2024-04-25T14:35:39.956Z

Pokal
Jetzt ist Timo Cecen dran mit dem Griff in den Loskübel: Henry Mohr ist gespannt, Johannes Hofmann auch.	Foto: Weis
Jetzt ist Timo Cecen dran mit dem Griff in den Loskübel: Henry Mohr ist gespannt, Johannes Hofmann auch. Foto: Weis

Vom (derzeit) harten Los, ein Teutone zu sein

SWG-KREISPOKAL GIESSEN: +++ Beobachtungen bei der SWG-Pokalauslosung +++

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giessen. Dass Timo Cecen und Johannes Hofmann bei der Auslosung des SWG-Kreispokals am Montagabend eine tragende Rolle einnahmen, mag ihnen in der momentanen Situation vielleicht gar nicht so recht gewesen sein. Gut, Lose ziehen macht Spaß. Als Glücksfee selbst ein wenig Schicksal für die anderen Vereine zu spielen, hat was. Ein bisschen Macht für die Sekunde, in der man das Schildchen mit dem Namen „TSG Wieseck“ aus der Box zieht, ist ganz schön.

Wenn da nicht diese ganzen Fragen wären, die Kreisfußballwart Henry Mohr in der Interviewrunde den beiden Watzenborner Fußballern unbedingt stellen wollte. Denn auch, wenn im fußballfamiliären Ambiente bei den Stadtwerken Gießen die Auslosung des Achtelfinales und Imagepflege des zum 14. Mal ausgetragenen Kreispokals die zentrale Rolle einnahm, so ist das Treffen der Vereinsvertreter und Funktionäre darüber hinaus auch eine interessante Adresse für all das, was die bewegt, die den Ball bewegen.

Zum Beispiel seit zwei, drei Jahren das Projekt des SC Teutonia Watzenborn-Steinberg, die Mission des Jörg Fischer oder Vision – oder wie auch immer man den Versuch nennen mag, einen Regionalligisten auf Dauer in der mittelhessischen Fußball-Peripherie zu etablieren. Eine Idee, die momentan eher von Idealismus getragen scheint, als dass in absehbarer Zeit die Regionalliga-Etappe wieder realistisch scheint. Von der Regionalliga sind die Teutonen derzeit so weit weg wie der Kreispokalsieger Gießens von „Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin.“

Und so saß die Basis auf ihren billigeren Plätzen und hörte, was Henry Mohr den etwas teuereren Fußballern im Raum entlocken wollte. Dass Timo Cecen zum Beispiel einen Marktwert von 100 000 Euro habe, hatte der Kreisfußballwart herausgefunden und dass Emre Can ein guter Freund von ihm sei. Cecen, der die längste Zeit beim VfB Lohra, eine Sprungbrettzeit bei der TSG Wieseck verbrachte, ehe er über Eintracht Frankfurt und die U-Mannschaften des VfB Stuttgart alle U-Nationalteams durchlief, ist gerade mal 23 Jahre jung. Und während sein langjähriger Wegbegleiter Emre Can mit dem FC Liverpool Champions League und für Jogi Löw eine Rolle bei der WM spielt, saß Cecen zuletzt in der fünften Liga auf der Bank. So ist das Leben, zumal das Fußballer-Leben, das den hochveranlagten jungen Mann wahrlich nicht geschont hat. Kreuzbandriss mit 17, Kreuzbandriss ein Jahr später im anderen Knie. Keine Frage, an welchen Punkten Karrieren einen Dämpfer oder Knick bekommen.

Auch Johannes Hofmann (22) aus Lollar war auf dem Sprung ins Profilager. Eintracht Lollar, VfB Gießen, RW Erfurt. Eintracht Frankfurt und dann 1. FC Kaiserslautern, wo er bei der Ersten mittrainierte, ehe der Trainer ging und Hofmann auch. Jetzt hat er in Watzenborn angeheuert, um von dort aus vielleicht den nächsten Schritt nach vorne zu machen.

Doch der fällt schwer, wenn der Erfolg ausbleibt. Licht ins grün-weiße Dunkel vermochten die beiden „jungen Führungsspieler“ (Mohr) auch nicht zu bringen. Vielleicht auch deshalb, weil die Vorsicht bei öffentlichen Auftritten den Ton angibt, nur keine Interna oder eigene Einschätzungen als Angestellte des Vereins auszuplaudern. Und so waren Cecen und Hofmann in ihren Statements bei den gezielten Nachfragen Mohrs sehr profihaft. „Wir müssen die Situation jetzt annehmen“, sagte Hofmann, „von Spiel zu Spiel denken“, sagte Cecen und schließlich: „Punkte müssen her.“ Floskelsalat, der ähnlich hilflos klingt wie all das, was momentan in Watzenborn zu hören ist. Indes: Vielleicht ist es tatsächlich so, dass die Gründe für den bis dato miserablen Saisonverlauf im Dunkeln liegen, die Fehleranalyse nicht mehr hergibt? Falsche Personen am falschen Platz, Pech, Glück, falsche Entscheidungen bei Auf- oder Einstellung? Hofmann jedenfalls meinte: „Vielleicht war der Fehler, dass wir uns auf unseren Vorschusslorbeeren ein wenig ausgeruht und nicht immer alles rausgeholt haben.“ Alles rausgeholt hatten die beiden aber aus dem Lostopf. Und selbst da glich die Auslosung ihres eigenen Achtelfinals – ganz wie die momentane Situation – einem Griff ins Klo. Am 17. Oktober sind sie zu Gast beim FSV Fernwald, der denkbar motiviert sein wird, den Teutonen in die Pokalsuppe zu spucken.

Was die anderen Vereinsvertreter am Ende eher weniger als mehr zu interessieren schien. Die Gulaschsuppe schmeckte ausgezeichnet, man sah wieder mal die Kollegen der anderen Mannschaften und bekam einen Ball in die Hand gedrückt. Und was bei ambitionierten Hessenligisten der Marktwert, ist für einen ambitionierten B-Ligisten ein Satz Leibchen. SWG-Sprecherin Ina Weller zog unter anderem den 1. SC Sachsenhausen als Gewinner eines Satzes Trainingsshirts. SCS-Chef Klaus-Dieter Adams: „Ist ja schön, aber wir haben gerade erst welche gekauft.“ Ironie des kleinen Schicksals, das an diesem Abend von den vom Schicksal geschlagenen Watzenbornern in den Schatten gestellt wurde. Oder auch nicht. „Was interessiert mich Watzenborn“, sagte ein Vereinsvertreter nach der Auslosung, „wir müssen alle sehen, wie wir klarkommen. Und haben kein Geld.“ So ist Fußball.

Aufrufe: 019.9.2017, 08:00 Uhr
Gießener AnzeigerAutor