2024-04-25T14:35:39.956Z

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Hier, auf dem Platz des FC Deisenhofen, kam die von Willi Schneider erdachte Eisbox zum erstenmal zum Einsatz. Robert Gasser
Hier, auf dem Platz des FC Deisenhofen, kam die von Willi Schneider erdachte Eisbox zum erstenmal zum Einsatz. Robert Gasser

Die Eisbox kommt aus Deisenhofen

Im Blickpunkt

Tore, Favoritenstürze, Elfmeterdramen, spektakuläre Schwalben: Die WM hat den Fußball-Fans einiges zu bieten. Willi Schneider aus Oberhaching richtet seinen Blick aber noch auf ein anderes Detail: Die Eisboxen der Physiotherapeuten. Denn der 77-Jährige kann für sich in Anspruch nehmen, diese erfunden zu haben.

Deisenhofen – „Ich freue mich immer, wenn ich diese Boxen sehe“, schmunzelt Schneider, einst Masseur beim TSV 1860, beim FC Bayern und später auch Physiotherapeut beim FC Deisenhofen. Wenn ein angeschlagener Spieler sich die schmerzende Stelle kühlen lässt, denkt Schneider zurück an seine Anfangszeiten, als dies noch nicht so ohne weiteres möglich war. „Wir haben ja lange Jahre kein Eis auf den Fußballplatz gebracht“, erinnert er sich. „Damals gab es Kühlspraydosen der Firma Sixtus, die konnten aber Brandwunden verursachen.“

Schneider wollte sich mit diesem Zustand nicht zufrieden geben. Die entscheidende Eingebung hatte er nach seiner Zeit bei den Münchner Top-Vereinen, als er sich bereits in Deisenhofen als Physiotherapeut niedergelassen hatte. „Das muss so 1981 gewesen sein. Ernst Potzler, der damalige Geschäftsführer von Sechzig, hat mich angerufen, ob ich bei einem Sichtungslehrgang des DFB mit 14- bis 16-jährigen Spielern im Sechzger-Stadion arbeiten will. Da hat es mich dann richtig umgetrieben, wie wir das Eis auf den Platz kriegen.“

Schneiders Hirn arbeitete und der Zufall half: „Meine Frau war in der Küche beschäftigt und hat mich in den Keller geschickt, um was zu holen. Da seh ich zwei Thermosflaschen. Die nehme ich mit rauf und sage zu ihr: Wenn dein Tee warm bleibt, müsste doch auch das Eis kalt bleiben. Ich hab’s ausprobiert, Eiswürfel über Nacht in den Flaschen gelassen. Am nächsten Tag in der Früh: kein Tropfen Wasser.“

Willi Schneider nahm die beiden Flaschen zum Lehrgang mit, den die damals renommierten Trainer Dietrich Weise und Karl-Heinz Heddergott leiteten. „Die jungen Spieler haben ganz schön rumgeholzt, ich bin immer wieder mit der Flasche rein, habe sie mit den Eiswürfeln behandelt. Irgendwann fragt mich Dietrich Weise: Was haben Sie da? Ich erkläre es ihm und er holt den Karl-Heinz Heddergott dazu und meint: Das haben wir ja nicht mal beim DFB. Da sag ich ihm: Das glaube ich schon, denn das gibt es auf der ganzen Welt nicht.“

Die Idee funktionierte also, doch wie ließ sie sich in Serie umsetzen? „Ich habe einem Vertreter der Arzneimittel-Firma Spitzner erzählt, dass wir auf dem Bauernhof schon 1953 große Kühlanlagen bauen haben lassen, dass es also die Technik und das Material gibt. Und er soll mir doch einmal eine Box entwerfen“, so der gebürtige Niederbayer. Nach ein paar Wochen brachte der Vertreter tatsächlich den Prototyp der Eisbox. Schneider perfektionierte das System noch, denn die Eiswürfel direkt auf der Haut waren wegen der Gefahr von Brandblasen nicht optimal: „Wir haben dann eine Box mit Eiswürfeln und eine zweite mit Eiswasser gefüllt.“ Bei den Behandlungen wurde von nun an erst der Würfel kurz aufgelegt, anschließend ein im kalten Wasser getränkter Schwamm. „Das war viel angenehmer.“

Seither verfolgt Schneider die Arbeit der Physiotherpeuten mit einem besonderen Vergnügen. Reich geworden ist er mit der Eisbox allerdings nicht: „Leider habe ich es mir nicht patentieren lassen. Das war ein Fehler, aber daran hat man damals nicht gedacht.“

Aufrufe: 011.7.2018, 17:02 Uhr
Münchner Merkur (Süd) / Umberto SavignanoAutor