Der deutsche Fußball steckt tief in der Krise, und das schon länger. Daran ändert auch der überraschende 2:1-Sieg der Nationalelf am Dienstag gegen Frankreich nichts. Um den Anschluss an die Weltspitze wieder irgendwann herstellen zu können, muss etwas passieren. Darüber sind sich alle einig. Aber was genau? Da scheiden sich die Geister. Der DFB reformiert zur Saison 2024/25 den Kinderfußball grundlegend. Und das sorgt für hitzige Diskussionen: Für die einen ist es die dringend notwendige Veränderung, die anderen können damit gar nichts anfangen.
Was genau ändert sich ab der Spielzeit 2024/25? Ab diesem Zeitpunkt sollen die veränderten Spielformen, die im Kern kleinere Mannschaftsgrößen auf kleineren Spielfeldern vorsehen, die bisherigen Wettbewerbsangebote in der G-, F- und E-Jugend als feste Formate ablösen.
Warum die Veränderung? Der DFB begründet: Um den Leistungsdruck zu minimieren und die sportliche Entwicklung der Kinder stärker in den Vordergrund zu rücken, wird in der G- und F-Jugend keine Meisterschaftsrunde ausgetragen. Stattdessen sind Spielenachmittage und Festivals mit mehreren Mannschaften und Spielfeldern vorgesehen. Heißt: Punkte und Tabellen soll es nicht mehr geben.
Was sich ebenfalls ändern soll: Auch die A- und B-Jugend-Bundesligen werden durch ein System ohne Abstieg für Vereine mit Nachwuchs-Leistungs-Zentren (NLZ) ersetzt.
Selbst DFB-Vizepräsident Hans-Joachim Watzke übt scharfe Kritik an den Plänen. "Demnächst spielen wir dann noch ohne Ball. Oder wir machen den eckig, damit er den etwas langsameren Jugendlichen nicht mehr wegläuft." Damit reiht sich Watzke in den Reigen der prominenten Kritiker ein.
FuPa hat sich über die Thematik mit Reinhold Breu unterhalten. Der 53-jährige gebürtige Niederbayer aus Edenstetten bei Deggendorf war selbst Profi, hat dann in Deutschland im Nachwuchsbereich etwa beim SSV Jahn Regensburg gearbeitet. In Luxemburg war er zehn Jahre lang Sportdirektor und unter anderem auch für den Aufbau einer funktionierenden Nachwuchsarbeit verantwortlich. Aktuell ist er beim litauischen Verband in selbiger Position tätig. Sein Aufgabenbereich umfasst es auch, sich intensiv mit der Nachwuchsförderung in ganz Europa zu beschäftigen und dabei über den Tellerrand hinauszublicken. Kurzum: Breu kennt sich aus in dem Metier. Was sagt er zur Diskussion in Deutschland?
Reinhold, die Debatten rund um die Reform im Kinderfußball kriegst du auch in Litauen mit. Keine Ergebnisse und Tabellen mehr bei den Kleinen, um es vereinfacht zu sagen. Wie ist deine Meinung dazu?
Reinhold Breu (53): Ich bin froh, dass in den jüngsten Jahrgängen die Tabellen und Ergebnisse abgeschafft werden. Zum Wohle der Kinder! Eine sehr gute Förderung und eine sehr gute fußballerische Ausbildung müssen an erster Stelle stehen. Ich würde sogar so weit gehen und sagen: Keine Tabellen von der U8 bis zur U15! So wie das in England praktiziert wird. Da würde ich jeglichen Druck wegnehmen. Selbstverständlich sollte aber vorab nach Leistungsstärke eingeteilt werden. Die Erfahrung hat in England gezeigt, dass dieses Konzept dafür sorgt, dass die Anzahl der Spieler mit Qualität und Potenzial in den Bereichen U16 bis zur U19 enorm ist.
Die größte Schwachstelle bei uns in Deutschland im Nachwuchsbereich ist nämlich, dass der Schwerpunkt nicht darauf liegt, Fußball zu spielen. Freilich will auch ein 14-Jähriger gewinnen, aber das nackte Resultat darf kein so starkes Gewicht haben.
Was meinst du damit konkret?
Bei uns geht es viel zu sehr um Ergebnisse. Hier noch eine wissenschaftliche Studie, da noch eine neue Akademie. Da bin ich ganz bei Sandro Wagner, der gesagt hat, dass er es schrecklich fände, wenn er von der U8 bis zur U14 Trainer mit Taktiktafeln rumlaufen sehe. Lasst die Jungs und Mädels einfach kicken! Die Trainer sind für die Kinder da, und nicht umgekehrt. Deshalb sollte der DFB unbedingt Wert darauf legen, dass die Trainerqualität nicht nur bei den Profivereinen gut ist, sondern sich auch gerade an der Basis gute Trainer engagieren. Ein Beispiel: Da fährt eine Mannschaft in der U13-Bezirksoberliga einfach 60 Kilometer zum Auswärtsspiel, die Nummer 14 darf dann für vielleicht acht Minuten ran, weil das Ergebnis muss ja passen. Dass die dann irgendwann die Lust verlieren, ist auch klar.