2024-05-02T16:12:49.858Z

FuPa Portrait
Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft mit Reichstrainer Sepp Herberger (rechts), Fritz Walter (stehend, Zweiter von rechts) und Ludwig Gärtner (stehend, Vierter von rechts).	Archivfotos, Vorlage: Bähr
Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft mit Reichstrainer Sepp Herberger (rechts), Fritz Walter (stehend, Zweiter von rechts) und Ludwig Gärtner (stehend, Vierter von rechts). Archivfotos, Vorlage: Bähr

Pass Fritz Walter, Tor Ludwig Gärtner

Historie: Der Zweite Weltkrieg stoppt die Länderspielkarriere von Lorschs berühmtesten Fußballer

Er war der erste Nationalspieler im Kreis. Ludwig Gärtner spielte von 1939 bis 1941 dreimal für Deutschland. Das macht ihn zur Fußball-Ikone seiner Heimatstadt Lorsch. Gerade der SC Olympia, bei dem Gärtner auch als Trainer und Funktionär Zeichen setzte, hält das Andenken aufrecht und hat ihm im Eingangsbereich seines Clubhauses ein großes Bild gewidmet.

In Lorsch können sie nicht auf 500 zählen. Der Irrglaube, „Lui“ sei der Schütze des 500. Länderspieltores gewesen, hielt sich lange, entspricht aber nicht den Tatsachen. Als Ludwig Gärtner am 20. Oktober 1940 in München mit seinem 1:0-Führungstreffer den Torreigen beim 7:3-Erfolg über Bulgarien eröffnete, war dies exakt das 450. Tor der Nationalmannschaft.

Beim Spiel im altehrwürdigen Stadion an der Grünwalder Straße war der damals fast 17 Jahre alte Harry Valérien unter den Zuschauern. Der spätere ZDF-Sportmoderator rief im Februar 1984, als die Nationalmannschaft wenige Tage darauf wieder gegen Bulgarien spielte, die damalige Begegnung noch einmal in Erinnerung und schwärmte auch von einem gewissen Ludwig Gärtner im deutschen Angriff.

Dieser machte an diesem Tag das Spiel seines Lebens. Er erzielte, nach Vorlage des legendären Fritz Walter, nicht nur den deutschen Führungstreffer, sondern gab zu drei weiteren Toren durch Edmund Conen (2) und Andreas Kupfer jeweils die Vorlage. Der „Kicker“ überhäufte den 21 Jahre alten Angreifer aus Südhessen mit Lob: „Gärtner, so scheint es, ist heute auf Platz eins unter den deutschen Linksaußen vorgestürmt. Mit seinem blitzschnellen Antritt, einer sauberen Ballführung, seiner Geradlinigkeit und seinem Torsinn. Wie er nach wenigen Minuten entschlossen und mit einem energischen „Ruckzuck“ die Walterische Steilvorlage ins bulgarische Tor feuerte, das erinnert uns an den kleinen Fath (gemeint war der Wormser Nationalspieler Seppel Fath) von einst. Dabei ist Gärtner geschmeidiger.“

Ludwig Gärtner erlebte als Bub die Aufbaujahre des 1907 gegründeten SC Olympia Lorsch mit. Wie hätte er sich dem auch entziehen können? Sein Vater Adam war Vereinsgründer und später Jugendleiter. Der Diamant in seinem Talentschuppen aber war sein Sohn Ludwig.

Bereits als Sechzehnjähriger schaffte er 1935 den Sprung in die erste Mannschaft. Gelang ihm zunächst bei einem Freundschaftsspiel gegen den FC 07 Bensheim beim 4:3 der entscheidende Treffer, so war spätestens nach dem 9:3-Erfolg bei Normannia Pfiffligheim klar, dass Gärtner nicht mehr aus der ersten Mannschaft wegzudenken war: Mit sieben Toren stellte der Youngster früh seine Stärke unter Beweis.

Auch 1938, in der Aufstiegsrunde zur Gauliga, als die Olympia es knapp verpasste, den nach dem Abstieg des 1. FC Kaiserslautern freiwerdenden Platz einzunehmen, ließ es Gärtner mächtig krachen: elf Treffer in sechs Spielen.

Sepp Herberger gibt den entscheidenden Tipp

Erster Höhepunkt in Gärtners Fußballkarriere war der Sichtungslehrgang im März 1937 in Duisburg-Wedau. Hier gab Reichstrainer Sepp Herberger seinem Schützling den Tipp, sich auf Linksaußen umzustellen und vor allen mannschaftsdienlicher zu spielen.

Schon beim Spiel einer deutschen Auswahl im Mai 1937 in Wuppertal gegen Manchester City wusste Gärtner mit schnellem Flügelspiel über Links zu gefallen. Fast ein Heimspiel hatte der Lorscher, als er im März 1939 in Frankfurt in die deutsche B-Nationalmannschaft berufen wurde. Beim 2:1-Erfolg gegen Italien gab er zu beiden Toren die Vorlage.

Der 27. August 1939, ein Sonntag, war dann nicht nur für Gärtner, sondern auch für die damalige Gemeinde Lorsch ein großer Tag. Der Lorscher wurde in die A-Nationalmannschaft berufen, die allerdings in Preßburg der Slowakei in deren ersten Länderspiel mit 0:2 unterlag. Sein erstes und einziges Länderspiel für Deutschland bestritt an diesem Tag auch der spätere Bundesligatrainer und Kolumnist Max Merkel.

Hans Fassoth, im Juni diesen Jahres verstorbener Ehrenspielführer des SC Olympia, erinnerte sich viele Jahre später noch an die Ovationen, die Gärtner damals entgegengebracht wurde: „Einige verehrten ihn nun wie einen Herrgott.“

Doch kurz darauf entbrannte der Zweite Weltkrieg. Ludwig Gärtner musste alsbald zur Wehrmacht einrücken und seine Olympia verlassen. Bald stürmte er auch für Borussia Fulda und den 1. SV Jena.

Am 5. Oktober 1941, Deutschland verlor in Schweden 2:4, bestritt der hoffnungsvolle Linksaußen sein letztes Länderspiel. Vielleicht hätten der spätere Bundestrainer Helmut Schön und Ludwig Gärtner im deutschen Angriff besser zusammenspielen sollen.

„Der Krieg hat es verhindert, dass er noch weitere Male ins Nationalteam berufen wurde“, blickt Gärtners Tochter Cornelia Brunnengräber heute auf die Fußballkarriere ihres Vaters zurück. Als Gärtner am 29. April 1949 aus russischer Kriegsgefangenschaft zurückkehrte, trug er einen großen Teil dazu bei, dass der SC Olympia noch einmal zum fußballerischen Aushängeschild der Region wurde. Gärtner, in Lorsch Inhaber eines Sportgeschäftes mit Toto-Lotto-Annahmestelle, spielte bis 1957 für die Olympia, auch als Spielertrainer.

Auch Enkel Christian ist ein Olympianer

Inzwischen ist sein Enkel Christian Brunnengräber als Zweiter Vorsitzender in vorderster Front für den SC Olympia tätig. „Ehrenamtliches Engagement macht mir Spaß. Und wer so viel Olympia-DNA in seinen Genen hat, der kann sich einem Vorstandsamt nicht so ohne Weiteres entziehen“, sagt Christian Brunnengräber. Er sagt es nicht ganz ohne Stolz.

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Zur Person

Ludwig Gärtner wurde am 19. April 1919 in Lorsch geboren. In seiner Fußballjugend und in seinen jungen Jahren als Aktiver spielte er für den SC Olympia Lorsch. 1939, 1940 und 1941 bestritt er drei Länderspiele für Deutschland. In den Kriegsjahren war er auch für Borussia Fulda, 1. SV Jena, HSV Groß Born und in den besetzten Niederlanden am Ball. Nach Rückkehr aus seiner sowjetischen Kriegsgefangenschaft 1949 verhalf er dem SC Olympia Lorsch zur neuen Blüte (1955 Aufstieg in die drittklassige Landesliga Hessen). Später war er Trainer und Zweiter Vorsitzender. Der Inhaber eines Sportgeschäftes in Lorsch starb am 6. Juni 1995 in seiner Heimatstadt, die eine Straße nach ihm benannte.

Aufrufe: 030.10.2017, 16:54 Uhr
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