2024-05-02T16:12:49.858Z

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Holger Seitz hat eine genaue Vorstellung, wie er mit jungen Talenten arbeiten möchte. Sven Leifer
Holger Seitz hat eine genaue Vorstellung, wie er mit jungen Talenten arbeiten möchte. Sven Leifer

Seitz: "Spieler müssen wissen, wo ihre Stärken liegen"

Bayerns U23-Trainer im Interview

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Holger Seitz ist mit zwei Siegen in die Regionalliga-Saison gestartet. Im großen Interview wirft er einen Blick auf seine Zeit im Amateurfußball und erklärt, worauf es bei der Ausbildung von hoffnungsvollen Talenten ankommt.

2015 stand Holger Seitz noch in der Kreisklasse bei den Sporfreunden Egling an der Seitenlinie. Seine Spielerkarriere beendete der 43-Jährige 2007 beim SC Fürstenfeldbruck. Heute ist Seitz einer der Hoffnungsträger am neuen Campus des FC Bayern und soll die U23 zum Aufstieg in die 3. Liga führen. Im ersten Teil des großen Interviews spricht der ehemalige Mittelfeldspieler über seine Zeit in Egling und Fürstenfeldbruck, falsche Ansätze in der Ausbildung von jungen Talenten und erklärt, warum Niederlagen wie in den Finalspielen um die U17- und U19-Meisterschaft den Stars von morgen auf ihrem Karriereweg helfen können.

Bei den Sportfreunden Egling waren Sie Amateurtrainer, jetzt betreuen Sie die wichtigste Jugend-Mannschaft des FC Bayern. Gibt es Gemeinsamkeiten?

In Egling muss man Verständnis haben, wenn um 19 Uhr Training ist und um halb sieben jemand von der Baustelle anruft und absagt. Insofern muss ein Trainer im Amateurbereich flexibel sein, sonst hat man keine Freude an seiner Aufgabe. Eine lehrreiche Zeit für mich, beispielsweise konnte ich durch den Austausch an der Basis mit den Trainerkollegen viel lernen. In Egling hatte fast jede Woche ihre eigene Geschichte. (lacht). Beim FC Bayern stehen mir die Spieler rund um die Uhr zur Verfügung und es ist somit eine völlig andere Ausgangssituation.

Verfolgen Sie Ihre ehemaligen Vereine noch?

In Fürstenfeldbruck ist die Situation total verfahren. Das tut mir natürlich leid. Der SCF war über viele Jahre ein Aushängeschild, einer der Partnervereine des FC Bayern. Vor noch nicht allzu langer Zeit war der Verein in der Jugendarbeit super aufgestellt. Wenn ein Talent beim FC Bayern, TSV 1860 oder Haching in den älteren Jahrgängen nicht mehr genommen wurde, war die erste Station der SC Fürstenfeldbruck. Und umgekehrt haben einige Talente den Sprung ins NLZ eines Bundesligisten geschafft. Egling verfolge ich sowieso, weil es ein ganz toller Amateurverein ist. Dort geht es natürlich um Fußball, aber auch das ganze Drumherum ist so, wie man es sich wünscht.

Sie haben mit der U19 und U17 in den letzten beiden Jahren zweimal ein Finale um die Deutsche Meisterschaft verloren. Was nehmen Sie und ihre Spieler aus diesen Niederlagen mit?

Im ersten Moment waren die Jungs verständlicherweise sehr enttäuscht. Da ich selbst Spieler in einem Nachwuchsleistungs-Zentrum war und seit 16 Jahren als Trainer in der Talentförderung tätig bin, kann ich auf viele Erfahrungen zurückgreifen. Vom Stützpunkttraining an der Basis bis hin zu einer U17-Weltmeisterschaft in Mexico. Dennoch, jede Niederlage tut weh. Wenn man die Spieler nach solchen Niederlagen nicht alleine lässt, sind es wichtige Erfahrungswerte und kann eine starke Motivation bei den Jungs auslösen.

Wie meinen Sie das?

Die Verantwortlichen müssen dieses Erlebnis in die richtige Richtung lenken. Dann kann ein verlorenes Finale für die Zukunft des Spielers sehr hilfreich sein. Außerdem darf für alle Jugendtrainer ohnehin nicht die Niederlage eines Finales im Vordergrund stehen, sondern die „Art und Weise“, wie die Jungs es ins Finale geschafft haben. Wie hat sich jeder Einzelne in dieser Saison entwickelt, darauf liegt der Fokus. Und das war großartig...

„Ein Spieler des FC Bayern sollte sich bewusst sein, wie die Erwartungshaltung ist“

Jetzt sollen Spieler mit diesem schweren Rucksack in die 3. Liga aufsteigen. Ist das möglich?

Grundsätzlich sollte man sich Ziele setzen, die schwierig, aber lösbar sind. Deswegen habe ich von Anfang an gesagt, dass ich in diesem Jahr Regionalliga-Meister werden möchte. Ich bin von der Qualität unserer Amateur-Spieler überzeugt. Ein Spieler des FC Bayern sollte sich bewusst sein, wie die Erwartungshaltung ist. Wer nicht in der Lage ist, mit so einer Situation umzugehen, wäre ohnehin nicht zu den Amateuren übernommen worden.

Wie bereiten Sie die Spieler auf Stresssituationen vor?

Wir versuchen durch Training Sicherheit zu geben. Automatisierte Abläufe, wie z. B. bei Flanken, Torschüssen usw. sind ganz wichtig. Wenn es im Spiel stressig wird, greife ich auf etwas zurück, das mir persönlich Sicherheit gibt. Mannschaftstaktische Vorgaben spielen in solchen Situationen, wenn überhaupt, nur noch eine untergeordnete Rolle. Technische Abläufe und erfolgreiche 1:1-Situationen geben mir Sicherheit und entscheiden Spiele. Das ist die Basis. Darüber hinaus müssen die Jungs wissen, wo Ihre Stärken liegen und dass sie Fehler machen dürfen. Wir wollen mutige Spieler haben, die am Limit spielen. Da kommt es zu Fehlern, die allerdings notwendig sind, um sich weiterzuentwickeln. Unsere Aufgabe ist es, die Fehler zu erkennen und entsprechend zu verbessern.

Wie sollte es ein Trainer nicht machen?

Ich war selbst in der Trainerausbildung tätig und habe viele Trainer gesehen, die überwiegend das ansprachen, was die Spieler nicht konnten. Der völlig falsche Ansatz. Wir alle möchten Spieler sehen, die mit Spaß und Freude, einer Begeisterung auf dem Platz stehen. Das ist in Egling wie beim FC Bayern so. Wie soll ein junger Fußballer in der E-Jugend oder bei den FCB-Amateuren eine gewisse Leichtigkeit und Freude entwickeln, wenn er permanent nur hört, was er alles nicht kann?

Der zweite Teil des Interviews folgt am Donnerstag. Dort spricht Holger Seitz über die kommende Regionalliga-Saison, die Zusammenarbeit mit den Profis und warum Trainer Niko Kovac eine Chance für die talentierten Jugendspieler des FC Bayern ist.

Aufrufe: 018.7.2018, 16:29 Uhr
Münchner Merkur / tz / Jörg BullingerAutor