2024-04-25T14:35:39.956Z

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Gewohntes Bild: Dass Frauen Fußball spielen, ist akzeptiert. Frauen als Trainerinnen einer Herrenmannschaft sind aber für viele noch nicht vorstellbar. F: Bokun
Gewohntes Bild: Dass Frauen Fußball spielen, ist akzeptiert. Frauen als Trainerinnen einer Herrenmannschaft sind aber für viele noch nicht vorstellbar. F: Bokun

Das ist Männern nicht zumutbar

Männer als Trainer einer Damenmannschaft? Völlig normal. Frauen als Trainer einer Männermannschaft? Stellt man diese Frage öffentlich, dann erntet man erst einmal große Fragezeichen. So ist es uns ergangen, als wir uns im Kreis Paderborn umgehört haben. Dann wurden die Antworten jedoch vielfältig. Es ist eine Frage des Respekts.

Wann ist ein Thema ein Tabu-Thema? Wenn einfach nicht darüber gesprochen wird? Oder wenn es trotz realer Möglichkeiten nicht umgesetzt wird? Wenn es um Frauen als Trainerinnen einer Männermannschaft geht, dann ist noch nicht einmal klar, ob es sich dabei überhaupt um ein Tabu-Thema handelt. Das Thema an sich steht einfach nicht zur Diskussion. Unbestritten ist, dass sich Frauen den männerdominierten Sport Fußball schon seit ein paar Jahren erobert haben. Es gibt einen anerkannten Ligenbetrieb bis hoch zur Bundesliga und eine äußerst erfolgreiche Frauen-Nationalmannschaft. Dazu sind Frauen als Psychologinnen und Physiotherapeutinnen in Trainerteams involviert. Mit Bibiana Steinhaus pfeift eine Frau als Schiedsrichterin in der Zweiten Bundesliga und steht in der Ersten Liga als vierte Offizielle zwischen den zumeist hitzigen männlichen Trainerbänken. Aber genau hier fehlt der letzte Schritt, denn eine Frau, die erfolgreich einen Männerverein trainiert, gibt es in Deutschland nicht.

Von Mark Heinemann, Manuel Schlichting, Florian Dickgreber und Rafael Bokun

Wobei wir hier nicht ungenau werden möchten. Es gab in Deutschland mal eine Frau, die erfolgreich einen Männerverein trainiert hatte. Im Oktober 2012 berichtet das Fußball-Magazin „11Freunde“ über Sissy Raith.

Das ist hart arbeitenden Männern nicht zumutbar

Die ehemalige deutsche Nationalspielerin hatte im Januar 2009 den Bezirksligisten TSV Eching übernommen und in die Landesliga geführt. Im Oktober 2009 war sie dann plötzlich ihren Job los, nachdem der neue Vorstandsvorsitzende – laut 11Freunde – in der Öffentlichkeit bezweifelt hatte, dass hart arbeitende Männer am Abend noch von einer Frau trainiert werden könnten. Das sei den Kerlen nicht zumutbar.

Corinne Diacre coacht den Zweitligisten Clermont Foot Auvergne 63

Und so ist Frankreich derzeit das einzige Land in Europa, in dem eine Frau an der Seitenlinie eines Männervereins steht. Die ehemalige Fußball-Nationalspielerin Corinne Diacre coacht den Zweitligisten Clermont Foot Auvergne 63. Das ist ein Club aus Clermont-Ferrand, der Hauptstadt des zentralfranzösischen Départements Puy-de-Dôme in der Auvergne. Diacres Vertrag wurde im September 2015 bis 2018 verlängert. Sie gilt als Durchsetzungsstark und predigt Offensivfußball. Darüber hinaus wurde sie 2015 als bester Trainer der zweiten französischen Liga ausgezeichnet.

Trainerin einer Herrenmannschaft. Ja oder nein? Hier geht es zum Voting:

In Deutschland gibt es bislang zwar immer wieder Andeutungen von ehemaligen Fußballerinnen, wie Inka Grings, dass sie sich den Sprung als Trainerinnen in den Männerfußball vorstellen könnten. Weiter ist die Entwicklung allerdings noch nicht. Das gilt für die Profis, wo die Hürden logischerweise hoch sind.


Und die Amateure? Dort läuft ein Automatismus ab

Und im Amateurbereich? Wäre es dort nicht leichter, weil der mediale Druck und der Druck von Zuschauern und Sponsoren nicht so groß wäre? Als wir diese Frage gestellt haben, blicken wir erst einmal in überraschte Gesichter. "Mit dem Thema habe ich mich noch nicht ernsthaft auseinandergesetzt", gibt Stefan Weiß zu. Der sportliche Leiter des Landesligisten Hövelhofer SV ist dabei keine Ausnahme. Auch der Geschäftsführer des Westfalenligisten Delbrücker SC, Frank Sundermeier, stockt zunächst bei der Frage und denkt dann darüber nach: "Das ist ein interessantes Thema. Zumal wir uns natürlich fragen müssen, warum es automatisch klar ist, dass männliche Trainer angefragt werden, wenn eine Mannschaft einen neuen Trainer sucht." Das laufe ab wie bei einem Automatismus. "Ich wüsste derzeit auch gar nicht, welche Frau ich aktuell für ein Traineramt ansprechen könnte", gibt Weiß zu.


Noch nicht darüber nachgedacht: Stefan Weiß, sportlicher Leiter des Hövelhofer SV, sieht derzeit keine Alternativen. FOTO: HEINEMANN

Grundsätzlich ein Problem damit, eine Frau als Trainerin für ihre Männerteams einzustellen, haben beide nicht. Schließlich "geht es rein um die fachliche Qualität und das Auftreten als Person. Es gibt auch männliche Personen, die nicht geeignet sind, eine Männermannschaft zu trainieren." Gerade hier liegt für Weiß und Sundermeier aber auch ein Knackpunkt des Themas, denn "eine Person, welche die Erste auf ihrem Gebiet ist, muss etwas vorweisen können. Egal, ob männlich oder weiblich. Ich glaube nicht, dass es auf lange Sicht gut gehen würde, eine Frau mit Kreisligaerfahrung zur Trainerin eines Landesligateams zu machen", sagt Sundermeier. Weiß stimmt ihm zu: "Die Frau muss, gerade wenn sie die erste Person in diesem Amt ist, höherklassig gespielt und höherklassige Erfolge gesammelt haben. Ich denke, dass sie dann auch das Team hinter sich bringen kann. Der Hauptknackpunkt wird nicht das Fachliche sein, sondern der Respekt innerhalb der Mannschaft."

Fachlich ja. Respekt nein

An diesem Punkt setzt auch Simon Jürgens, Fußballobmann der TuS Sennelager an: "Es ist auf jeden Fall denkbar, weil das Interesse am Damenfußball wächst und daraus immer mehr qualifizierte Trainerinnen hervorgehen werden." Vorteile sieht er, weil "Frauen in ihrer Arbeitsweise detaillierter und akribischer sein könnten. Vielleicht ist ihre Denkweise auch offener für neue Methoden und eine andere Trainigsgestaltung." Aber dafür "müssen sie respektiert werden und das über einen längeren Zeitraum. Ob eine Mannschaft, in der auch oft schwierige Typen sind, das kann, ist schwer zu sagen."


Eine Frage des Respekts: Simon Jürgens glaubt, dass Frauen akribischer arbeiten. Aber sie müssen akzeptiert werden. FOTO: Schlichting

Nicht vorstellbar: Für Roberto Busacca, Spielertrainer der DJK Mastbruch, würde eine Frau am Rand nicht funktionieren. FOTO: NW

Genau das funktioniert nicht, meine Roberto Busacca, Spielertrainer der DJK Mastbruch: "Das ist für mich nicht vorstellbar, weil die Anerkennung in der Mannschaft fehlen würde. Vom Fachwissen her kann es gehen, aber die Umsetzung ist kaum machbar." Dieses Argument sieht auch Alexander Jacobs, erster Vorsitzender der Abteilung Fußball beim SC Grün-Weiß Paderborn: "Gerade im Gespräch mit jungen Spielern gebe es da Probleme, weil sie auf Dauer ein Akzeptanzproblem hätten. Fachlich würde es keine Schwierigkeiten geben, die Akzeptanz im Team ist das große Problem." Trotzdem kann er sich grundsätzlich vorstellen, dass eine Frau als Trainerin im Männerfußball arbeitet: "Wir haben schon darüber nachgedacht. Aber die Zeit ist auch noch nicht so weit, dass Frauen da sind, die das machen möchten. Wenn welche als Trainerinnen arbeiten möchten, dann wollen sie in unseren Frauenteams arbeiten."

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Für Delbrücks Frank Sundermeier wäre es denkbar, wenn der Einstieg einer Frau in den Trainerjob schrittweise erfolgt: "Gerade bei höherklassigen Teams gibt es nicht mehr nur den einen Trainer. Da stehen Teams am Rand. Vielleicht sollte der Weg erst einmal über eine Aufgabe in diesem Team führen. Im Jugendbereich funktioniert das schließlich schon ganz gut." Das bestätigt auch Simon Jürgens aus Sennelager. Rene Wegs, Trainer des Futsal-Clubs UFC Paderborn und gleichzeitig Spieler des Bezirksligisten SCV Neuenbeken, sieht hingegen beim Thema Respekt keine Probleme: "Wenn eine Frau erfolgreich ist und ein Team verbessert, ist mir das lieber als ein Trainer ohne Kooperation, Struktur und schlechter Trainingsgestaltung.Wenn sie dann noch mit dem Ball umgehen kann, habe ich damit keine Probleme." Ahmad Sankari, Spieler des Paderborner Süd-B-Ligisten SC Holtheim schlägt in die gleiche Kerbe: "Ich habe grundsätzlich nichts gegen eine Trainerin, wenn Taktik,Training und Auftreten stimmen."


Kein Problem: Ahmad Sankari hat keine Schwierigkeiten mit einer Trainerin. F: Heinemann

Jan Welker, Spieler des SC Neuenbeken, hat eher die Sorge, dass "das im Amateurfußball ins Lächerliche gezogen wird. Daher würde ich einer Frau eher davon abraten, es dort zu versuchen." Gerne würde er sich aber natürlich "eines Besseren belehren lassen. Ich glaube, dass es darauf ankommt, dass die Trainerinnen ebenso top geschult sind und sich durchsetzen können."

Wird es ernst genommen?: Jan Welker fragt sich, ob gerade der Amateurbereich das richtige Feld für die erste Trainerin einer Herrenmannschaft ist. FOTO: Schlichting

Es braucht die Eine, die erfolgreich ist

Wolfgang Hecker, Leiter der Fußballabteilung des Paderborner Süd-A-Ligisten SV Hederborn Upsprunge, glaubt, dass es noch "ein langer Prozess sein wird, bis eine Frau als Trainerin einer Herrenmannschaft allgemein akzeptiert sein wird." Hecker geht daher davon aus, dass es nie wirklich zu einer Trainerinnenwelle kommen wird, denn die "wenigsten Vereine, werden sich der Sache stellen und auf eine Frau als Trainerin im Seniorenbereich zurückgreifen."


Ein langer Prozess: Für Wolfgang Hecker wird es keine Welle an Trainerinnen im Herrenbereich geben. FOTO: Schlichting

Auch Paderborns Jacobs sieht die Zeit dafür noch nicht reif: "Wenn noch nicht einmal die Bundesliga so weit ist. Es wird sich dann ergeben, wenn eine Frau mal durch zwei oder drei Aufstiege mit Männerteams in den Fokus rückt und erfolgreich ist. Dann steigt auch das Interesse."

Trainer im Frauenfußball? Völlig normal

Die Männer sehen also Probleme in Sachen Respekt. In umgekehrte Richtung haben sich die Meisten die Frage scheinbar bislang nicht gestellt. Denn im Frauenfußball ist es völlig normal, dass die Damenteams von männlichen Trainern trainiert werden. So kennt es auch Linda Knaup, Spielerin bei TuRa Elsen: "Die Trainer sind oft Väter oder Freunde, alle natürlich männlich." Probleme gab es hier noch nie: "Die Geschlechtertrennung lässt sich lösen. Die Kabinenansprache findet zum Beispiel nach dem Umziehen statt. Die größere Distanz zum Trainer ist aber nicht unvorteilhaft. Und letztendlich sind das Auftreten und die Qualifikation die entscheidenden Kriterien für die Bewertung eines Trainers. Da sollte man als Team unvoreingenommen rangehen."


Wird vom anderen Geschlecht trainiert: Linda Knaup spielt in einer Frauenfußballmannschaft und hat einen männlichen Trainer. F: Heinemann

Trainerin einer Herrenmannschaft. Ja oder nein? Hier geht es zum Voting:

Aufrufe: 029.3.2016, 16:59 Uhr
Mark HeinemannAutor