2024-04-25T14:35:39.956Z

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Jockel Weinz nimmt selten ein Blatt vor den Mund. Auch zum Ausscheiden des Bundestrainers äußert er sich klar.
Jockel Weinz nimmt selten ein Blatt vor den Mund. Auch zum Ausscheiden des Bundestrainers äußert er sich klar. – Foto: Archivfoto: hbz/Henkel

»Beim DFB sind generell zu viele Weichspüler«

Richtig, zu früh, zu spät? Fünf Fußballtrainer, die selbst angekündigte Rücktritte hinter sich haben, äußern sich zum Aus von Löw

Mainz. Joachim Löw tritt nach der EM als Bundestrainer ab. Richtig, zu früh, zu spät? Und wie wirkt sich das auf die Nationalelf aus? Rheinhessische Fußballtrainer, die selbst Erfahrungen mit angekündigten Rücktritten gesammelt haben, bewerten die Situation unterschiedlich.

Das sagt Thomas Eberhardt

Drei Jahre zu spät findet Thomas Eberhardt den Abgang. „Ich bin froh, dass er endlich abtritt“, sagt der Trainer von Oberligist Hassia Bingen, „ich habe eine andere Einstellung zur Nationalmannschaft. Da gibt man niemandem Spielpraxis, da müssen die Besten hin.“ Den Zeitpunkt findet „Ebbe“ egoistisch. Er gebe Ausreden für Misserfolg und nehme dem Verband die Chance, vor der EM noch zu handeln. „Ein neuer Trainer wäre jetzt eine Extra-Motivation“, sagt der 39-Jährige, „und an Thomas Müllers Stelle würde ich sagen: Du kannst mich mal.“ Eberhardt selbst kündigte 2018 beim Italclub Mainz seinen Rücktritt zum Saisonende an, als klar war, dass es mit dem Landesliga-Aufstieg nichts wird. Danach war die Luft raus. „Ich denke, so etwas hemmt die Spieler.“

Das sagt Jockel Weinz

Jockel Weinz gab 2015 frühzeitig bekannt, beim VfB Bodenheim abzutreten. „Da war ich fertig. Aber ich habe sehr bedauert, das vierte Jahr nicht gemacht zu haben. Das war meine Truppe, wir wären in die Verbandsliga aufgestiegen.“ Die Spieler hätten weiter Vollgas gegeben. „Wir wollten noch zusammen Spaß haben und eine gute Platzierung erreichen.“ Als vier Jahre später der TSV Schott die Abmeldung seiner zweiten Mannschaft ankündigte, bemerkte der 59-Jährige ebenfalls einen Solidarisierungseffekt im Team, aller Enttäuschung zum Trotz. Ob das auch bei Löw so sein wird? Seine tägliche Arbeit könne Weinz nicht beurteilen. Aber: „Ich stehe nicht auf ihn. Fachlich hat er natürlich was drauf, aber er ist mir zu politisch. Mein Kompliment hätte es gegeben, wenn er sagt: Jetzt erst recht. Jetzt merkt er, der Gegenwind wird stärker. Das riecht mir nicht nach Kämpfertum. Beim DFB sind generell zu viele Weichspüler drin. Der ganze Laden muss von der Basis auf erneuert werden.“

Das sagt Guido Ritz

„Ich glaube, ein Trainer weiß, dass er nach einer gewissen Zeit keine Impulse mehr setzen kann“, sagt Guido Ritz. Manchmal brauche man nur zu lange, um zu erkennen, dass man Spieler und Ziele nicht mehr erreicht. Ritz selbst hatte diesen Moment nach mehr als zwei Jahrzehnten bei der TuS Marienborn verpasst. Der Klub zog nach erfolgreichen Trainerjahren einige Wochen vor dem Ende der Abstiegssaison 2015/16 den Schlussstrich. „Man wird älter und reifer, ich hätte Zeichen anders deuten müssen“, sagt Ritz, der der TuS herzlich verbunden blieb, „ich hätte den Schritt von mir aus gehen können. Das hat mich sensibilisiert.“ Unter Nachfolger Ali Cakici ging es mit neuen Impulsen direkt wieder rapide aufwärts. Seine Spieler hätten sich bis zuletzt voll reingehängt, sagt Ritz.

Das sagt Jürgen Collet

So hat es auch Jürgen Collet stets erlebt. Mehrmals nahm er beim SV Gonsenheim selbst mit Vorankündigung den Hut und wirkte an der Nachfolge mit, auch in Bodenheim und Ingelheim kündigte er frühzeitig seinen Abtritt an, zog die Spielzeiten aber durch. Eine Konsequenz: „Ich bin nie entlassen worden.“ Auf seine Rücktrittsankündigungen seien stets Bedauern und die Bitte weiterzumachen gefolgt. „In Bodenheim hatte ich nach der ersten Saisonhälfte die Lust verloren“, sagt der 57-Jährige, „wenn ich gewusst hätte, wie gut sich alles entwickelt, hätte ich weitergemacht.“ Ob Löw diesen Turnaround noch packen würde? „Er war der ideale Mann, hat tolle Verdienste. Jetzt ist es Zeit.“ Irgendwann, denkt Collet an ein legendäres Michael-Thurk-Zitat über Jürgen Klopp („Kann die ganze Sch... nicht mehr hören“), komme es bei jedem zur Abnutzung. Den deutschen EM-Aussichten werde der Schritt nicht schaden. Löw bewahre sein Gesicht. „Es ist ein sauberer Abgang.“

Das sagt Bert Balte

Diesen Weg hätte Jogi Löw 2018 oder sogar schon 2014 wählen sollen, findet Bert Balte. Mehr als eine WM zu gewinnen, gehe nicht. „Die Entwicklung seither ging sukzessive nach unten.“ Balte selbst kündigte als U 19-Trainer bei Mainz 05 und später in Bodenheim vorzeitig seinen Abschied an. „Bei 05 kam das nicht so gut an, aber die Jungs haben weiter Gas gegeben, um sich interessant zu machen. In Bodenheim sah ich keinen Fortschritt mehr, aber die Jungs waren sehr charakterstark.“ Ausgetrudelt sei auch da nichts. Die Prognose des 57-Jährigen: Bei der EM werden sich die „Vollprofis“ so oder so zusammenreißen, unabhängig vom Bundestrainer. Es gilt ja schließlich auch, etwas gutzumachen.



Aufrufe: 010.3.2021, 20:00 Uhr
Torben SchroederAutor