2024-05-23T12:47:39.813Z

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Foto: Patrick Essex
Foto: Patrick Essex

"Ich gucke mir auch ganz gerne ein Amateurspiel an"

Serie Flinger Broich, Teil 2: Trini Trimpop (64), Spieler beim DSC Alemannia 08, Flinger Broich 3, DJK TuS Rheinfranken 08, Flinger Broich 89 und Fortuna, Flinger Broich 87

Eine Straße, vier Klubs - und jetzt? Fünf Zeitzeugen erzählen von einem urbanen Fußballareal in Düsseldorf-Flingern. Was sie einst verzauberte, hat sich teilweise in Luft aufgelöst. Wir erzählen die Geschichten eines Sehnsuchtsortes in fünf Teilen.

Ich hab geschätzte 20 Jahre neben dem Flinger Broich gewohnt. Da gab’s den Alemannia- Platz noch, ein wunderschöner Rasenplatz, sowas hatten sie selbst in der Bundesliga nicht. Und dann machen die einen Parkplatz hin für die Scheiß-Müllverbrennungsanlage. Dann hab ich mich DJK Rheinfranken angeschlossen am anderen Ende der Anlage. Als die Beiden zusammengegangen sind zum SC Flingern, war ich schon nicht mehr dabei.

Ich bin in Kierspe neben dem Fußballplatz groß geworden. Außer Mittelstürmer und Libero hab ich alle Positionen gespielt. Torwart zähl ich gar nicht. Ich hatte Ende der 60er lange Haare, hab´ immer mit Stirnband gespielt. Nicht geraucht, nicht getrunken, höchstens mal einen Haschtee getrunken. Als ich ’69 in der Disco gearbeitet habe, ging es am nächsten Morgen trotzdem mit der Mannschaft nach Plettenberg, nach Menden, quer durchs Sauerland. Alle hatten ihre Frauen und Kinder dabei und haben Lieder gesungen wie „Warum ist es im Sauerland so schön“. Ich hab echt gelitten.

Einmal war ich nach Kaiserau eingeladen, B-Jugend, DFB-Nachwuchsförderung. Da war Zapfenstreich, wenn ich zuhause normalerweise noch Piratensender aus Holland gehört habe. Mit Störgeräuschen, aber das war die geile Musik damals. In Kaiserau gingen um 22 Uhr die Lichter aus, und die waren alle so scheiße, so ein Kommandoton wie beim Bund, da hab ich mir gesagt: Da gehst du nie wieder hin.

Mit Anfang 20 bin ich nach Düsseldorf gezogen. Da hab ich Filme gemacht und angefangen mit den Toten Hosen. Aber wenn man Fußball-süchtig ist, dann geht man trotzdem in so eine Scheiß- Organisation wie den DFB und spielt im Verein. Da ist man in einer Mannschaft, alle haben die gleichen Trikots an und es ist ernster Fußball.

Ich hab fast jeden Morgen auf dem Flinger Broich trainiert mit Rex, dem Hund vom Fritz, dem Platzwart von der DJK. Der Rex konnte echt Fußball spielen, und wenn wir um den Ball gekämpft haben, lagen wir oft in der Matsche drin und mussten hinterher beide duschen. Fritz hatte nichts dagegen. Die habe ich alle in mein Herz geschlossen, den ganzen DJK-Verein.

Mein Drogenkonsum war auch immer so überschaubar, dass ich körperlich fit war. Wenn du Punkrocker bist und so wie ich immer alles ausprobieren willst, dann kommst du damit in Berührung. Aber meine körperliche Fitness war mir immer mehr wert. Da gab es immer ein kleines Männchen im Kopf, das mich gebremst hat. Ich habe bis 50 noch in der Kreisliga A gespielt, beim FSV Köln. Ich habe meinen Spielerpass gefälscht und war dann mit 40 immer noch der Älteste.

Dann musste ich aber aufhören, weil ich einfach keine ruhige Kugel schieben kann auf dem Platz. Ich will den Ball haben, so wie Rex - wir haben beide viel von einander gelernt. Sonntag war Spiel, und danach war ich am Ende. Alles hat mir weh getan. Montags auch noch. Dienstags ging das Training wieder los. Mittwochs Training. Freitags Training. Sonntags Spiel. Das musste ich aufhören. Das hätte mich umgebracht. Aber ich bin immer noch zum Montagsclub auf den Flinger Broich gefahren. Da spielt der Bernd Restle mit, der Physiotherapeut von der Fortuna und ehemalige Profis wie der Gerd Zewe. Und da hab ich mitgekickt. Auf Augenhöhe. Das macht mich immer noch total stolz. Aber seit eineinhalb Jahren mache ich das auch nicht mehr. Ich bin auch noch so fit. Ich gehe laufen und mache meine Übungen, eine Mischung aus Yoga und Krankengymnastik. Dafür liege ich jetzt abends im Bett und sehe Szenen: Ich spiele den Ball lang und der geht genau dahin, wo er hin soll. Oder ich springe zum Kopfball hoch. Vorm Einschlafen ist das wunderschön. Das genügt mir momentan. Obwohl – jetzt war ich gerade mal kurz am Spielfeldrand gestanden beim Montagsclub… Vielleicht gehe ich doch noch mal hin.

Ich gucke mir auch ganz gerne ein Amateurspiel an. Ehrlich gesagt lieber als Fortuna, Zweite Liga. Dieses Gegurke! Das ist anstrengend. Beim Amateurfußball siehst du viel viel mehr Fehler, aber manchmal genauso geile Szenen wie im Profi-Fußball. Rumgeschrien wird noch beim Amateurfußball und die Schiedsrichter sind auch nicht so qualifiziert, da gibt’s dann Auseinandersetzungen. Aber schöne Momente hast du da auch, ne?

Crowdfunding-Aktion:

„Amateure“ – Das Buch Gibt es ihn noch, den Fußball in seiner ursprünglichen Form - fernab der Vergnügungstempel, in denen die Profis ihre Messen zelebrieren? Auf den Ascheplätzen und Kunstrasenfeldern dieser Republik forschen Fotograf Patrick Essex und Autor Sebastian Züger nach dem Mythos vom ehrlichen Kick. Der Bild- und Geschichtenband „Amateure“ soll per Crowdfunding finanziert werden und 2016 erscheinen. Mehr Informationen und Eindrücke auf: www.amateure-das-buch.de

>> Teil 1: "Ich würde nie wieder bauen"

>> Teil 2: "Ich gucke mir auch ganz gerne ein Amateurspiel an"

>> Teil 3: "Jugend? Keine Chance, die wollen alle aufm Teppich spielen"

>> Teil 4: "Als ich angefangen habe, sah es genauso aus wie jetzt"

>> Teil 5 "Wenn ich hier wohnen könnte, würde ich sofort wieder einziehen"

Aufrufe: 025.12.2015, 09:00 Uhr
Nachspielzeit / Sebastian ZügerAutor