2024-05-10T08:19:16.237Z

Interview der Woche

"Für die nächste Zeit ist erst mal Schluss"

"Nachspielzeit" mit Jan Itjeshorst +++ Der Gonsenheimer Innenverteidiger über seinen Rücktritt und wie es jetzt weitergeht

Rheinhessen. In unserer Interview-Rubrik "Nachspielzeit" befragen wir wöchentlich in lockerem Rahmen interessante Spieler und Trainer aus der Region über ihren Verein und ihre persönlichen Ziele. Heute zu Gast: Jan Itjeshorst vom SV Gonsenheim.

Der Abwehrchef geht von Bord. Am Dienstag hat sich Jan Itjeshorst von seinen Mannschaftskollegen beim SV Gonsenheim verabschiedet. Weil sich früher als erwartet eine berufliche Aufstiegschance ergeben hat, hängt der 27-Jährige die Fußballschuhe an den Nagel. Im „Interview der Woche“ blickt der Essenheimer zurück auf seine acht Oberliga-Spielzeiten – und erläutert, warum man sich um den Verein, für den er seit der C-Jugend gespielt hat, keine Sorgen machen muss.

Jan, auf einmal ist es vorbei. Die Frage mag abgedroschen klingen, aber: Wie fühlt sich das an?

Für mich ist das ja nicht komplett neu, ich habe die Entscheidung schon länger gefasst. Ursprünglich geplant war, dass ich bis Winter weiterspiele und dann entweder ganz aufhöre oder nur noch sehr begrenzt zur Verfügung stehe. Daher habe ich mich mit dem Gedanken schon länger auseinander gesetzt. Somit ist es für mich eigentlich relativ schmerzfrei, noch vermisse ich nichts. Aber wenn ich länger nicht auf dem Platz stehe und die Jungs nicht sehe, kann es schon sein, dass ein bisschen Wehmut aufkommt.

Wer war denn eingeweiht?

Erst einmal nur Trainer Babak Keyhanfar und Manager Marvin Bylsma. Die Mannschaft musste es nicht wissen, das hätte vielleicht Unruhe reingebracht.

Wie hat die Mannschaft Deine für sie unverhoffte Ankündigung, nicht mehr zur Verfügung zu stehen, aufgenommen?

Die Jungs waren erstaunt, vielleicht auch ein bisschen geschockt. Dass es so kommt, wusste von ihnen keiner. Eventuell waren die Jungs auch ein bisschen vor den Kopf gestoßen, aber ich denke, sie verstehen das. Und sie haben mich beglückwünscht, dass das beruflich so klappt, wie ich es mir vorgestellt habe.

Gab oder gibt es einen Ausstand?

Es wird einen geben! Es ist aber noch nicht klar, wann, wahrscheinlich nach einem Heimspiel. Da werde ich mich noch mal mit der Mannschaft zusammen setzen, vielleicht grillen wir oder gehen in die Gaststätte, und ich kann ihnen meinen Schritt genauer erklären. Es ist auch mit Babak besprochen, dass ich mich bis Winter ab und zu noch mal blicken lasse, so gut es möglich ist, und mit den Jungs Stabi- und Athletikübungen mache. Das habe ich auch, als ich noch aktiver Spieler war, häufiger gemacht. Aber mit dem Ball trainieren und spielen werde ich in Gonsenheim nicht mehr.

Ist eine Rückkehr irgendwann im unterklassigen Bereich denkbar?

Für die nächste Zeit ist auf jeden Fall Schluss, zumal mir auch die Verletzungsgefahr zu hoch ist. Danach könnte ich mir schon vorstellen, unterklassig noch mal gegen die Pille zu treten, aber darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht. Wenn ich mich entscheide, nochmal zu spielen, tue ich das nicht, um Geld zu verdienen, sondern um Spaß zu haben. Aber erst einmal ist es mit Fußball vorbei.

187 Oberliga-Spiele, alle für den SV Gonsenheim – an welche hast Du die besten Erinnerungen?

Richtig geil war das letzte Spiel in der ersten Oberliga-Saison beim 1. FC Saarbrücken II (Mai 2011, d.Red.), wo wir in der Halbzeit schon abgestiegen waren und durch zwei Tore von Rufat Dadachev das Ruder noch herumgerissen, gewonnen und die Klasse gehalten haben. Die Derbys gegen Schott oder damals gegen Waldalgesheim waren immer etwas Besonderes, weil mehr Zuschauer da waren als sonst und man viele von den gegnerischen Jungs kannte.

Es gibt noch eine andere Zahl in Deiner sportlichen Vita – die Tore...

Genau! Eins habe ich geschossen, und nicht mal ein schönes. So ein Gestocher nach einer Ecke daheim gegen Eintracht Trier II (November 2011, d.Red.). Das war wirklich nicht meine Stärke.

Ecke, gutes Stichwort. Warum bist Du eigentlich bei Standards fast nie mit nach vorne gegangen?

Ganz ehrlich? Weil ich überhaupt keine Kopfballtechnik habe. Hinten die Kopfballduelle gewinnen und den Ball wegbringen kann ich, aber vorne – das können die Jungs aus dem Training bestätigen – verfehle ich den Ball öfter mal. Da ist schon der ein oder andere Spruch gefallen, wenn mal wieder eine mustergültige Flanke kam und ich den Ball einfach nicht getroffen habe. Deshalb war es mir zu blöd, immer wieder mit nach vorne zu gehen und dann wieder nach hinten zu rennen. Hinten bin ich am besten aufgehoben bei Standards.

Und welches Spiel würdest Du lieber aus den Geschichtsbüchern tilgen?

Das weiß ich auf jeden Fall: ein Heimspiel gegen Betzdorf (August 2012, d.Red.). Da habe ich auf der Bank gesessen, wir haben 20 Minuten vor Schluss 4:1 geführt, Aydin Ay hat mich auf der Sechs eingewechselt und wir haben 4:5 verloren. Vier Gegentore mit mir auf der Sechs, das ist haften geblieben.

Mit Mischa Lautenschläger, Jürgen Collet, Aydin Ay, Jörg Jansohn und Babak Keyhanfar hattest Du sehr unterschiedliche Trainertypen, von Jungspund bis älterer Hase, manche sehr impulsiv an der Seitenlinie, andere äußerst ruhig – wer war der Beste?

Das ist eine gemeine Frage! Jeder hat eine andere Art, mit den Spielern umzugehen und wie er Fußball spielen lassen möchte. Jörg hat immer viel Wert auf die Null gelegt. Jürgen Collet war ein super Motivator. Aydin hat eingeschlagen wie eine Bombe, er hat uns fußballerisch auf ein anderes Niveau gehoben, und man hat gemerkt, dass er höher gespielt hatte und die taktischen Kniffe kennt. Babak ist auch sehr motivierend und hat eine klare Vorstellung davon, wie er spielen möchte. Jeder hat seine Stärken.

Blicken wir voraus: Wird man Dich am Wildpark denn vielleicht in anderer Funktion sehen?

Ausschließen will ich es nicht, aber das ist Zukunftsmusik, weil ich selbst noch nicht weiß, wie es bei mir weitergehen wird. Vorstellen kann ich es mir, weil ich die handelnden Personen alle gut kennen gelernt habe und wir engen Kontakt hatten. Ich denke, ich bin dort gern gesehen und anerkannt. Ich könnte es mir tendenziell vorstellen – wenn es irgendwann passt, passt es, sonst eben nicht.

Mit Marc Beck (21), Jonas Eichbladt (19) und Lars Hermann (19) steht ein echter „Kinderriegel“ in Deiner Nachfolge. Packen die Jungs das?

Ja. Definitiv ja. Da mache ich mir gar keine Sorgen. Marc Beck habe ich selber noch in der A-Jugend trainiert. Sowohl sportlich als auch persönlich ist er ein Top-Typ, gibt auf dem Platz immer alles und ist neben dem Platz absolut anständig. Den anderen fehlt vielleicht noch ein bisschen die Erfahrung, sie sind noch etwas grün hinter den Ohren, aber das war ich am Anfang auch. Da mache ich mir absolut keinen Kopf.

Das Gespräch führte Torben Schröder.

Aufrufe: 018.8.2017, 11:00 Uhr
Torben SchröderAutor