"Hier braucht keiner den Unschuldigen mimen"

Ein bisschen desillusioniert wirkte Willi Zimmermann am Mittwochabend. Die Ereignisse beim Spiel zwischen seinem FV Fortuna Böblingen und dem NK Croatia Sindelfingen, die schließlich zum Spielabbruch geführt hatten, schob der dienstälteste Trainer im Kreis Böblingen nicht einfach so auf die lange Bank. Das, was der 64-Jährige zuvor gesehen hatte, wollte er nicht unkommentiert durchgehen lassen, und stellte dabei sowohl seine Spieler als auch die des Gegners an den Pranger: "Es ist enttäuschend, dass erwachsene Menschen nicht imstande sind, miteinander zu reden und ein Fußballspiel schließlich so ein unrühmliches Ende nehmen muss."

Schiedsrichter vermutet Pfiffe aus den Zuschauerreihen

Dabei hatte rund eine Stunde lang nichts auf den Spielabbruch hingedeutet. Croatia Sindelfingen wollte die 1:11-Demütigung gegen den TSV Dagersheim vergessen machen und trat beim Spitzenreiter der Kreisliga A, dem FV Fortuna Böblingen, von Beginn an mutig auf. "Das war ein interessantes Spiel", sagte Fortunen-Vorstand Marko Tokic. "Es ging hart zur Sache, aber nicht unfair." Dann aber, so der Fortuna-Boss weiter, "beklagte sich der Schiedsrichter plötzlich bei uns, dass irgendjemand von außen eine Pfeife betätigen würde, und er das Spiel, sollte das nicht gestoppt werden, abbrechen würde". Dass die Pfiffe, das bestätigten einige neutrale Zuschauer, wohl aus dem benachbarten Dagersheimer Waldstadion kamen, interessierte den Unparteiischen Kevin Schmidt (SV Weiler) nicht.

Zizzo mault den Unparteiischen an

Das wiederum brachte Adamo Zizzo auf die Palme. Der Sportliche Leiter der Fortunen - durch Vorfälle bei seinen früheren Clubs CCI Schönaich und KSC Böblingen beileibe kein unbeschriebenes Blatt in Fußballerkreisen - maulte Kevin Schmidt an, wurde von diesem dann folgerichtig hinter die Bande geschickt. Was Adamo Zizzo schließlich mit weiteren Beleidigungen in Richtung des Schiedsrichters kommentierte.

"Das war ein klassischer Flächenbrand"

Das bis dahin keineswegs unfaire Duell der Böblinger und Sindelfinger bekam danach aber einen so nicht erwarteten Verlauf. Einem Foul folgte eine Beleidigung, einem zweiten Foul die nächste. Kommentare der Zuschauer taten ihr Übriges, so dass sich Spieler plötzlich mit dem Geschehen außerhalb beschäftigten, worauf einige der Zuschauer das Spielfeld betraten. "Das war asozial", nahm Marko Tokic kein Blatt vor den Mund. "Das war ein klassischer Flächenbrand, man konnte gar nicht so schnell schauen, wie Zuschauer auf den Platz gestürmt sind."

Rudelbildung auf dem Spielfeld

Der Austausch von verbalen "Nettigkeiten" sorgte schließlich für Rudelbildung, wobei Tomislav Anic, Trainer des NK Croatia Sindelfingen die "Schuld zu 80 Prozent beim Gegner", sieht. "Wir sind ganz gewiss keine Heiligen, aber der Bruder eines Fortuna-Spielers hat auf dem Platz nichts zu suchen." Gemeint war der ehemalige Böblinger Spieler Dzenis Skrijelj, der nach einer Beleidigung des Fortunen-Akteurs Denis Skrijelj auf das Spielfeld stürmte und die Sache mit Croatia-Spieler Ivan Petrovic an Ort und Stelle klären wollte.

"Es gab keine Schlägerei, aber es hat nicht mehr viel gefehlt"

Gut für alle Beteiligten, dass sowohl Willi Zimmermann (Fortuna) als auch Tomislav Anic (Croatia) in dieser aufgeheizten Atmosphäre einen relativ kühlen Kopf bewahrten. Beide Trainer zitierten ihre Spieler an den entgegengesetzten Enden des Spielfelds zu sich und mahnten die "Hitzköpfe", so Tomislav Anic, zur Ruhe. "Es gab keine Schlägerei, aber es hat nicht mehr viel gefehlt", so der Croatia-Coach.

"Überfordert mit der Situation"

Kevin Schmidt, der junge Schiedsrichter der Partie, hatte zu diesem Zeitpunkt schon genug gesehen und beendete die Partie in der 67. Minute vorzeitig. Während Marko Tokic den Unparteiischen als "überfordert mit der Situation" einstufte, brachte Willi Zimmermann Verständnis für Kevin Schmidt auf: "Was soll er denn machen? Er hat sich das Geschehen angeschaut und sich dann für einen Abbruch entschieden. Und damit hat er alles richtig gemacht."

Präzendenzfall in Unterjettingen

Was das jetzt für die beiden Mannschaften bedeutet, ahnt der Fortunen-Trainer auch schon. Willi Zimmermann erinnert an den Präzedenzfall aus dem letzten Jahr, als im A-II-Spiel zwischen dem FC Unterjettingen und dem Türk. SV Herrenberg handgreifliche Auseinandersetzungen zwischen Spielern beider Parteien zum Spielabbruch geführt hatten (wir berichteten). Das Ende vom Lied ist bekannt: Das Sportgericht wertete die Partie für beide Seiten mit einer 0:3-Niederlage. "Hier braucht keiner den Unschuldigen mimen, beide Seiten haben zu dem Abbruch beigetragen. Deshalb bin ich überzeugt, dass beide Mannschaften das Spiel als verloren gewertet bekommen. Und das ist auch die gerechte Strafe, denn einen Sieger hat dieses Duell nicht verdient."

Schiedsrichter stand unter Beobachtung

Inzwischen wurde bekannt, dass Schiedsrichter Kevin Schmidt vom SV Weiler unter Beobachtung stand, sprich noch ein weiterer neutraler Augenzeuge respektive Vertreter des Verbandes auf dem Sportplatz zugegen war. Bis zum heutigen Freitagmorgen lag Bezirksspielleiter Helmut Dolderer (Wildberg) aber noch keine schriftliche Stellungnahme des Schiedsrichters zu dem Spiel Fortuna gegen Croatia vor.

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