Bonndorfer Landesligatraum im Dauerregen

Die Tropfen fallen an diesem gefühlten Vorwinterabend mitten im Juli dicht an dicht, rinnen von der Stirn zum Kinn. Das breite Grinsen ist den Bonndorfer Fußballern auch durch eine heftige Dauerdusche nicht auszutreiben. Im Kopf haben sie das furiose 7:1 von Jogis Jungs in Brasilien. Doch den Pulsschlag beschleunigt nicht allein die Vorfreude auf das WM-Finale. Vor den TuS-Fußballern um Spielertrainer Benjamin Gallmann liegt die Neuauflage eines Abenteuers. Drei Jahre nach dem Abstieg sind die Bonndorfer zurück in der Fußball-Landesliga.

Hinter den Bonndorfern liegt eine beispiellose Serie, die selbst einen Herrn Löw vor Neid erblassen lassen dürfte: seit 19 Spielen sind sie ungeschlagen, die letzte Niederlage datiert aus dem Oktober 2013. Das letzte, das wichtigste Spiel der vergangenen Saison, beendeten die Bonndorfer am 14. Juni vor 850 Zuschauern in vorletzter Minute dank eines von Kay Schlageter verwandelten Elfmeters im zweiten Aufstiegsspiel gegen Salem mit einem mühsam erkämpften 1:1. Es war der Schlüssel zum Aufstieg. TuS-Spielertrainer Benjamin Gallmann erinnert sich seither fast jeden Tag gern zurück: "Das war Gänsehaut pur." Kay Schlageter, die Haare frech gegen den bissigen Wind gegelt, das Lächeln scheunentorbreit, Held des Aufstiegskrimis, gibt sich beim Auftakttraining entwaffnend ehrlich: "Jetzt macht mal nicht so viel Terz, nur weil wir wieder in der Landesliga sind."

"Das Ziel Klassenerhalt ist absolut realistisch."
TuS-Spielertrainer Gallmann

So viel Gelassenheit tut den TuS-Kickern gut. Anders als die Löffinger Bezirksliga-Meisterelf, in deren Reihen nur zwei Mann stehen, die vor acht Jahren schon einmal in der Landesliga gespielt haben, waren gut die Hälfte aus dem Kader der TuS-Fußballer vor drei Jahren dabei, als der Abstieg aus der Landesliga verdaut werden musste. Gelernt haben sie aus dem Abschwung. Zusammengerückt sind sie. Nils Boll, angesteckt von der Euphorie, die mit dem neuen Spielertrainer Benjamin Gallmann in Bonndorf Einzug hielt, trat vom Rücktritt zurück. Der langjährige Teamkaptiän ist nicht mehr der Schnellste am Ball, aber seine Erfahrung ist immens viel wert. Die Landesliga ist für Boll "kein Abenteuer. Wir können und wir wollen drin bleiben."

Davon ist auch der Spielertrainer überzeugt, der vor einem Jahr eigentlich "nur" als Mann für die Übersicht an der Außenlinie angeheuert hatte, aber als Lenker auf dem Platz auch in der Landesliga unverzichtbar sein wird. "Nix ist so alt wie der Erfolg von gestern", weiß Gallmann, "unser Ziel ist es, einen Platz über dem Strich zu bleiben". Es ist die imaginäre Linie, die im Frühjahr 2015 Drinbleiber und Absteiger trennen wird. Und doch geht es beim TuS um mehr als den Klassenerhalt.

Wachsen, reifen, dazulernen soll der 25-Mann-Kader, der nur punktuell sowie mit sechs A-Junioren des TuS erweitert wurde. Als einzige Externe hoffen Dominik Kohler (22), der in Tiengen Landesliga-Erfahrung sammelte und in der vergangenen Saison beim SV Schaffhaussen in der Schweiz spielte sowie Marco Baumgärtner (18), der vom FC Neustadt zu seinem Heimatclub zurückkehrt, mittelfristig auf einen Stammplatz. Das wird schwer genug in einem Team, bei dem Gallmann in der vergangenen Saison angesichts der großen Leistungsdichte die Qual der Wahl hatte. Im Frühjahr zählte gar Teamkapitän Florian Schlachter, der auch in der Landesliga der TuS-Chef auf dem Platz sein wird, wiederholt nicht zur Startelf. "Spielerisch", so Gallmann, "werden wir in der Landesliga dem einen oder anderen Gegner unterlegen sein, aber das machen wir mit Leidenschaft wett". Nicht zuletzt mit einem begeisterungsfähigen Publikum im Rücken. "Der TuS, das ist eine große Familie", so Gallmann, "ich hoffe, wir werden die Aufstiegseuphorie lange erhalten".

So spät wie möglich und gerade mal dreieinhalb Wochen nach dem Aufstieg doch viel zu früh, begann am Mittwochabend der Trainingsalltag in Bonndorf. Bis zum Punktspielstart, der dem TuS am Samstag, 9. August in Löffingen gleich das Hochschwarzwälder Aufsteiger-Derby beschert, gibt es ein intensives Übungsprogramm zu bewältigen: 21 Trainings-Einheiten in 30 Tagen. Ein Mammut-Programm, bei dem der Spielertrainer als Lehrer gefragt ist. Fordern und fördern heißt die Losung. Die TuS-Fußballer sollen sich möglichst rasch an das höhere Tempo in der Landesliga gewöhnen. "Luft nach oben", sieht Gallmann, der Wert auf langen Ballbesitz legt, noch bei der Passgenauigkeit, beim Verschieben und beim Umschaltspiel. Harte Arbeit, die sich lohnen soll. "Diese Mannschaft hat die Qualität und das Potenzial für die Landesliga", lobt Gallmann. "Das Ziel Klassenerhalt ist absolut realistisch."

Das erste Bruderduell ist für übermorgen programmiert: Klaus Gallmann (24), Trainer des Hochschwarzwälder Landesliga-Platzhirschs FC Neustadt und Benjamin G. (29), Spielertrainer des TuS und als großer Bruder gegen den Jüngsten im Vorteil, weil er an seiner Seite ja auch noch als Co. Gallmann Nummer drei, Michael G. (30) hat, treffen am Sonntag mit Ernsthaftigkeit aufeinander.

Fünf Stunden vor dem Anpfiff des WM-Finales spielt der TuS Bonndorf am Sonntag von 16 Uhr an 45 Minuten lang gegen den FC Neustadt. Bereits um 14 Uhr beginnt für den TuS das Blitzturnier gegen den ehemaligen Bezirksliga-Rivalen DJK Donaueschingen, der um 15 Uhr auf den FCN trifft.

Bonndorfer Neuzugänge
Dominik Kohler (SV Schaffhausen), Marco Baumgärtner (FC Neustadt), Nico Schwenninger, Patrick Fromm, Max Schreiber, Constantin Hug, Jonas Fehrenbach, Marcel Hertenstein, Simon Büche (alle A-Jugend des TuS).