2024-05-10T08:19:16.237Z

Spielbericht
Bierofka während des Spiels gegen Viktoria Köln. sampics / Stefan Matzke / Stefan Matzke
Bierofka während des Spiels gegen Viktoria Köln. sampics / Stefan Matzke / Stefan Matzke

Bierofka nimmt „Auszeit“ von 1860 - ist der Trainer bald weg?

Nach düsterem Auftritt: „Lange schaue ich mir das nicht mehr an“

Der Coach des TSV 1860 hat sich eine Auszeit genommen. Keine große Sache eigentlich - hätte es nicht am Samstag einen düsteren Auftritt des Trainers gegeben.

München - Einer fehlte, als sich die 1860-Profis am Tag nach dem wichtigen Sieg gegen Viktoria Köln (4:2) zum Frühsport versammelten. Von Daniel Bierofka war am Sonntag nichts zu hören und nichts zu sehen. Das Regenerationstraining leitete Assistenzcoach Oliver Beer – und die Erklärung lieferte Sportgeschäftsführer Günther Gorenzel. „Der Trainer hat sich eine Auszeit genommen“, sagte Gorenzel auf Nachfrage unserer Zeitung: „Er hat die Mannschaft direkt nach dem Spiel darüber informiert. Grundsätzlich ist das legitim, wenn ein Angestellter mal Zeit für sich oder die Familie benötigt. Wir nehmen das so zur Kenntnis.“

Keine große Sache also? Man könnte das so sehen, wenn es nicht am Samstag einen düsteren Auftritt des Trainers gegeben hätte, der den Verein die nächsten Tage beschäftigen wird. Bierofka hatte sich auf der Pressekonferenz nach dem Spiel nicht lange damit aufgehalten, den verdienten und nur kurz ins Wanken geratenen Heimsieg zu analysieren. Zügig leitete er über zu einem Anliegen „in eigener Sache“. Und was er dann formulierte, leicht kryptisch, aber in der Sache deutlich, das hatte Sprengkraft – weil Bieroka nicht zum ersten Mal seine Zukunft beim TSV 1860 in Frage stellte. Einen Artikel des Fachblatts „kicker“, in dem Zweifel an seiner Arbeit durchklangen („kein Plan B“), interpretierte er so, dass die Informationen nicht wie dargestellt aus der Mannschaft gekommen seien, sondern „aus dem inneren Kreis“ des Vereins. „Es ist nicht das erste Mal, dass das passiert“, sagte Bierofka grollend und schloss sein 90-Sekunden-Statement mit einer Warnung: „Lange schaue ich mir das nicht mehr an, das weiß ich.“

Wird der Trainer 1860 verlassen? Bierofka denkt bis Dienstag nach

Zunächst bis Dienstag, hat unsere Zeitung erfahren, will sich Bierofka ausklinken und für niemanden vom Verein erreichbar sein. Der frustrierte Coach will nachdenken, wie es mit ihm und 1860 weitergeht. Will sich mit Leuten beraten, die ihm nahestehen (wohl auch mit Berater Christian Nerlinger). Es brodelt ja schon länger in Bierofka. Spätestens seit der sog. FAQ-Affäre Mitte September, als es unter Punkt 15 eines Frage-undAntwort-Katalogs so klang, als würde ihm das Präsidium einen Vereinswechsel nahelegen, ist der Herzblutlöwe innerlich auf 180. Neben der sportlichen Perspektivlosigkeit ist es vor allem der Mangel an Wertschätzung seitens bestimmter e.V.-Vertreter, der ihn mürbe macht. Zu hören ist, dass inzwischen auch seine Familie unter den vereinsinternen Querschüssen leidet. Und damit, das dürfte jedem bei 1860 klar sein, ist beim bekennenden Familienmenschen Bierofka eine rote Linie überschritten.

Ob die Löwen ihren Trainer wieder einfangen können? Gorenzel, der Bierofka, seit fast 15 Jahren kennt, sagt in seiner sachlichen Art: „Ich habe absolutes Verständnis für seinen Ärger. Nur: Kritik gehört zum Profifußball dazu. Es ist auch normal, dass Kritik aufkommt, wenn ein Verein in einer schwierigen Situation steckt. Jeder kennt die Emotionen von Daniel Bierofka und schätzt sie. Einen Fakt möchte ich aber in aller Deutlichkeit betonen: Der Trainer hat in der Vergangenheit die vollste Rückendeckung bekommen, vom Verein, von den Gesellschaftern – und vor allem von der Geschäftsführung. Ich selber habe vollstes Vertrauen in unsere sportliche Konstellation und habe den Trainer auch gestützt, wann immer es angebracht war.“

TSV 1860: Präsidium steht hinter Daniel Bierofka

Angemessen besorgt reagierte Hans Sitzberger. Der besonnene Vize will das Gespräch mit dem Trainer suchen, und selbst Robert Reisinger, dem ein kühles Verhältnis zum Trainer nachgesagt wird, ließ ausrichten: „Das Präsidium steht voll und ganz hinter Daniel Bierofka.“ Sitzberger appelliert an alle im Verein, „nicht die Politik, sondern den Sport in den Mittelpunkt zu stellen“.

Zumal die Löwen endlich mal gut und erfolgreich spielten. Nach souveräner 2:0-Führung gab es nur Mitte der zweiten Hälfte eine kritische Phase, als 1860 zu passiv wurde, sich das 2:1 fing und auch noch einen Pfostentreffer. Diesmal hatte Bierofkas Team nicht nur das nötige Spielglück (auch bei einem zurückgenommenen Abseitstor/37.), diesmal nutzten Sascha Mölders, der verbesserte Stefan Lex und Aaron Berzel die sich bietenden Chancen. „Wir sind brutal viel gelaufen, alle auf dem Platz haben sich zerrissen – das war heute der Schlüssel“, sagte Doppeltorschütze Mölders. Der scheidende Stürmer sprach auch aus, was etliche Fans denken dürften. 1860 ohne Bierofka? „Ehrlich gesagt nicht vorstellbar für mich.“

Die Lage ist ernst beim TSV 1860. Sportlich. Finanziell sowieso. Neuerdings auch personell. Nicht ins Bild passt die Gemütslage des Trainers, die von einer unverändert guten Moral beim Tabellenfünfzehnten zeugt. Beim Heimspiel gegen Viktoria Köln zeigten sich die Löwen mal wieder von ihrer besseren Seite. Wer hat Sie überzeugt? Stimmen Sie in unserer Abstimmung ab.

Aufrufe: 04.11.2019, 09:02 Uhr
Münchner Merkur / tz / Uli KellnerAutor