2024-04-25T14:35:39.956Z

Interview

Adrian Bravo-Sanchez im großen FuPa-Interview

Der nordhessische Mittelfeldspieler beschreibt seine Jahre beim KSV Hessen Kassel, seine Beweggründe für den Wechsel zum SV Rödinghausen und seine Ziele bei seinem künftigen Verein.

Der SV Rödinghausen hat seine ersten Neuzugänge für die Saison 2021/22 verkündet. Mit dabei ist ein Mittelfeldspieler des Südwest-Regionalligisten KSV Hessen Kassel. Für die meisten in der Region mag der 27-jährige Adrian Bravo-Sanchez eher ein unbeschriebenes Blatt sein, doch hat der SVR da einen echten Ballkünstler und Führungsspieler an Land gezogen. Das weiß einer der FuPa Ostwestfalen-Redakteure, der selbst auch aus Nordhessen stammt und für den mit diesem Wechsel zwei Fußballwelten aufeinander treffen. So kam es zum Gespräch mit Bravo-Sanchez über seine Zeit beim KSV Hessen und das Abenteuer Ostwestfalen, das ihm ab dem Sommer bevorsteht.

FuPa Ostwestfalen: Adrian, die vergangenen fünf Jahre hast du für den KSV Hessen Kassel in der Hessenliga und der Regionalliga gespielt. Blicken wir doch mal auf diese Zeit zurück. Wie war das für dich als gebürtigen Nordhessen?

Bravo-Sanchez: Ich weiß noch, wie sich der damalige Trainer Tobias Cramer und Manager Steffen Friedrich bei mir meldeten. Ich spielte damals beim FSC Lohfelden und der Anruf hat mir viel bedeutet. Ich wusste: Wenn ich die Chance bekommen würde, für den KSV zu spielen, würde ich diese auf jeden Fall ergreifen. Der KSV Hessen ist Nordhessens größter Club mit tollen Fans, und ich habe mich in den Jahren dort auf dem Platz zu einer Persönlichkeit entwickelt. Die Stimmung um Verein und Mannschaft hat sich in der Zeit entwickelt. Ich hoffe, mitgeholfen zu haben, dem Verein ein besseres Image zu geben und den Zusammenhalt zu den Fans zu stärken. Die haben mich mehr als akzeptiert und das hab ich mir in den fünf Jahren erarbeitet.

Gleich dein erstes Tor (gegen die Reserve von Hoffenheim) war eine direkt verwandelte Ecke. Denkst du an solche Treffer besonders gerne zurück? Welche sind deine schönsten Erinnerungen?

Bravo-Sanchez: Och, was die Tore betrifft, da bin ich gar nicht so der Typ für. Was die besten Spiele angeht, fallen mir aber sofort ein paar ein. Da wäre in meiner ersten Saison (2016/17) die Partie gegen Offenbach, die wir mit ´nem Treffer in der Nachspielzeit 1:0 gewannen. In meiner zweiten Saison wäre es der Heimspiel-Auftakt gegen Waldhof Mannheim, bei dem wir natürlich auch gewonnen haben. *lacht* In der Hessenliga in meiner dritten Saison war es auf jeden Fall das Derby gegen Baunatal zu Ostern vor über 15.000 Zuschauern. Das waren alles Heimspiele vor tollen Fans.

Aber nochmal zu deiner Schusstechnik: Haben du und dein Bruder sowas von klein auf geübt? Antonio sticht in seiner Statistik ja auch durch zahlreiche Torvorlagen hervor.

Bravo-Sanchez: Klar haben wir das. Antonio hat mich als großer Bruder gern getriezt, das hat mich auf jeden Fall noch mehr angespornt. Antonio war deutlich talentierter, ein viel besserer Fußballer als ich. Aber ihm fehlte im Vergleich wohl ein wenig der Fleiß, da setzte sich häufiger mal der jugendliche Kopf durch. Doch zurück zu den Standards - meine Ecken kommen geplant und scharf aufs Tor. Sowas proben wir im Training natürlich. Aber wenn man sich innerhalb der Mannschaft dann gut kennt und aufeinander einstellt, dann lässt man den anderen auch mal machen, wenn man um dessen Stärken weiß.

Wie sollen dich die Fans in Rödinghausen eigentlich nennen? Im Fan-Forum des KSV Hessen wirst du gern mal schlicht als "ABS" abgekürzt. Hast du innerhalb der Mannschaft einen besonderen Spitznamen?

Bravo-Sanchez: Nichts spezielles, da war schon alles dabei. Ob "Bravo" oder "Sanchez", ob "Adi" oder Adrian".

Wie kam der Kontakt nach Rödinghausen denn zustande? Was hat dich letztlich zum Wechsel bewegt? Immerhin hast du bislang stets in deiner nordhessischen Heimat gespielt.

Bravo-Sanchez: Mein Berater teilte mir das Interesse vom SV Rödinghausen mit, meine Spielweise würde ihnen zusagen. Ich hatte dann super Gespräche mit Trainer und Vereinsführung - und wir teilen auch die Meinung, dass wir uns gegenseitig weiterhelfen können. Die Gespräche liefen selbstverständlich alle hygienekonform ab, ein Heimspiel konnte ich mir durch die Corona-Situation aber nicht ansehen. Ich habe für zwei Jahre unterschrieben und werde natürlich auch nach Ostwestfalen ziehen - knapp zwei Stunden Autofahrt pro Strecke sind dann schlicht zu viel. Meine Freundin, die derzeit ihr Referendariat in Kassel macht, bleibt in Nordhessen und auch ich werde mein Studium (Sport und Spanisch auf Lehramt) fortsetzen, wenn auch ein bisschen auf Sparflamme. In Rödinghausen habe ich die Gelegenheit unter Profibedingungen zu trainieren, das reizt mich doch sehr. Mit 27 Jahren bin ich ja noch im besten Fußballalter.

Profibedingungen ja, doch hat der SV Rödinghausen in den vergangenen zwei Jahren jeweils auf das Beantragen einer Drittliga-Lizenz verzichtet. Was sind denn deine Ambitionen bei deinem neuen Verein - sowohl persönlich als auch mit der Mannschaft?

Bravo-Sanchez: Rödinghausen ist auf jeden Fall einer der Top-Clubs der Regionalliga West, als solcher haben sie sich in den vergangenen Jahren etabliert. Mit der Mannschaft möchte ich dementsprechend natürlich auch oben mitspielen, die Top 5 sollten das Ziel sein. Die Erwartungen sind hier anders. Mit Kassel hatten wir einen unglücklichen Abstieg in die Hessenliga (auch insolvenzbedingt) und haben dann vergangenes Jahr nach zwei Jahren die Rückkehr in die Regionalliga gefeiert.
Mir ging es nun auch um neue Erfahrungen, fußballerisch nochmal was anderes zu sehen und zu erleben. Spiele wie gegen Preußen Münster oder Alemannia Aachen, auswärts auch mit ´nem Sieg als klarer Vorgabe anzutreten und dort von den gegnerischen Fans ausgebuht zu werden. Als persönliche Ambitionen will ich auf jeden Fall eine wichtige Rolle einnehmen. Ich will meine Spiele machen und Verantwortung übernehmen. Auf der Achterposition zählen natürlich auch Torbeteiligungen - ob ich die Tore einleite, vorbereite oder selber mache, spielt für mich aber keine Rolle.

"Dass wir aktuell durch die Pandemie vor leeren Rängen spielen, ist auf gut deutsch gesagt: richtig scheiße!"

Die Regionalliga-Staffeln West und Südwest sind ja die einzigen, die in Corona-Zeiten noch einen laufenden Spielbetrieb haben. In Rödinghausen kommst du dann auf jeden Fall in ein gut geöltes und nicht eingerostetes Mannschaftsgefüge und beim KSV Hessen läuft nun deine Abschiedstournee. Wie wird der Abschied ablaufen? Welche Kontakte nach Kassel bleiben bestehen?

Bravo-Sanchez: In Kassel bin ich auch schon als Zuschauer, als Fan im Stadion gewesen. Der persönliche Kontakt bleibt auf jeden Fall, auch mit früheren Mitspielern plaudere ich noch oft. Wenn es der Spielkalender zulässt und ich dann grad in Kassel bin, werd ich selbstverständlich den Jungs auch mal beim Training hallo sagen oder mir ein Spiel anschauen. Was schmerzt, ist die Tatsache, dass der persönliche Abschied von den Fans nicht möglich sein wird - man würd sich schon ganz gern nochmal in die Augen schauen. Der Zusammenhalt war stets da, auch in schlechten Zeiten. Dass wir aktuell durch die Pandemie vor leeren Rängen spielen, ist auf gut deutsch gesagt: richtig scheiße!


Was mir sehr am Herzen liegt, ist der Dank an die Fans, meine Freundin und meine Familie und das Verständnis, das mir von ihnen entgegengebracht wird. Mit meiner Freundin und meiner Familie habe ich lange darüber gesprochen, solch eine Entscheidung trifft man ja nicht allein. Mir ging es nochmal um neue Erfahrungen, auch deshalb der Wechsel in eine andere Liga. Es waren tolle Jahre in Kassel, die mir stets in Erinnerung bleiben werden und in Rödinghausen kommen hoffentlich auch noch ein paar gute hinzu.

Aufrufe: 018.4.2021, 10:20 Uhr
Björn Eimer / FuPaAutor