2024-05-14T11:23:26.213Z

Allgemeines
Höchste Zeit, dass Vatanspor - wie hier gegen Glaishammer -  wieder sportlich für Furore sorgt. F: Zink
Höchste Zeit, dass Vatanspor - wie hier gegen Glaishammer - wieder sportlich für Furore sorgt. F: Zink

Vatanspor schämt sich für seine Spielabbrüche

Alltag in der A-Klasse - Folge 27: Dreimal hat der Verein heuer für negative Schlagzeilen gesorgt, fünf Akteure haben sie deshalb rausgeworfen

Verlinkte Inhalte

Ein holpriger Sandplatz, in der Kabi­ne eine Kiste Bier, das Trikot riecht nach Zigaretten — man erzählt viel über die A-Klasse. Aber auch, dass man dort den Fußball noch so erle­ben kann, wie er ursprünglich einmal war. Wir wollen herausfinden, wie es wirklich ist in den Niederungen des Amateurfußballs und begleiten des­halb eine Saison lang die A-Klasse 6. Auch, wenn mal die Fäuste fliegen.

Kenan Celik ist ein leidenschaftli­cher Mensch. Er ist stolz auf seine Familie, sein Sohn und sein Neffe spielen Fußball bei Vatanspor, er selbst ist seit einem Jahr Vorsitzen­der des Vereins, den Einwanderer vor 25 Jahren gründeten. Sein Stolz ist so groß, dass der 53-Jährige heuer sei­nen Bruder zum Trainer gemacht hat. Der spielte einst Landesligafuß­ball, schnupperte sogar mal am Profi­fußball. Mit Ercan Celik, so der Plan, klappt es endlich mit dem Aufstieg in die Kreisklasse. Momentan sieht das gut aus: Vatanspor steht auf Rang drei, ein Punkt Rückstand ist es auf den Tabellenführer. Doch seit eini­gen Tagen ist Kenan Celik nicht mehr stolz. „Jetzt schäme ich mich“, sagt der Vorsitzende.

Anlass dazu waren die Vorfälle nach Spielschluss in der B-Klasse 10. 1:1 stand es nach 94 Minuten zwi­schen Zabo Eintracht II und Vatan­spor II, dann pfiff der Unparteiische einen Elfmeter zugunsten der Heim­mannschaft, die so 2:1 gewann. Die Situation eskalierte, ein Vatanspor-Akteur soll zwei Zabo-Spieler mit Faustschlägen niedergestreckt ha­ben, die dem bedrängten und mit wüs­ten Ausdrücken beschimpften Schiedsrichter zu Hilfe eilen wollten.

Sogar ein anonymer Brief erreichte unsere Redaktion, in dem ein Vater entsetzt das Geschehen schildert, der mit seinem achtjährigen Sohn zufäl­lig als Zuschauer anwesend war. Er nahm diese Erlebnisse zum Anlass, wie er schreibt, „mit ihm nie wieder ein Amateurfußballspiel zu besu­chen, solange er sich im Kindesalter befindet“. Wie können, fragt er ab­schließend, „Mannschaften wie Vatanspor überhaupt noch Teil des Spiel­betriebes sein?“ Thomas Raßbach, der Kreisspiellei­ter, hat sich diese Frage auch gestellt (siehe untenstehendes Interview) und kurzerhand dafür gesorgt, dass Vatanspor vorübergehend nicht mehr zum Spielbetrieb gehört.

Fünf Pflichtspiele Zwangspause verordne­te Raßbach den beiden Herrenmann­schaften in B- und A-Klasse sowie einen Besuch des Konfliktmanagers, der mit Mannschaft und Vereinsfüh­rung versucht, solche Vorfälle in Zukunft zu vermeiden. Das Brisante: Schon zweimal mussten Punktspiele der A-Klassenmannschaft Vatan­spors heuer abgebrochen werden, das Sportgericht setzte die Partien aller­dings noch einmal neu an.

Kenan Celik hat jetzt gehandelt. Fünf Spieler hat er kurzerhand aus dem Verein geworfen, „damit“, hofft er, „wird so etwas nicht mehr vor­kommen“. Vatanspor, versichert der Vorsitzende, sei kein böser Verein. Es mache ihn traurig, was man nun über den Klub erzählt, was man in der Zei­tung lesen muss. „Wieder ein Spielab­bruch, wieder war es Vatanspor – ich konnte nachts nicht mehr schlafen, weil ich mich so dafür geschämt habe“, sagt Kenan Celik.

Seine Trainer hat er angewiesen, rigoros die Unruhestifter rauszuwer­fen, „und wenn es meine Neffen oder Söhne sind“. Die Meisterschaft, von der Kenan Celik vor der Saison so sehr träumte, ist ihm nun gar nicht mehr wichtig: „So möchte ich kein Meister werden. Da ist es mir lieber, wir werden Fünfter oder Achter – können uns aber richtig benehmen.“ Als er noch Trainer war, oder frü­her, als er Kampfsport betrieb, war es nie das Wichtigste zu gewinnen, sagt Celik: „Entscheidend war, dass man es akzeptieren kann zu verlie­ren, das macht Sportler aus.

Die, die das nicht konnten, haben sie jetzt weggeschickt. „Ich bin kein Hellseher“, sagt der Vorsitzende, „aber ich bin frohen Mutes, dass jetzt nichts mehr passiert. Wir sind ja schließlich nicht Real Madrid. Wir sind Vatanspor, in der A-Klasse 6.“




Kreisspielleiter Raßbach äußert sich besorgt


Herr Raßbach, nach dem jüngsten Vorfall haben Sie für Vatanspor eine Zwangspause verordnet.

Raßbach: Ja, ich wollte, dass die Beteiligten die Emotionen runterfah­ren und dass auch die nächsten Geg­ner die Denkweise „Oh, jetzt müssen wir gegen die Schläger antreten“ aus dem Kopf bekommen.

Nach zwei Wochen Pause nimmt Vatanspor wieder am Spielbetrieb teil, sind die Probleme gelöst?

Raßbach: Das wird sich zeigen. Wir haben einen Konfliktmanager eingesetzt, der Verein hat sehr gut mitgearbeitet, die Voraussetzungen sind also gegeben, dass wir weiterma­chen können.

Und falls es wieder zu einem Vor­fall kommt?

Raßbach: Am Ende der Saison ist es aus Wettbewerbsgründen schwie­rig, eine Mannschaft komplett auszu­schließen, aber natürlich drohen dann ernsthafte Konsequenzen.

Das Verhalten Einzelner könnte dem ganzen Verein nachhaltig scha­den.

Raßbach: Dem Verein und natür­lich dem Fußball im Allgemeinen. Wenn Eltern solche Vorfälle beobach­ten, werden sie sich zweimal überle­gen, ob sie ihr Kind in einem Verein anmelden oder es nicht doch lieber zum Flötenunterricht schicken.

Aufrufe: 06.5.2015, 14:37 Uhr
Christoph Benesch / Sebastian GloserAutor