2024-05-10T08:19:16.237Z

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Mit seiner Trefferquote könnte Stephan Hain für Haching ein entscheidender Faktor in der Relegation werden. Foto: Sven Leifer
Mit seiner Trefferquote könnte Stephan Hain für Haching ein entscheidender Faktor in der Relegation werden. Foto: Sven Leifer

Stephan Hain: Aufstiegsheld, Retter, Meistermacher

Gefeierter Meisterschütze in Unterhaching

SpVgg Unterhaching - Stephan Hain rettete den TSV 1860 einst im Abstiegskampf gegen Bochum. Inzwischen ist er Hachings Meisterschütze und träumt mit der Spielvereinigung vom Aufstieg in die 3. Liga.

Für Klischees hat Stephan Hain wenig übrig. Zum Beispiel findet er es einen Schmarrn, wenn man ihn als „den anderen Typ Fußballprofi“ beschreibt, nur weil er nebenbei seinen Master in BWL macht und gerne ein Buch zur Hand nimmt. Es studieren ja auch noch andere Profis, sagt er, und Bücher sind nicht überall Mangelware, obwohl einem bei diesem Thema Per Mertesacker in den Kopf schießt, der einst über die DFB-Auswahl sagte, dass es zwar eine Bücherkette gäbe, die aber bei Oliver Bierhoff beginne und bei ihm aufhöre – ohne weitere Glieder.

Stephan Hain muss also vielmehr schmunzeln, wenn man mit Klischees ums Eck kommt. Aber bei einer Frage gerät er dann doch ins Grübeln: Als BWL-Student sei er sicher auch mit Wahrscheinlichkeitsrechnung konfrontiert worden – was sagt denn die Stochastik über die Chancen, dass Haching und der TSV 1860 nächste Saison in der Dritten Liga aufeinandertreffen? Hain lacht, es könnte ja tatsächlich passieren, dass sich seine Vergangenheit und Gegenwart bald wieder kreuzen, doch eigentlich glaubt er das nicht. „Vor Sechzigs Spiel gegen Dresden hätte ich gesagt, Abstieg droht zu 50:50 – aber jetzt denke ich, 1860 hält die Zweite Liga. Ich wünsche es den Löwen auf jeden Fall.“ Dass seine Hachinger in die Dritte Liga aufsteigen, da will er sich gar nicht groß auf Wahrscheinlichkeitsrechnungen einlassen. „Wir werden Elversberg das Leben in der Relegation schwermachen“, sagt er. Und er wird dabei vorneweg marschieren. Stephan Hain ist mit 30 Treffern der Meisterheld der Rot-Blauen.

Das letzte Mal, dass Hain auf so eine Torausbeute kam, ist neun Jahre her, rechnet er nach. Beim FC Augsburg II, damals Landesliga, hatte er mal nach 32 Spieltagen 31 Erfolgserlebnisse. Seitdem ist viel passiert: Die Schwaben schoss er 2011 mit seinem entscheidenden Tor gegen den FSV Frankfurt in die Erste Liga, beim TSV 1860 jedoch brachte er es später auf nur einen einzigen Treffer – der aber hatte historische Züge, denn ohne dieses Tor wäre die Frage mit 1860 in Liga Drei kein Gegenstand von Wahrscheinlichkeitsrechnungen. Viel eher Realität.

Am 18. April 2015 schoss Hain das 2:1 gegen den VfL Bochum, gegen den am Sonntag – Duplizität der Ereignisse – erneut eine richtungsweisende Partie im Abstiegskampf ansteht. Ohne diesen Treffer damals wären die Löwen am sechstletzten Spieltag punktgleich mit dem Letzten gewesen. Am Ende retteten sie sich in der Relegation, gerade noch, in letzter Sekunde gegen Kiel. Auch Hains Tor fiel beispiellos spät. In der 93. Minute. „Irgendwie mit dem Schienbein“, erinnert er sich. „Manchmal muss man als Stürmer Glück haben.“

Bei 1860 hatte er viel Verletzungspech. Dass er bei Haching zur Tormaschine wurde, ist hingegen kein Glück, sondern vielen Faktoren zuzuschreiben. „Ich bin ein Typ, der Vertrauen braucht, das bekomme ich“, sagt er. Zudem schiebt er nicht nur zwei Mal die Woche Extraschichten, sondern quält sich rund um die Einsätze mit Gymnastikübungen. „Die Vor- und Nachbereitung nimmt mehr Zeit ein – man wird ja nicht jünger“, sagt der 28-Jährige. Nicht zuletzt aber beflügelt Haching an sich: „Ich hatte noch nie einen so hohen Spaßfaktor wie dieses Jahr.“

Er hat im Sommer lange gezögert, ehe er vom Trainingsgast zum festen Bestandteil wurde. „Das lag nicht daran, dass ich nicht wusste, wie viel Potenzial in diesem Klub steckt, aber es ging halt um den Abschied aus dem Profifußball – das musste ich erst einmal in meinen Schädel bekommen.“ Bereut hat er den Entschluss seither nicht, und selbst wenn es in der Relegation schiefgeht, wird er bleiben. Wobei er freilich lieber mal wieder den Aufstiegshelden spielen möchte, wie einst bei Augsburg. „Ich kann jetzt ja noch nicht sagen, dass es meine erfolgreichste Saison ist, obwohl ich noch nie so lange Erster war – aber wir müssen erst aufsteigen, erst dann ist es eine erfolgreiche Saison.“

So oder so jedoch ist Stephan Hain schon eine wichtige Figur geworden. Mit seiner Erfahrung führt er das junge Team an. Ob er den Kollegen schon von der Relegation mit 1860 und seinem Coup mit Augsburg berichtet hat, zur Motivation? „Bisher habe ich ihnen noch nicht erzählt, wie schön es ist, aufzusteigen. Aber vielleicht mache ich das noch.“ Denn dass Aufsteigen Spaß macht, ist kein Klischee.

Aufrufe: 010.5.2017, 11:10 Uhr
Münchner Merkur - Andreas WernerAutor