2024-05-10T08:19:16.237Z

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Hannes Sigurdsson spielte in 15 Jahren bei 13 Vereinen. Mit dem FC Deisenhofen will er als Trainer den Aufstieg in die Bayernliga packen.  Sven Leifer / Sven Leifer
Hannes Sigurdsson spielte in 15 Jahren bei 13 Vereinen. Mit dem FC Deisenhofen will er als Trainer den Aufstieg in die Bayernliga packen.  Sven Leifer / Sven Leifer

Neun Länder, sieben Sprachen: Die verrückte Karriere von Hannes Sigurdsson

Der Wikinger des FC Deisenhofen

Hannes Sigurdsson war isländischer Nationalspieler. Unzählige Verletzungen standen einer großen Karriere im Weg.Der Stürmer setzte sich ein neues Ziel: Er wollte die Welt sehen. Seine große Liebe und den ersten Trainerjob fand er in München.

Wenn die isländische Nationalhymne läuft, beginnt bei Hannes Sigurdsson das Kopfkino. Er sieht die Berge seies Landes. Die Natur. Die Vulkane. Er spürt eine Kraft, für die er nur schwer Worte findet: „Das fühlst du nur, wenn du in Island aufgewachsen bist. Die Wikinger kamen hier her. Das war sicher nicht der einfachste Ort zum Leben. Diese Erfahrung hat die Menschen geprägt.“

Sigurdsson war 21 Jahre alt, als er die Hymne zum ersten Mal als Nationalspieler singen durfte. Bei einem Testspiel gegen Italien durfte er von Beginn an ran. Sigurdsson erlebte seinen Kindheitstraum. Doch wenn der 35-Jährige heute auf seine Karriere zurückblickt, fanden die großen Höhepunkte nicht auf dem Platz statt. Als Stürmer kannte Sigurdsson keine Rücksicht. „Ich bin immer dort hingegangen, wo es wehtut“, sagt er und ballt die Faust. Als junger Spieler wollte er sich zeigen, spielte an drei Tagen in Folge für die Jugendmannschaft und bei den Profis. Immer an der Schmerzgrenze. „Für meinen Körper war das katastrophal. Aber damals hat sich noch keiner um die richtige Belastung eines Sportlers gekümmert“, erzählt Sigurdsson.

Sein Körper spielte nicht lange mit. „Mit 25 war ich kaputt. Ich wusste, dass ich nie mehr das Niveau erreichen kann, auf dem ich schon mal war“, sagt Sigurdsson. Der Stürmer war Nationalspieler. Und er kickte für Stoke City in der Championship, als er seine Ambitionen begraben und sich die Frage stellen musste: Wie geht mein Leben weiter?

Hannes Sigurdsson: 13 Stationen in 15 Jahren

13 Stationen in 15 Jahren erwecken den Eindruck, dass Hannes Sigurdsson bei keinem Verein sein Glück gefunden hat. Doch der Isländer wollte diesen Weg bewusst gehen. Er folgte nicht dem Geld. Er wollte die Welt sehen. „Ich habe mir Orte ausgesucht, an denen ich leben wollte. Und habe dann meinem Berater gesagt, dass er mir dort einen Verein suchen soll, bei dem ich auf möglichst hohem Niveau spielen kann“, sagt Sigurdsson. Der Isländer lebte in neun Ländern. Heute spricht er sieben Sprachen. Oft wusste er nicht, worauf er sich einlässt. Er spielte in Russland für Spartak Naltschik. Ein Erstligist aus Naltschik, der Hauptstadt der nordkaukasischen Republik Kabardino-Balkarien. „Ich habe Russisch gelernt. Ich habe die Leute und die Kultur dort erleben dürfen. Das sind unglaubliche Lebenserfahrungen.“

Sigurdsson benutzte sein Fußball-Talent wie ein Koch, der mit seinem Handwerk überall arbeiten kann. Er lebte in Dänemark, Norwegen, Schweden und in der Wüste von Kasachstan. Nicht auf der Suche nach schönen Erlebnissen, sondern nach Lebenserfahrung. „Viele Menschen erkennen gar nicht, wie viel Glück sie haben und wie gut es ihnen geht. In Kasachstan hatte ich oft keinen Strom. Das verändert den Blick auf alles“, sagt Sigurdsson.

Die Karriere von Hannes Sigurdsson endete mit einer OP an beiden Achillessehnen.
Die Karriere von Hannes Sigurdsson endete mit einer OP an beiden Achillessehnen.

Die Karriere von Hannes Sigurdsson endete mit einer OP an beiden Achillessehnen.

Die letzten fünf Jahre spielte der Isländer nur noch unter Schmerzen. Beide Achillessehnen waren kaputt. Eine OP hätte das Karriereende bedeutet. Er nahm die Schmerzen bewusst in Kauf, um sich einen Kindheitstraum zu erfüllen. Mit 14 Jahren fuhr er mit seiner Familie im Urlaub von Frankfurt nach München. Er sah das Champions-League-Finale zwischen Dortmund und Juventus Turin. „Nach dieser Reise war ich verliebt in Bayern. Ich habe die Berge gesehen und die wunderschönen Landschaften und wusste: Dort will ich einmal leben“, erzählt Sigurdsson. Er spielte für den SV Grödig, lebte an der bayerischen Grenze. Und fand in dieser Zeit sein Lebensglück. In München lernte er seine Frau kennen, mit der er einen Sohn hat.

In München fand Sigurdsson eine neue Heimat

Nach 15 Profi-Jahren und einer rastlosen Zeit ist Hannes Sigurdsson endlich angekommen. In München fand er eine neue Heimat. Seine Karriere endete mit der OP, die er über Jahre vor sich hergeschoben hatte. Er konzentrierte sich auf sein Sportmanagement-Studium und verbrachte Zeit mit seiner Familie und seinen Freunden. „Ich habe eine Pause gebraucht. Als Profi fehlen einem vor allem die kleinen Dinge im Leben. Ein kühles Blondes am Freitag-Abend zum Beispiel“, lacht Sigurdsson.

Nach eineinhalb Jahren ohne Fußball spürte er einen Drang. Er musste wieder raus. Auf den Platz. „Ich wollte wieder das machen, was ich liebe“, sagt Sigurdsson. Ein Comeback als Spieler kam nicht in Frage und für einen Trainerjob fehlte dem Isländer das Netzwerk. Er schrieb im Internet Vereine an, die auf der Suche nach einem Trainer waren. Eine Chance hat er beim FC Deisenhofen erhalten. „Ich wollte bei einem Klub anfangen, bei dem ich Erfahrungen sammeln kann. Und bei dem ich auch Fehler machen darf“, sagt Sigurdsson. Der Verein träumt vom Aufstieg in die Bayernliga, scheitert jedoch seit Jahren an diesem Ziel.

An Ambitionen mangelt es Sigurdsson nicht. Er lebt den Job als Amateurtrainer. Seit Saisonbeginn hat er bereits drei Taktikblöcke vollgeschrieben. Er analysiert die Gegner und steckt Stunden in die Trainingsvorbereitung. Er will ein Spielsystem vermitteln, mit dem seine Mannschaft jeden Gegner knacken kann. So viel Energie und Zeit steckt nicht jeder Trainer in ein Landesligateam. Doch Sigurdsson kann nicht anders. Diesen Einsatz fordert er auch von seinem Team: „Wenn ein Sportler drei Mal die Woche trainiert und nicht so erfolgreich wie möglich spielen möchte, warum macht er es dann? Die Spieler wollen aufsteigen. Aber ohne Disziplin und Ambitionen geht es nicht.“

Text: Christoph Seidl

Aufrufe: 02.10.2018, 11:36 Uhr
Münchner Merkur (Süd) / Christoph SeidlAutor