird. Die Funktionäre auf der unteren Ebene haben zwar eine eigene Meinung, hüten sich aber davor, diese kund zu tun.



Rothmeier: Stellt man beispielsweise bei Jugend-Spielgruppentagungen kritische Fragen, werden diese nicht beantwortet. Es wird lediglich darauf hingewiesen, man solle sich direkt an die Verbandsspitze wenden. So richtig aus dem Sattel geht keiner. Neue Funktionäre sind da meistens noch etwas anders, weil sie eben noch nicht so beeinflusst worden sind wie die erfahreneren Kollegen.

Warum ist das so?
Zitzlsperger: Die Kreisform, die geplante Umstrukturierung des Juniorenbereichs, auch kleinere Entscheidungen - wenn es Themen gibt, die etwas hitziger diskutiert werden könnten, sind die Herren aus München bei entsprechenden Veranstaltungen gleich selber vor Ort, um das Ganze selber zu regeln. Hier könnte Robert ein Beispiel anführen...

Nur zu.
Rothmeier: Ich erinnere mich an eine Tagung in Alkofen. Da ist es ganz schön rund gegangen, da wurde hitzig diskutiert. Florian Weißmann hat das nur wenig interessiert. Er hat dann nur verkündet, dass Fragen auf diesem Niveau einfach nicht mehr zugelassen werden. Das war's.

Immer wieder seid ihr bei Euren Kommentaren nah an der Grenze: Besteht die Gefahr, dass ihr zu persönlich werdet?
Zitzlsperger: Ich weiß, dass wir nah an der Grenze und ab und zu vielleicht sogar darüber hinaus sind. Es besteht aber nur die Chance, auf diese Art und Weise etwas zu erreichen. Mit normaler Kommunikation hat es nicht geklappt, also müssen wir andere Saiten aufziehen. Wir haben vor einem Jahr einen Stammtisch mit niederbayerischen Vereinen geplant. Mit einer entsprechenden Teilnehmerliste wollten wir erreichen, dass Koch auch kommt.

»Uns geht es um die Sache, nicht um persönliche Befindlichkeiten«



Bezirkschef Haase hat uns dann mitgeteilt, dass der Präsident kommen wird, er sich aber vorher mit uns absprechen will, was angesprochen wird beim Treffen. Wir haben zugesagt. Für uns ist das kein Problem. Zur Not fahren wir deshalb auch nach München. Letztlich war es dann aber so, dass Koch über Christian Bernkopf (Vorsitzender Fußballkreis Niederbayern Ost; Anm. d. Red.) mitteilen ließ, dass unser Stammtisch abgesagt ist, der BFV aber in Walchsing einen Vereinsdialog organisiert hat, vom dem wir allerdings kurz vor Beginn ausgeladen worden sind. Geht's noch? Wir durften dann an unserer eigenen Veranstaltung nicht teilnehmen. Wahnsinn.

Rothmeier: Über Dritte ist uns mitgeteilt worden, dass unsere kritischen Anliegen dann gleich zu Beginn des Treffens von anderen angesprochen worden sind.

Zitzlsperger: Aber wir sind da nicht nachtragend. Möchte Koch mit uns reden, können wir uns gerne morgen treffen und dann ohne Emotionen diskutieren. Uns geht es um die Sache und nicht um persönliche Befindlichkeiten. Denn eins ist klar: Es geht denn Bach runter und es muss sich was ändern. Und zwar sehr, sehr schnell.

Auch FuPa liegen Eure zahlreichen Konversationen mit unterschiedlichsten Mitgliedern und Gruppierungen der Fußball-Szene vor. Ein großer Haufen an Informationen. Nur die Wenigsten haben jedoch Zeit, sich komplett einzulesen. Deshalb: Könntet Ihr Eure Verbesserungs-Vorschläge rund um den Amateurfußball kurz und gebündelt zusammenfassen?
Rothmeier:
Vorab: Wir sprechen hier immer vom niederbayerischen Bereich, weil wir uns hier auskennen. Diese ganzen Probleme und unsere entsprechenden Vorschläge lassen sich aber 1:1 auf ganz Bayern umlegen. Punkt 1. Früher wollte auch jeder ein Spiel gewinnen, aber mit allen Spielern, die zur Verfügung stehen. Mittlerweile wird dermaßen früh selektiert. Vereine machen Spielgemeinschaften, damit schon im E-Jugendbereich die Besten einer Gegend zusammenspielen. Dann gibt's aber auch eine E2, die keinen interessiert und deren Spieler deshalb relativ schnell aufhören. Ein paar Jahre später wundert man sich, warum man in der C-Jugend vier Vereine für eine Mannschaft braucht.

Nachdem Robert Rothmeier die 1. Mannschaft des FC Künzing in der Bezirksliga etabliert hat, ist der ehemalige Landesliga-Spieler in den Juniorenbereich der Römer zurückgekehrt.
Nachdem Robert Rothmeier die 1. Mannschaft des FC Künzing in der Bezirksliga etabliert hat, ist der ehemalige Landesliga-Spieler in den Juniorenbereich der Römer zurückgekehrt. – Foto: Franz Nagl


Zitzlsperger: Unser Lösungsvorschlag hier: Raus mit den Sportstudenten und den Trainern der Nachwuchsleistungszentren an die Basis, somit ein attraktives Training mit Hand und Fuß anbieten und gleichzeitig darauf achten, dass alle, die Fußballspielen wollen auch Fußballspielen können.

Rothmeier: Es ist doch längst nicht mehr so, dass die jungen Burschen mit ihren Freunden von nebenan spielen, weil es oft bis zu drei Mannschaften der jungen Altersklassen innerhalb einer Spielgemeinschaft gibt. Der Nachbarsbub ist dann vielleicht nicht ganz so gut wie das eigene Kind - und schon sind sie getrennt, trainieren sogar an unterschiedlichen Orten.

Zitzlsperger: JFGs sind Totgeburten. Der Gedanke selber war gut, mehr aber auch nicht. Und auch Spielgemeinschaften müssen ab einem bestimmten Maße verboten werden. Es kann nicht sein, dass SGs gebildet werden und es dann drei Mannschaften eines Jugendjahrganges gibt. Das geht nicht.

Rothmeier: An der Basis muss man als Verein jeden mitnehmen - sogar den weniger talentierten. Landauf landab beklagt man sich, dass es immer schwieriger wird, Funktionäre zu finden. Es klingt hart, aber wer übernimmt den solche Ämter? Genau - diejenigen, die nicht das große Talent haben, gut aufgenommen wurden, deshalb dankbar sind und in der Folge bereit sind, Verantwortung zu übernehmen. Scheiße, wenn aber diese so wichtigen Personen bereits in der E-Jugend wegfallen, weil sie außen vor sind.

Was ist eigentlich Fußball?



Ihr befürwortet also auch - ähnlich wie in einem FuPa-Kommentar jüngst gefordert eine "größere" Einteilung der Jugend?
Rothmeier: (mit Nachdruck) Absolut, absolut. Walter ist für maximal drei, ich für maximal vier Altersstufen....

Zitzlsperger: Drei deshalb, weil dann jeder Verein wieder seine eigene, selbstständige Mannschaft stellen kann. Viele jetzige Probleme erübrigen sich deshalb sofort.

Rothmeier: Es gibt keine Platzprobleme mehr, weil es nicht mehr die Fülle an Nachwuchsteams gibt. Die Identifikation mit dem jeweiligen Stammverein ist größer, weil man enger mit ihm verbunden ist. Es gibt keine Trainerprobleme mehr, weil es weniger Mannschaften gibt, die betreut werden müssen und - wir erinnern uns an vorher - weil Sportstudenten und NLZ-Trainer an der Basis aktiv sind. (wird emotionaler) Dann hast Du vielleicht in der F-Jugend nicht mehr den falschen Papa-Trainer, der das Spiel beim Stand von 9:0 nicht 10:0 gewinnen will, sondern auch die schwächeren Spieler einsetzt. Ach, ich werde schon wieder laut - und schweife ab.

Dann wollen wir doch diesen Redeschwall vorerst mal nicht unterbrechen.
Rothmeier: (ganz leise) Gut. (wird wieder lauter und vehementer) Unsere lieben Verbandsoberen haben ja noch nicht einmal die Frage geklärt, was eigentlich Fußball ist. Ist Fußball 11 gegen 11, oder ist 9 gegen 9 auch was Gutes? (schreit fast) Nein. 9 gegen 9 im Großfeld ist der Tod vom Fußball. Wie ist der Fußball groß geworden? Warum ist er so beliebt geworden? Wegen 11 gegen 11 und nicht wegen 9 gegen 9.

Walter Zitzlsperger, der früher für den RSV Walching u.a. Bezirksoberliga spielte, ist im Amateurbereich daheim, stattet aber auch die Großen der Szene aus.
Walter Zitzlsperger, der früher für den RSV Walching u.a. Bezirksoberliga spielte, ist im Amateurbereich daheim, stattet aber auch die Großen der Szene aus. – Foto: Zitzlsperger


Zitzlsperger: Bevor Robert kollabiert, übernehme ich hier mal (schmunzelt - wird dann sachlich). Funino kann man im Training machen, als Übung oder gegebenenfalls Event. 3 gegen 3, kleine Tore. Das haben selbst wir vor 25, 30 Jahre schon gemacht. Super. Toll. Aber muss ich diese Spielform als alternativen Wettkampf am Spieltag haben? Wie Robert gesagt hat: Wie ist Fußball zu dem geworden, was er ist? Sicher nicht so. Diese Sportart muss sich nicht neu erfinden, sondern sollte sich lieber an seine ursprünglichen Ideen orientieren.

Klingt ja alles logisch und fundiert. Kennt Jugendchef Florian Weißmann Eure Argumentation?
Zitzlsperger: Ja. Wir hatten deshalb vor einigen Monaten eine Videokonferenz. Weißmann hat in Coburg aber ein Pilotprojekt laufen. Dort darf man bis 20 Jahre im Jugendbereich spielen, wenn man das möchte...

Rothmeier: Walter, das wurde inzwischen in die Spielordnung auf Kreisebene mit aufgenommen. Drei U20-Spieler dürfen, wenn gewünscht, in der A-Jugend spielen. Da kann man nur sagen: Leute, habt Ihr eigentlich überhaupt keine Ahnung? Kommt jemand auf eine derartige Idee, hat er sich dermaßen disqualifiziert. Das geht doch nicht (atmet tief durch).

Im zweiten Teil des Interviews erläutern die beiden FuPa-Gesprächspartner ihre weiteren inhaltlichen Kritikpunkte samt Lösungsansätze, sie erklären, warum sie sich so vehement für ein Umdenken einsetzen und sie gewähren einen Einblick, ob sie aufgrund ihres Engagement Repressalien seitens des BFV gegen ihre Vereine befürchten.

Aufrufe: 021.1.2021, 08:00 Uhr
Helmut WeigerstorferAutor