2024-05-02T16:12:49.858Z

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Für Jogis Jungs beginnt die EM mit einem echten Kracher.
Für Jogis Jungs beginnt die EM mit einem echten Kracher. – Foto: CHRISTOF STACHE

Amateure tippen EM - Jogis Jungs hauen noch mal auf den Putz

Deutsche Mannschaft startet morgen ins Turnier

Die Europameisterschaft 2020 ist am vergangenen Freitag mit einem Jahr Verspätung gestartet. Die Amateurkicker haben einen klaren Favoriten: Frankreich.

Ohne Virus wäre die Euro 2020 eine Erfolgsgeschichte geworden. Doch auch mit Zuschauerbeschränkungen haben die neun Gastgeber in ihren elf Austragungsorten einiges zu bieten. Ziemlich einsilbig wird indessen die Frage nach dem Favoriten beantwortet: Weltmeister Frankreich steht bei den meisten Landkreis-Fußballern hoch im Kurs. Außenseiterchancen werden Deutschland eingeräumt.

Zwei Herzen schlagen in der Brust von Riccardo Giacalone. Der gebürtige Tölzer mit sizilianischen Wurzeln hat in erster Linie Frankreich auf dem Zettel. „Für die Azzurri wird’s zaach“, glaubt der Stürmer, „allerdings hat Trainer Roberto Mancini in den vergangenen drei Jahren gute Arbeit geleistet. Nach der verpassten WM 2018 haben die Italiener ohnehin noch etwas gut zumachen.“ Für die deutsche Mannschaft hält Giacalone allenfalls die Außenseiterrolle parat: „Insgeheim hoffe ich auf ein Halbfinale Italien gegen Deutschland. Aber wem ich dann die Daumen drücken würde, weiß ich nicht.“

Riccardo Giacalone, SC RotWeiß, hat zwei Lieblingsteams
Riccardo Giacalone, SC RotWeiß, hat zwei Lieblingsteams – Foto: privat

Maxi Eberl von den Sportfreunden Bichl freut sich auf das EM-Turnier, hätte es allerdings wegen der Pandemie-Situation lieber gesehen, wenn es lediglich in einem Land ausgetragen würde. Ansonsten ist er sich sicher: „Von der deutschen Mannschaft werden wir einen starken Auftritt erleben, denn der Kader ist gut besetzt. Da stimmt die Mischung aus jung und alt.“ Dazu trage auch die Nominierung von Thomas Müller und Mats Hummels bei: „Das war dringend erforderlich.“ Zum Auftakt erwartet Eberl einen 2:1-Erfolg über Topfavorit Frankreich. „Da befinden sich nicht nur in der Offensive überragende Topstars.“ Wadlbeißer N‘Golo Kanté vom FC Chelsea hat es ihm besonders angetan. „Deutschland“, resümiert Eberl, „kommt ins Finale – und da ist alles möglich.“

„Ich habe in früheren Jahren auf große Turniere besser hingefiebert“

Benedikt Guggemos über die anstehende EM

Nicht gar so euphorisch ist ein anderer Kicker aus dem Loisachtal. „Ich habe in früheren Jahren auf große Turniere besser hingefiebert“, räumt Benedikt Guggemos vom TSV Benediktbeuern ein. Sein Interesse wird sich vermutlich noch steigern, doch einen Dämpfer erwartet der Beurer gleich zum Auftakt: „Gegen Frankreich werden wir 1:4 verlieren. Doch dann gelingen Löws Team zwei Siege und damit der Einzug ins Achtelfinale.“ Spätestens im Halbfinale ist jedoch Schluss: „Den Titel holt sich souverän Frankreich. Die haben eine durchwegs stark besetzte Mannschaft mit vielen Topstars, wovon ich in Kylian Mbappe den Spieler des Wettbewerbs erwarte. “

Auch bei Josef Geiger, Kapitän des SV Eurasburg-Beuerberg, lässt das EM-Fieber noch auf sich warten. Auch deshalb, weil keine Public Viewings stattfinden. Um einen Knüller wurde Geiger bereits im Vorfeld gebracht: „Ich hätte ein Ticket für das Spiel Frankreich gegen Deutschland gehabt, aber das haben sie mir wieder weggenommen. Deutschland hat eine echte Hammergruppe, aber zusammen mit Frankreich werden sie weiterkommen. Bis zum Halbfinale gebe ich ihnen, aber mein Titelfavorit ist Frankreich.“ Es sei zwar schön, dass die EM losgehe, so Geiger, „aber mal wieder ein Amateurspiel austragen, wäre fast noch schöner.“

Ettenberger & Häfner: Halbfinale für deutsches Team ist durchaus drin

Bei den SF Egling-Straßlach fiebert man der EM indes richtig entgegen. „Am Dienstag haben wir das Training deshalb extra eine halbe Stunde vorverlegt, damit wir anschließend Deutschland gegen Frankreich gemeinsam anschauen können“, berichtet Kapitän Christian Ettenberger und glaubt auch an einen deutschen Sieg. Gleichwohl haben ihn Jogis Jungs in der Vorbereitung noch nicht so richtig überzeugt, obendrein sei die Gruppe „richtig gaach“. Im Halbfinale ist Schluss, vermutet Ettenberger. „Meine Favoriten sind Frankreich und England.“

Florian Häfner, Kapitän DJK Waldram, freut sich „mega“, dass es losgeht. „Ich war schon letztes Jahr total gehypt.“ Die Chancen der deutschen Mannschaft hatte er lange als sehr schlecht eingeschätzt, doch mit den Rückkehrern Mats Hummels und Thomas Müller habe das DFB-Team viel dazugewonnen. „Und Spieler wie Ilkay Gündogan oder Kai Havertz, der gerade die Champions-League gewonnen hat, strotzen vor Selbstvertrauen. Ich glaube, dass wir als einer der besten Gruppendritten weiterkommen, spätestens im Viertelfinale ist Schluss. Favoriten sind für mich Frankreich - und Belgien – die hatte ich bei der letzten WM schon auf dem Zettel.“

Florian Häfner vom DJK Waldram
Florian Häfner vom DJK Waldram – Foto: Hans Lippert

Georg Simon vom SC Gaißach ist kein großer Taktierer. Nicht auf dem Platz, wo der bullige Verteidiger in seinen besten Zeiten die gegnerischen Stürmer reihenweise abgrätschte; nicht mit den Worten. „Nach der Vorrunde wird es zappenduster um die Deutschen“, spricht Simon Klartext. Schon die Vorbereitung hat den 31-Jährigen nicht vom Hocker gehauen. „Klar, den Letten haben sie die Bude vollgehauen. Aber das ist ja wie Bezirksliga gegen B-Klasse“, zieht Simon einen Vergleich zum Landkreis-Fußball. Beim Studium der einzelnen Nationalkader ist er natürlich auch bei dem von Didier Deschamps hängen geblieben. „Griezmann, Mbappé, Pogba – brutal, was die Franzosen für Einzelkönner haben“, schwärmt der Gaißacher. „Wenn die nicht den Titel holen, wäre das eine faustdicke Überraschung.“

Ins gleiche Horn stößt Thomas Forster vom SV Bad Heilbrunn: Allez les bleus! Doch hat er auch gute Argumente, die für Deutschland sprechen: „Der FC Bayern ist früh aus der Champions League ausgeschieden. Unsere Spieler sind also ausgeruht und entsprechend fit.“ Außerdem habe Thomas Müller trotz seines Alters qualitativ einen „Mordssprung“ gemacht: „So ein alter Hase tut jungen Spielern wie Habertz, Sané und Gnabri gut.“

„Ich glaube, unser Trainer hat die EM noch gar nicht auf dem Schirm.“

Sebastian Schrills hat Angst nicht pünktlich zum Deutschlandspiel vom Training zuhause zu sein

Sebastian Schrills, Kapitän des TuS Geretsried, hadert ein wenig mit der sehr starken Gruppe F, in der es Deutschland mit Weltmeister Frankreich, EM-Titelverteidiger Portugal und Ungarn zu tun bekommt. „Ich hoffe, dass wir uns irgendwie durchwinden. Aber wenn wir zwei Spiele gewinnen, können wir froh sein.“ Kurioserweise traut er Müller und Co. ausgerechnet gegen Les Bleus einen Sieg zu. Das hält Schrills jedoch nicht davon ab, Frankreich die Favoritenrolle zuzuschieben „und England. Die haben eine junge, gute Truppe Aber sie werden scheitern, weil England grundsätzlich keine Titel gewinnt.“ Ein wenig Bammel hat der TuS-Capitano vor Dienstag. Nicht etwa wegen der Franzosen, sondern, ob das TuS-Training bis zum Anpfiff um 21 Uhr beendet ist: „Ich glaube, unser Trainer hat die EM noch gar nicht auf dem Schirm.“

Das ist bei Lukas Hintermeier vom SV Bad Tölz ganz anders: „Bei uns befindet sich der EM- Zug bereits in voller Fahrt. In der Familie sowie im Bekannten- und Freundeskreis haben wir eine Tippgruppe, in der 30 Mitspieler bereits alle Ergebnisse und weitere Zusatzfragen beantwortet haben.“ 22 davon setzen auf einen Finalsieg der DFB-Auswahl, und auch er habe volles Vertrauen in Löws Elf: „Selbst, wenn wir zunächst mit einem 1:1-Unentschieden gegen Weltmeister Frankreich in das Turnier starten.“ Die verbleibenden acht Tipper aus der Runde hätten die Franzosen als Europameister eingetragen. „Das ist eine gute Mannschaft, aber wir brauchen keine Angst zu haben. Erfahrene Spieler gehören zu unserem Team und einige Youngster wie Kai Havertz und Robin Gosens werden endgültig ins Rampenlicht rücken“, meint Hintermeier.

Thomas Angermeier: Hummels und Müller sorgen für Optimismus

Vor einem halben Jahr hätte Thomas Angermeier keinen Pfifferling auf die deutsche Nationalmannschaft gesetzt. Den Sinneswandel begründet der Spielertrainer des SV Wackersberg-Arzbach mit der Rückkehr der 14er-Weltmeister Müller und Hummels; auch Boateng hätte er gerne wieder im Team gesehen. „Bei den Geisterspielen hat man mitbekommen wie Müller auf dem Platz kommuniziert und die Mitspieler mitreißt.“ Den gröbsten Stolperstein sieht er gleich in der Gruppenphase. „Wenn die überstanden ist, sind die Besten der EM schon geschlagen. Aber da kann’s auch schnell ganz blöd laufen.“ Einen Schub erwartet sich Angermeier von den drei Champions League-Siegern Havertz, Rüdiger und Werner vom FC Chelsea; Gündogan war immerhin Finalist (Manchester City). Wobei Angermeier auf seinen Trainerkollegen Löw ein Luxusproblem im Mittelfeld zukommen sieht: „Gündogan, Kimmich und Kroos – ob das hinhaut? Gündogan und Kroos sind ähnlich in ihrem Spiel.“ Högscht fraglich.

Florian Kammerlochner vom FC Kochelsee Schlehdorf ist derzeit mit der Meisterschule mächtig eingespannt und hat deshalb die EM im Vorfeld nicht so intensiv wie sonst verfolgt. Ehrensache, dass er zumindest die Spiele der Deutschen anschaut. Den amtierenden Weltmeister hat er als Titelfavoriten auserkoren. „Drum bin ich schon zufrieden, wenn wir gegen Frankreich zum Auftakt nicht verlieren.“ Große Erwartungen setzen die meisten der 83 Millionen Bundestrainer in die Rückkehrer Hummels und Müller. Kammerlochner reiht sich da eher bei den Skeptikern ein: „Eine Leistungsexplosion wird auch mit den beiden nicht stattfinden.“ Bei den zurückliegenden Turnieren hatte er stets auch die Belgier auf dem Zettel, „aber die konnten meine Erwartungen nie so richtig erfüllen“.

Bernhard Reiter vom SV Sachsenkam hat schon mal vorgesorgt: „Wir haben uns im Freundeskreis einen Public-Viewing-Stadl eingerichtet und werden uns in kleiner Runde nicht nur die Spiele von Deutschland anschauen.“ Als Titelfavorit wird meist Frankreich genannt, aber Reiter ist überzeugt: „Deutschland macht‘s! Das ist eine starke Truppe mit guten Führungsspielern. Absolut froh bin ich über die Rückkehr von Hummels und Müller. Der Dortmunder war bester Abwehrspieler der Saison, Müller der beste Offensivspieler. Er wird seine Vorlagengeberqualität auch bei der EM unter Beweis stellen, und Gnabry und Werner machen dann die Kisten.“

Bernhard Reiter vom SV Sachsenkam
Bernhard Reiter vom SV Sachsenkam – Foto: privat

Ebenso eindeutig ist die Lage für Benedikt Kruck. Der Stürmer des SC Reichersbeuern verkörpert von der Statur her den robusten englischen Fußball, kann mit dem Kick and Rush von der Insel allerdings wenig anfangen. „Körperlich übertrieben“, urteilt der 31-Jährige und bevorzugt deshalb die feinen Füßchen der Spanier: „Die sehe ich sehr weit vorne.“ Ganz vorne? Nein, dazu reicht’s nicht, glaubt Kruck, der dem Bundestrainer nach 15 Jahren einen würdigen und versöhnlichen Abschied gönnt. „No risk, no fun – drum tippe ich auf unsere Jungs. Zu Jogis Abschied hauen sie noch mal richtig auf den Putz.“

(Hans Demmel, Rudi Stallein UND Wolfgang Stauner)

Aufrufe: 014.6.2021, 10:49 Uhr
Wolfgang StaunerAutor