2024-04-30T13:48:59.170Z

Allgemeines
Nach sechseinhalb erfolgreichen Jahren ist für Davide Taurino Schluss beim TSV Neuried. 
Nach sechseinhalb erfolgreichen Jahren ist für Davide Taurino Schluss beim TSV Neuried.  – Foto: TSV Neuried 

Davide Taurino: „Es waren super sechseinhalb Jahre beim TSV Neuried“

Nach überraschender Trennung im Januar

Davide Taurino war jahrelang die wichtigste Person beim TSV Neuried. Mitte Januar trennten sich Trainer und Verein dann. Im Interview spricht er u. a. über die Hintergründe.

Neuried – Sechseinhalb Jahre lang war Davide Taurino der wohl wichtigste Mann in der Fußballabteilung des TSV Neuried. Seit seinem Amtsantritt im Sommer 2014 war er in Personalunion Sportlicher Leiter, Trainer mehrerer Jugendmannschaften und mit etwa zweijähriger Unterbrechung auch Trainer der ersten Herrenmannschaft. Mitte Januar gab der Verein überraschend bekannt, dass die Zusammenarbeit mit dem 44-Jährigen nicht fortgesetzt wird (wir berichteten). Im ersten Teil des großen Merkur-Interviews spricht Taurino über die Gründe für die Trennung und schaut auf die vergangenen sechseinhalb Jahre in Neuried zurück.

Herr Taurino, bei unserem letzten Gespräch ging es noch um den Saisonendspurt mit der ersten Mannschaft des TSV Neuried, einen möglichen Aufstieg und Neuzugänge für den Sommer. Inzwischen folgte für Außenstehende ziemlich überraschend die Trennung. Wie kam es dazu?

Man macht sich immer Gedanken – beide Seiten, der Verein und auch ich. Wir haben in den letzten sechseinhalb Jahren immer alle zwei, drei Monate alles auf den Prüfstand gestellt. Bei unserem letzten Gespräch sind wir einvernehmlich zu dem Schluss gekommen, dass es sowohl für die Bedürfnisse des Vereins als auch für meine das Beste ist. Der Verein kann ein bisschen umstrukturieren und anderen Trainern die Chance geben, sich weiterzuentwickeln. Und was meine Bedürfnisse angeht: Es ist ja kein Geheimnis, dass ich es irgendwann wieder bei einem NLZ (Nachwuchsleistungszentrum eines Profivereins, Anm.d.Red.) versuchen wollte. Zwölf Jahre bei einem NLZ gehen nicht spurlos an einem vorbei. Ich war jetzt sechs Jahre lang nicht im absoluten Leistungsbereich und es hat einfach wieder gejuckt. Und mit Corona war es auch der richtige Zeitpunkt, um zu sagen: Jetzt und nicht erst dann, wenn alle wieder auf dem Platz stehen.

Halte mir momentan alle Optionen offen

Haben Sie denn schon einen neuen Verein gefunden?

Ich bin seit ein paar Wochen in Gesprächen, aber es gibt noch nichts zu verkünden. Das wird wahrscheinlich noch ein bisschen dauern.

Aber die Tendenz geht klar in Richtung NLZ?

Momentan halte ich mir alle Optionen offen, aber die meisten Gespräche sind bis jetzt mit NLZs gelaufen.

Welche Rolle hat die Corona-Pandemie und die damit verbundene lange Fußball-Pause bei der Entscheidung gespielt?

Seit ich von der SpVgg Unterhaching zum TSV Neuried gekommen bin, hatte ich jedes Jahr im Sommer das eine oder andere Angebot. Gejuckt hat es sowieso – egal ob Corona oder nicht. Die längere Pause hat vielleicht schon dazu beigetragen, dass ich gesagt habe, ich will es noch einmal wissen.

„Blicke mit einem absolut positiven Gefühl auf die Zeit inNeuried zurück“

Sie waren insgesamt sechseinhalb Jahre in Neuried und haben dabei viele verschiedene Ämter bekleidet. Mit welchem Gefühl blicken Sie zurück?

Mit einem absolut positiven Gefühl. Es hat unfassbar viel Spaß gemacht. Als ich 2014 angefangen habe, war ich ursprünglich nur als Sportlicher Leiter für die Jugend vorgesehen und als U19- und U17-Trainer. Und dann ging es ziemlich schnell. Drei Wochen, nachdem ich gekommen bin, hat der Trainer der Ersten (Andreas Brunner) aufgehört. Dann habe ich die erste Mannschaft übernommen und zusätzlich auch noch die Position als Sportlicher Leiter für alle Mannschaften. Es war unfassbar intensiv, damals die Erste in die Landesliga zu hieven – auch wenn es im Nachhinein vielleicht das eine oder andere Jahr zu früh kam. Und es war auch eine Mammutaufgabe, die Jugendmannschaften aus den untersten Klassen bis in die Bezirksoberliga zu bekommen. Wir haben immer gesagt, U17 und U19 müssen in die BOL, damit wir Spieler generieren können, die dann auch in der ersten Mannschaft spielen. Es ist also ein absolut positiver Blick auf eine sehr intensive Zeit, und der TSV Neuried bleibt immer in meinem Herzen. Es waren super sechseinhalb Jahre. Ich verstehe mich auch weiterhin gut mit allen und habe Kontakt.

Sie haben vieles angestoßen. Unter anderem einen einheitlichen Spielstil, den alle Mannschaften spielen sollen. Mussten Sie dabei gegen viele Widerstände ankämpfen? Gab es auch Leute, die gesagt haben: Muss das alles sein?

Das ist das Interessante bei diesem Verein. Bei jedem anderen Amateurverein hätte ich das wahrscheinlich mit Ja beantwortet. Und beim TSV – null. Null Widerstand, nullkommanull. Es hieß damals: Wir wollen dich, um eine sportliche Konzeption zu entwickeln. Und alle Trainer waren Feuer und Flamme, haben sich auch mit den Jahren immer weiterentwickelt und die Konzeption mitentwickelt, bis wir sie vor zwei Jahren dann auch niedergeschrieben haben. Es gab null Widerstand, im Gegenteil, man hat mich eigentlich bei allem unterstützt. Das war wirklich super, und nur so war es letztendlich auch möglich.

„Aufstieg mit der Herrenmannschaft in die Landesliga war ein echtes Highlight“

Was sind Ihre schönsten Erinnerungen?

Rein sportlich war der Aufstieg mit der ersten Mannschaft in die Landesliga im Sommer 2017 ein richtiges Highlight. Vor allem die letzten zwei Relegationsspiele und das allerletzte in Jetzendorf vor 1200 Zuschauern (Nach einem 1:0-Sieg im Hinspiel verlor der TSV Neuried auswärts 1:2 und stieg dank der Auswärtstorregelung auf). Das war ein Hammer. Ich habe bei Unterhaching schon in der höchsten deutschen Liga in der Jugend trainiert und bin auch dorthin aufgestiegen. Aber dieser Aufstieg mit Neuried in die Landesliga der Herren war wirklich besonders, weil er auch so unerwartet kam. Am Anfang der Saison hätte das nie jemand gedacht. Das behalte ich immer im Kopf, und jedes Mal, wenn ich daran denke, bekomme ich ein bisschen Gänsehaut. Dazu kommen die Aufstiege mit der U19 und der U17 in die Bezirksoberliga (2019 bzw. 2020). Mit der U19 waren die drei Jahre hintereinander ganz besonders, in der wir von der Normalgruppe bis in die Bezirksoberliga durchmarschiert sind. Wir wären dann sogar fast noch ein viertes Mal aufgestiegen in die Landesliga, aber sind in der BOL am Ende Zweiter geworden. In einem Jahr haben wir auch mal sozusagen das Triple gewonnen, also Meisterschaft, Pokal und den „Jugend-Supercup“. Das waren die sportlichen Highlights. Und rein emotional kann sich jeder Trainer wirklich geehrt fühlen, wenn er beim TSV Neuried eine Mannschaft übernehmen kann, weil sich dort in den letzten Jahren wirklich etwas entwickelt hat und es menschlich auch super passt.

„Erfolgreicher Abstiegskampf mit Neuried war noch extremer als der Aufstieg in die Landesliga selbst“

Nachdem die erste Mannschaft in die Landesliga aufgestiegen ist und dort nach einem starken Endspurt in der Saison 2017/18 auch den Klassenerhalt geschafft hat, ...

(unterbricht) ...genau, das hatte ich ganz vergessen zu erwähnen! Das war natürlich der Wahnsinn. Nach der Tabelle der Hinrunde in der Landesliga hätte nicht einer nur einen Cent auf uns gewettet. Und dann passieren plötzlich gewisse Dinge, und wir holen aus den letzten sieben Spielen 19 Punkte. Ich bin auch mal am letzten Spieltag mit der U17 von Unterhaching in der höchsten deutschen Liga dringeblieben, aber diese Aufholjagd mit Neuried und dann sogar ohne Relegation drinzubleiben, das war wirklich etwas ganz Besonderes. Das war fast noch extremer als der Aufstieg in die Landesliga selbst.

Nach dem Landesliga-Klassenerhalt haben Sie aber als Trainer der ersten Mannschaft aufgehört. In der zweiten Landesliga-Saison 2018/19 gab es insgesamt drei Trainerwechsel, und am Ende ist der TSV Neuried ohne einen einzigen Saisonsieg abgestiegen. Was ist da schiefgelaufen?

Wie schon gesagt, der Aufstieg in die Landesliga kam einfach ein paar Jahre zu früh. Er kam deswegen zu früh, weil die ganz starken Jahrgänge mit Nico Höhne, Sebastian Hessenberger und so schon an ihrem Zenit waren. Die wollten eigentlich gar nicht mehr weiterspielen und haben nur weitergemacht, um ein Jahr Landesliga mitzunehmen. Der Verein hat einfach noch ein bisschen Zeit gebraucht. Deswegen ist da auch nichts schiefgelaufen. Es ist eher „schiefgelaufen“, dass wir aufgestiegen sind (lacht). Aber wer sagt da schon nein? Jetzt ist eigentlich die Zeit, in der wir es hätten schaffen können, sollen oder irgendwann mal sogar müssen. Mit den ganz starken Jugend-Jahrgängen, die jetzt kommen. Wenn wir jetzt in der Landesliga wären, würden wir auch in den nächsten Jahren nicht absteigen, mit den ganzen Spielern, die nachkommen.

Morgen Teil Zwei des Videos

Morgen wagt Davide Taurino einen Blick in die Zukunft – seine persönliche und die des TSV Neuried – und spricht über den Trainerkollegen im Sportpark, der ihn am meisten fasziniert hat.

Aufrufe: 04.2.2021, 10:29 Uhr
Münchner Merkur (Würmtal) / Tobias EmplAutor