2024-04-25T14:35:39.956Z

Interview
Reinhold Breu wird nach 10 Jahren als Sportdirektor in Luxemburg nach Niederbayern zurückkehren.
Reinhold Breu wird nach 10 Jahren als Sportdirektor in Luxemburg nach Niederbayern zurückkehren. – Foto: Albert

»Der Fußball wird doch immer langweiliger«

Sportdirektor in Luxemburg: Nach bewegten 10 Jahren wird für Reinhold Breu (49) 2021 im Großherzogtum Schluss sein - dann kehrt er nach Niederbayern zurück +++ Im Gespräch mit FuPa ist er um keine klare Aussage verlegen

Unter seine Regie hat das winzige Großherzogtum Luxemburg den Sprung unter die Top-100 der Fifa-Weltrangliste geschafft: Nach zehn Jahren wird Reinhold Breu aus Edenstetten im Landkreis Deggendorf aber seine Tätigkeit als Sportdirektor in unserem Nachbarland dann ab 2021 ruhen lassen und nach Niederbayern zurückkehren. Der 49-Jährige blickt auf eine bewegte Zeit zurück und ist in der aktuellen Situation um keine klare Aussage verlegen. FuPa hat sich mit ihm zu einem Telefoninterview verabredet:

FuPa: Reinhold, warum bist du zu der Entscheidung gekommen, Luxemburg im nächsten Jahr den Rücken zu kehren?
Reinhold Breu (49): Den Beschluss habe ich schon im Dezember gefasst. Ich habe den Verband informiert, dass für mich mit Ablauf meines Vertrags im Sommer 2021 Schluss sein wird. Ich denke, ich habe einiges anschieben können in den vergangenen Zeit, aber nach zehn Jahren ist es dann auch gut. Und wenn sie mir mit Schubkarren das Geld vor die Haustüre gefahren hätten, mein Entschluss war unumstößlich. (lacht)

Was hast du danach vor?
Ich werde wieder nach Niederbayern heimkehren. Ich habe ein Haus in Edenstetten, dahin werden meine Frau und ich ziehen. Meine Kinder sind groß. Was ich dann machen werde? Ich will noch einmal was Neues machen, will eine interessante und reizvolle Aufgabe übernehmen, die mir Spaß macht. Das kann im Seniorenbereich sein, aber am meisten Bock habe ich im Moment darauf, mit Nachwuchsspielern zu arbeiten. Ich wage schon zu behaupten, dass ich weiß, wie man junge Spieler auf den Weg Richtung Profifußball bringt.

Reinhold Breu hat in seiner Zeit beim SV Eintracht Trier unter anderem Robin Koch (23) entdeckt, der mittlerweile Stammspieler beim Bundesligisten SC Freiburg ist. In Luxemburg hat er als Sportdirektor ein nationales Ausbildungszentrum mit aufgebaut und erweitert. Die Früchte kann das kleine Fürstentum nach und nach ernten. Nur etwa ein Viertel so groß wie Niederbayern, hat sich Luxemburg mittlerweile in den Top-100 der Fifa-Weltrangliste etabliert - und lässt damit Länder wie Indien, Kasachstan oder Neuseeland hinter sich.

Breu lebt in Trier - und darf dank eines Passierscheins nach Luxemburg.

Wie fällt deine persönliche Bilanz aus?
Als ich nach Luxemburg kam, bestand die Nationalmannschaft aus drei Profis, der Rest waren alles Amateure. Mittlerweile haben wir über 30 Profis, die im Ausland beschäftigt sind. Wir haben so gut wie keine Amateure mehr in der Nationalelf. Wir haben es geschafft, das Ganze auf professionellere Füße zu stellen. Daran habe auch ich meinen Beitrag geleistet.

Die Corona-Krise hat das Leben im Würgegriff. Wie sieht derzeit dein Alltag aus?
Ich lebe in Trier, habe aber einen Passierschein und darf über die Grenze nach Luxemburg pendeln. Wir halten im Moment per verbandsinterner App Kontakt zu unseren rund 300 Nachwuchsspielern im Leistungszentrum. Das ist ganz wichtig. Die Sportstätten sind in Luxemburg bis Ende Juli geschlossen. Wir hoffen dennoch, ähnlich wie in Deutschland, langsam wieder mit dem Trainingsbetrieb beginnen zu können.

Was macht die Krise mit dir persönlich?
Ich mache mir natürlich auch viele Gedanken. Wir gehen in der Situation dazu über, nichts mehr zu hinterfragen. Wir nehmen alles hin, was uns die Politik diktiert. Ich wage zu bezweifeln, dass es der richtige Weg ist, alles zuzusperren. Wir müssen lernen, damit zu leben. Sonst könnte das böse Ende im Herbst erst noch kommen, wenn wir viele Millionen Arbeitslose zu beklagen haben.

Reinhold Breu (re.) hat einigen Talenten aus Luxemburg zum Sprung in den Profibereich verholfen.
Reinhold Breu (re.) hat einigen Talenten aus Luxemburg zum Sprung in den Profibereich verholfen. – Foto: Albert



Lass uns ein wenig in die Zukunft schauen. Eine Zeit nach Corona wird kommen.
Und es wird nachhaltig unser Leben beeinträchtigen. Ich könnte mir vorstellen, dass dieses hemmungslose Konsumdenken ein Ende hat. Brauche ich wirklich den vierten Fernseher? Brauche ich ein drittes Auto? Wir werden wieder demütiger werden, was sicher nicht so schlecht ist. Denn das System ist krank.

Wie meinst du das genau?
Ich picke mal eine große deutsche Sportartikelfirma als Negativbeispiel heraus. Die fährt Jahr für Jahr neue Milliardengewinne ein, kann aber dann nach vier Wochen nicht mehr die Miete für ihre Läden bezahlen? Unfassbar. Genauso bedenklich ist es, dass Krankenhäuser wie Wirtschaftsunternehmen geführt werden. Ein gutes Krankenhaus ist ein voll ausgelastetes Krankenhaus. Im Ernst? Der bayerische Ministerpräsident wird im Moment für sein Krisenmanagement gefeiert. Im Grunde werden aber doch die Probleme nur auf die kommenden Generationen abgewälzt.

Fußball? »Die größte Enttäuschung.«

Man muss kein Prophet sein: Auch auf den Fußball werden große Probleme zukommen. Übereinstimmend wird berichtet, der FC Schalke 04 sei in ernsthaften finanziellen Schwierigkeiten, die Insolvenz droht.
Der Fußball ist die größte Enttäuschung. TV-Verträge in Millionenhöhe, Einnahmen aus dem Europapokal, ein Stadion, das mit über 60.000 Zuschauern immer ausverkauft ist. Und dann schafft es Schalke, mit 200 Millionen Euro Schulden kurz vor der Pleite zu stehen, weil es ein paar Wochen keinen Spielbetrieb gibt. Aber das kommt eben davon, wenn Mitläufer und Bankdrücker mittlerweile fünf Millionen Euro verdienen.

Auch im Amateurfußball klagen viele Vereine über fehlende Einnahmen.
Auch das ist krank. Warum? Weil sich der, ich nenne es mal so, saubere Fußball an den Großen orientiert, dem Gebaren im Profibereich nacheifert. Da bezahlt ein Verein sagen wir mal acht Spieler, die nicht mal unter der Woche am Training teilnehmen, sondern nur samstags oder sonntags zum Spiel kommen, nur um in der Bezirksliga mitmischen zu können. Das verdirbt den Amateurfußball meiner Meinung nach. Wenn ich daheim in Niederbayern bin, sehe ich mir gerne Spiele an. Was ich dann aber sehe...also tut mir leid. Da frage ich mich schon, warum der ein oder andere Spieler Geld bekommt. Ich hoffe, da wird ein Reinigungsprozess einsetzen.

In der jüngeren Vergangenheit ging der Trend in Bayern dahin, den Spielbetrieb immer mehr aufzublähen. Mittlerweile haben wir fünf Landesligen, zwei Bayernligen, eine eigene Regionalliga Bayern. Was sagst du dazu?
Der Fußball wird doch immer langweiliger. Da spielt der 1. FC Passau in Kastl, der TSV Bogen musste letztes Jahr nach Grünwald - vor wahrscheinlich 40 Zuschauern. Ja wen interessiert denn das? Da werden Ligen ins Leben gerufen, da fehlt mir jedes Verständnis. Da wird in die falsche Richtung gedacht, indem man versucht, irgendwelche künstlichen Gebiete zusammen zu fassen. Nur um das Ding dann Landesliga nennen zu können.

Breu: 100.000 Euro für jeden bayerischen Regionalligisten.

Wie wäre es deiner Meinung nach sinnvoller?
Der Amateurfußball muss wieder regionaler werden. Die Herren vom BFV müssen neue Reize setzen. Warum nicht eine Bezirksliga Niederbayern, eine Bezirksliga Schwaben und so weiter. Darüber von mir aus zwei Bayernligen und dann die Regionalliga.

Bayern ist das einzige Bundesland mit einer eigenen Regionalliga. Deine Meinung dazu?
Wenn der BFV schon immer groß rausposaunt, die Regionalliga Bayern sei ein Premiumprodukt, dann muss er den Vereinen auch unter die Arme greifen. Um überhaupt zugelassen zu werden, wird den Vereinen sogar diktiert, wie die Stadien auszusehen haben. Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen! Da muss eigens ein Gästebereich eingerichtet werden. Für was? Dass dann zum Beispiel in Schalding pro Saison vielleicht zwei Teams anreisen, die mehr als zehn Fans dabei haben? Regionalliga ist die Schnittstelle zum Profibereich, und wenn sich der BFV schon dafür rühmt, Dorfvereinen die Chance zur "Champions League" der Amateure zu ermöglichen, dann muss er auch dafür etwas tun. 100.000 Euro für jeden Verein vor Saisonbeginn, das wäre zum Beispiel ein Anfang.

Das Interview führte Mathias Willmerdinger.

Aufrufe: 021.4.2020, 13:30 Uhr
Mathias WillmerdingerAutor