2024-05-02T16:12:49.858Z

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So sieht er aus der neuen VAR "light".
So sieht er aus der neuen VAR "light".

Video-Beweis im Amateurfußball: „Das muss ein Aprilscherz sein“

VAR "light": Münchner nicht begeistert

Die FIFA plant den Videobeweis bis in die unteren Klassen. Die Fußball-Basis im Landkreis München ist skeptisch. Sehr skeptisch.

Landkreis – Vor zwei Jahren sorgte ein angeblicher Videobeweis im Amateurfußball deutschlandweit für Aufsehen: In einem B-Klassenspiel in Rheinland-Pfalz zwischen dem SV Mölschbach und der Spielgemeischaft Hochspeyer hatte der Schiedsrichter nach Blick auf das Smartphone eines Zuschauers, der mitgefilmt hatte, seine Entscheidung auf Abstoß zurückgenommen und stattdessen das zunächst annullierte Siegtor anerkannt. Nun: So stellen sich die Protagonisten der Einführung des Videobeweises bis in die untersten Spielklassen die Zukunft wohl nicht vor.

Doch die technische Regelüberprüfung ist grundsätzlich durchaus ein Thema. Laut des Fußballmagazins Kicker arbeitet man bei der FIFA „mit Hochdruck“ am sogenannten VAR (Video-Assistent-Referee) „Light“, der „möglichst in allen Spielklassen“ zum Einsatz kommen soll. Eine Arbeitsgruppe habe sich Ende Oktober unter anderem mit den Kostenfaktoren und technologischen Mindestanforderungen beschäftigt. Zudem wurden die Fortschritte bei der halbautomatischen Abseitserkennung präsentiert.

Für Fabian Frühwirth ist all das trotz des bereits üblichen Einsatzes von vollautomatisierten Video-Kameras zur Spielbeobachtung „noch weit, weit weg von der Praxis bei den Amateuren.“ Gegenüber der Passauer Neuen Presse sieht der Sprecher des Bayerischen Fußballverbandes im Videobeweis zwar „ein hehres Ziel.“ Aber: „Was die Umsetzung und die Finanzierbarkeit angeht, wird das schon äußerst schwierig.“ Schließlich sind Smartphones nicht die Lösung.

Was besagten Fall in Rheinland-Pfalz angeht, musste die Partie übrigens wiederholt werden. Eine zweite Handykamera hatte zwar gezeigt, dass der Referee gar nicht aufs Smartphone geschaut hatte.

Doch auch ohne das Hinzuziehen technischer Hilfsmittel war es natürlich nicht regelkonform, dass ihn ein Zuschauer zur Rücknahme einer Tatsachenentscheidung bewegt hatte.


VAR "light" ja oder nein?


Der Münchner Merkur hat sich in der Fußballszene des Landkreises umgehört, ob der Videobeweis im Amateurbereich wünschenswert wäre.

Jochen Joppa, Sprecher des Landesligisten TSV Grünwald: „Das ist ein Aprilscherz, das kann ich mir gar nicht anders vorstellen. Allein der Materialaufwand für alle Plätze, um da vielleicht einen Keller auszustatten. Der Verband jammert sowieso, dass es am Geld fehlt. Die letzten Spiele in der Bundesliga haben außerdem wieder gezeigt, dass auch im Keller Fehler gemacht werden. Und bei klaren Fehlentscheidungen wird teilweise nicht eingegriffen. Bei Abseits kann man den Videobeweis vielleicht nachvollziehen, aber für den Amateurfußball ist das auch kein Thema. Immer kommen irgendwelche Leute aus den Löchern und haben irgendwelche Ideen. Mir gefällt der höherklassige Fußball schon länger nicht mehr, die Nationalmannschaft macht keinen Spaß mehr, die Bundesliga ist zum Heulen. Man sollte den Fußball mal mit Neuerungen in Ruhe lassen.“

Hannes Sigurdsson, Trainer des Bayernligisten FC Deisenhofen: „Wenn wir über den VAR reden, dann denke ich, dass es sehr, sehr lange dauern wird, bis der in den unteren Klassen kommt. Das kostet extrem viel Geld und man muss die Leute finden, die das machen. Denn man braucht mehr als die drei Schiedsrichter auf dem Platz. Bei 4600 Vereinen in Bayern kann ich mir das nicht vorstellen. Ich finde, auch bei den Profis hat der VAR den Fußball nicht besser gemacht. Man fragt sich inzwischen manchmal: Kenne ich die Regel oder nicht? Hauptfigur ist irgendein Typ, der am Bildschirm sitzt und wegen dem kleinen Finger auf Abseits entscheidet. Das ist ja meistens nicht der beste Schiedsrichter, sonst stünde er auf dem Platz. Und so werden manchmal reguläre Tore aberkannt, dem Fußball Attraktivität genommen. Grundsätzlich kann ich mir aber vorstellen, dass man irgendwann eine gute Balance findet und der Videobeweis den Fußball besser machen könnte. Aber, solange das bei den Profis nicht funktioniert, ist es für die Amateure kein Thema. Etwas anderes ist es, wenn jemand eine Rote Karte bekommt, die keine war, oder eine Aktion, die Rot verdient hätte, übersehen wurde. Das sollte man sich im Nachhinein anschauen können, in anderen Ländern gibt es das. Dann müsste auf jedem Platz aber eine Kamera sein.“

Ludwig Trifellner (Sportdirektor VfR Garching, Regionalliga Bayern): „Das dauert mir im Profifußball mit dem Video-Schiedsrichter schon zu lange, mit der kalibrierten Linie und so. Natürlich gibt es in den oberen Amateur-Ligen fast überall Kameras, aber eben nur objektbezogen auf den Ball ausgerichtet. Für einen VAR light braucht’s andere Technik, und die kostet sicher nicht gerade wenig. Ich sehe keinen Sinn darin, das bis in die Kreisklasse runter durchzuziehen. Das kommt womöglich mal in zehn Jahren – wenn das alles leichter bedienbar ist. Man sollte sich darauf konzentrieren, die Regeln so einfach wie möglich zu machen, dann ist man auf die Technik nicht angewiesen. Und da hängt doch noch ein Rattenschwanz dran – wenn ich allein an die Sportgerichtsverfahren denke.“

VAR "light": Wie soll das technisch funktionieren?

Auch die Vertreter der unteren Ligen im Landkreis sehen den Plänen skeptisch gegenüber. „Vielleicht in den höheren Klassen würde das Sinn machen“, findet Herbert Mühr, Trainer des Kreisligisten SF Egling-Straßlach., „bei uns sicher nicht, es würde eher den Spielfluss stören“. Mühr befürchtet, das Spiel mehrmals zu unterbrechen für den Videobeweis, würde mehr Durcheinander bringen als Nutzen. Auch den Schiedsrichtern in den Amateurligen würde man damit keinen Gefallen damit tun, meint Mühr und lacht: „Wir haben ja nicht mal einen Linienrichter.“

Auch Benjamin Vilus, der in der Kreisliga die U 23 des FC Deisenhofen trainiert, überlegt, „wie das technisch funktionieren soll“. Er ist diesbezüglich äußerst skeptisch: „Viele Vereine haben momentan sowieso finanzielle Sorgen“, sagt er, und befürchtet, dass die Einführung des Videobeweises nochmal extra Kosten verursachen würde. Jedoch ist Vilus grundsätzlich „offen für alles Neue“, sagt er, doch müsste dafür ein guter Plan ausgearbeitet werden. „Quatsch“ wäre es für ihn, sollten die Kosten auf die Vereine umgelegt werden. „Dann sollte man das Geld lieber in die Qualifikation der Schiedsrichter investieren.“

(Umberto Savignano)

Aufrufe: 02.12.2020, 16:46 Uhr
Münchner Merkur (Süd) / Umberto SavignanoAutor