2024-05-02T16:12:49.858Z

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Zwei Stürmer, zwei Karrierewege: Stephan Hain (links) hat die Regionalliga als Sprungbrett genutzt. Für Andreas Neumeyer war nach einem Jahr beim TSV 1860 II Schluss. FOTO: WAGNER
Zwei Stürmer, zwei Karrierewege: Stephan Hain (links) hat die Regionalliga als Sprungbrett genutzt. Für Andreas Neumeyer war nach einem Jahr beim TSV 1860 II Schluss. FOTO: WAGNER

Der Traum von ganz oben: Wenn Hundertstel entscheiden

Stolz, Ziereis und Co. - Darum funktionieren RL-Knisper oft nicht im Profiteam

Was für eine Gala! Es war der Abend von Efkan Bekiroglu. Sieben Spiele in Folge blieb der Stürmer ohne Torerfolg.

Ausgerechnet gegen die Talente des FC Bayern explodierte er: In der zweiten Hälfte brachte er den FC Augsburg II zunächst in Führung. Dann drehte er richtig auf, traf zum 3:1 und krönte seine Leistung mit einem Traumtor. Auf den Hattrick folgten Schlagzeilen (Die Bekiroglu-Gala) und die Frage: Warum hat der 21-Jährige noch keine Chance bei den Profis bekommen?

Bekiroglu ist mit seinem Traum nicht alleine. Die Liste der Stürmer, für die die Regionalliga Bayern das Sprungbrett in den Profibereich sein soll, ist endlos. Die Königsklasse der bayrischen Amateurliga besteht seit sechs Spielzeiten. Jahr für Jahr haben die besten Torjäger die Chance bei einem Bundesligisten erhalten. Doch die Torjäger-Kanone in der Regionalliga ist keine Garantie, dass es mit der Profikarriere klappt. Unter den besten Knipsern der vergangenen Jahre konnten sich nur Stefan Lex und Karl-Heinz Lappe bei einem Bundesligisten durchsetzen. Für die Torschützenkönige Andreas Neumeyer, Nicolas Görtler, Dominik Stolz oder Markus Ziereis blieb am Ende nur die bittere Erkenntnis, dass es für ganz oben nicht reicht. Verliert ein Torjäger seinen Riecher, nur weil er in einer Profi-Mannschaft spielt?

„Als ehemaliger Regionalliga-Stürmer hast du einen Stempel"

Als Dominik Stolz mit 24 Jahren in die Zweite Liga zum SV Sandhausen wechselte, strotze er vor Selbstvertrauen. „Ich habe bei der SpVgg Bayreuth als Mittelfeldspieler 23 Tore geschossen. Das war überragend.“ Im Training musste er sich zunächst an die Härte und das Tempo gewöhnen. „Es hat eine Zeit gedauert, aber ich konnte mithalten. Nach der Vorbereitung war es ein offener Kampf“, sagt Stolz rückblickend. Auf eine richtige Chance musste er dennoch lange warten. Nach vier Kurzeinsätzen in der Hinrunde durfte Stolz erst im Februar 2016 gegen den VfL Bochum von Beginn an ran. „Das zermürbt dich, wenn du dir immer wieder die Frage stellen musst, ob es für den großen Traum wirklich nicht reicht. Gegen Bochum habe ich aber sofort getroffen. Das war ein überragendes Gefühl“, sagt Stolz. Das Tor hätte für Stolz der Durchbruch sein können. Doch es kam anders. „Im nächsten Spiel gegen Nürnberg hat mich der Trainer nach 60 Minuten rasiert. Ich musste für einen gestandenen Spieler vom Platz. Dabei habe ich gut gespielt“, erzählt Stolz. „Als ehemaliger Regionalliga-Stürmer hast du einen Stempel. Wenn es nicht läuft, spielen die Stammspieler. Du bist immer das schwächste Glied.“ Nach nur einer Spielzeit war das Kapitel Sandhausen für Dominik Stolz beendet. Heute spielt er in der ersten Liga in Luxemburg.

Stolz glaubt, dass es viele Talente schaffen können, wenn ihnen der Trainer das Vertrauen schenkt. „Ich habe mit Mehmet Ekici oder Diego Contento in der Jugend in der Bayern-Auswahl gespielt. Die waren damals nicht besser. Aber sie hatten Trainer, die auf sie gebaut haben und sind deshalb mit ihren Aufgaben gewachsen.“

Das Vertrauen des Trainers und ein guter Torriecher machen aus einem Regionalliga-Spieler keinen Profi, glaubt dagegen Andi Neumeyer. Er war mit 24 Treffern in der Saison 2012/2013 der erste Torschützenkönig der Regionalliga Bayern. Mit Ende 20 bekam er als Fußballer noch einmal die Chance seines Lebens. Der TSV 1860 klopfte an und verpflichtete ihn als Führungsspieler für die zweite Mannschaft. Alex Schmidt, damals Trainer der Löwen, holte Neumeyer als fünften Stürmer zu den Profis. „Im ersten Training habe ich schon gemerkt, dass die 2. Bundesliga eine ganz andere Hausnummer ist. Ich habe ein halbes Jahr gebraucht, um mich überhaupt an das Tempo zu gewöhnen“, sagt Neumeyer.

Der Stürmer erklärt, was der größte Unterschied zwischen der Regionalliga und dem Profifußball ist: „Ich war schon immer ein Knipser. Im Spiel habe ich oft nur eine Chance für ein Tor gebraucht. Aber gegen Verteidiger aus der Zweiten Liga kommst du nicht mal in die Position, um abschließen zu können.“ Neumeyer ist robust, hat einen Riecher vor dem Tor. Doch um ein kompletter Stürmer zu sein, hat ihm die Schnelligkeit gefehlt. „Für die Regionalliga hat mein Tempo gereicht, für mehr nicht. So ehrlich muss ich zu mir sein“, sagt Neumeyer.

Schellenberg: "Eine halbe Sekunde"

Die Zeit, die ein Stürmer in der Bundesliga für einen Torabschluss zur Verfügung hat, läuft nicht mal auf einer Armbanduhr. „Eine halbe Sekunde! So lange kann ein Stürmer nachdenken. Dann muss er zum Abschluss kommen“, sagt Wolfgang Schellenberg. Der Leiter des Nachwuchsleistungszentrums der Löwen hat viele Talente erlebt, die in der Regionalliga getroffen haben. Doch das reicht nicht aus. Für einen jungen Spieler ist der Schritt zu den Profis gewaltig.

Das beste Beispiel dafür ist Markus Ziereis. 2013 schoss er die Löwen-Amateure zur Meisterschaft. 2016 wiederholte er das Kunststück: Als bester Torjäger feierte er mit Jahn Regensburg den Aufstieg in die Dritte Liga. Beim TSV 1860, FSV Frankfurt, in Darmstadt, Regensburg und beim Chemnitzer FC erhielt Ziereis seine Chance. Doch über Kurzeinsätze kam er nicht hinaus. Immer wieder warfen ihn Verletzungen zurück. In über 40 Spielen in der Zweiten und Dritten Liga traf Ziereis nur ein Mal. Nach dem Durchmarsch des SSV Jahn Regensburg kehrte er in dieser Saison zu den Löwen zurück. In der Regionalliga will er erneut angreifen.

Dass der Schritt zurück eine Chance sein kann, hat Stephan Hain gezeigt. Bei den Profis der Löwen erlebte er drei Seuchenjahren. Bei der SpVgg Unterhaching folgte in der Regionalliga die schönste Spielzeit seiner Karriere. „Ich wollte allen zeigen, dass ich eine Saison verletzungsfrei spielen kann. Ich bin in meinen Rhythmus gekommen und habe mich mit jedem Spiel gesteigert. Die Bälle sind mir dann vor die Füße gefallen“, sagt Hain. In Haching hat Hain wieder Blut geleckt. In der dritten Liga macht er dort weiter, wo er in der Regionalliga aufgehört hat. Seine Bilanz: sechs Spiele, sechs Tore.

Aufrufe: 030.8.2017, 08:09 Uhr
Christoph SeidlAutor