2024-05-10T08:19:16.237Z

Allgemeines
– Foto: Heiko van der Velden

"Ich vertraue meinem Körper absolut"

Borussais französischer Verteidiger spricht zum ersten Mal ausführlich über seine Leidenszeit.

1430 Tage musste Mamadou Doucouré auf sein Bundesliga-Debüt warten. Beim 4:1 gegen Union Berlin war es soweit: Nach einer Verletzungsgeschichte mit vier Muskelbündelrissen kam Borussias Verteidiger erstmals zum Einsatz. Auch für unsere Redaktion geht damit die Wartezeit zu Ende. Lange war ein Interview mit Doucouré verabredet, um ihn vorzustellen, doch immer wieder kamen die Verletzungen dazwischen. Er entschied, erst ein Interview zu geben, wenn er wieder richtig gesund und in der Bundesliga gespielt hat. Das hat er nun und hat Wort gehalten. Zum ersten Mal spricht der 22 Jahre alte Franzose außerhalb der Klub-Medien ausführlich. Über seine Leidenszeit, seine Gefühle und seine sportlichen Ziele. Man spürt die Erleichterung über das Debüt in seinen Worten, nach wie vor ist das auch viel Vorsicht nach all den Rückschlägen – aber auch das gesunde Selbstbewusstsein eine jungen Mannes, der nun endlich durchstarten will.

Herr Doucouré, wie fühlte sich der Moment an, als Ihr so lange erhofftes Bundesliga-Debüt Realität wurde?

Doucouré Sensationell! Endlich! Ich war, glaube ich, in dem Moment der glücklichste Mensch auf der Welt. Ich habe auf diesen Tag sehr lange, fast vier Jahre, hingearbeitet. Auch wenn es ein Spiel ohne Zuschauer war, war es ein tolles, ein magisches Gefühl, dass ich in meinem ganzen Leben nicht vergessen werde.

Gab es Momente, in denen Sie aufgeben wollten?

Doucouré Aufgeben ist ein sehr großes Wort. Es gab Augenblicke, in denen ich einfach müde war. Müde davon, alles zu tun, was ich konnte, aber nicht voran zu kommen. Das war eine mentale Müdigkeit. Das dauerte ein paar Tage und danach habe ich mich wieder an die Arbeit gemacht und von neuem angegriffen.

Hat sich Ihr Verhältnis zu Ihrem Körper in den vergangenen Jahren verändert?

Doucouré Ja, ganz sicher. Ich kann behaupten, dass ich meinen Körper jetzt sehr genau kenne. Manche Spieler können das erst am Ende ihrer Laufbahn sagen. Ich habe dieses Gefühl mit 22 Jahren. Ich merke früh, wann sich mein Körper müde fühlt und ich eventuell eine Verletzung riskieren könnte. Ich weiß dann, was ich zu tun habe, worauf ich zu achten und woran ich zu arbeiten habe. Das ist auch ein Glück für einen Sportler und eine positive Sache, die ich aus meiner Reha-Zeit mitnehme. Man darf an Verletzungen nicht immer nur das Schlechte sehen. Das ist sehr wichtig.

Vertrauen Sie ihrem Körper noch?

Doucouré Ich vertraue meinem Körper absolut. Das muss ich auch. Dieses Gefühl ist immer in meinem Kopf. Das hat mir auch geholfen, positiv zu bleiben. Wenn der Kopf sagt, du kannst das, wird der Körper ihm folgen. Es spielt sich alles im Kopf ab.

Teamspirit und Familie sind große Worte – wie sehr hat Ihnen das Team auch gerade mit Blick auf die „French Connection“ um Ibo Traore geholfen? Und was hat ihnen die Vertragsverlängerung bedeutet?

Doucouré Ich kann wirklich sagen, dass dieses Team bei Borussia eine großartige Mannschaft ist. Vom Staff über die Mitspieler, alle haben mir enorm geholfen. Die französischsprachigen Spieler noch ein bisschen mehr, weil ich mit ihnen durch die gemeinsame Sprache mehr zu tun habe. Aber wirklich alle haben mich unterstützt. Dafür bin ich sehr dankbar. Die Vertragsverlängerung hat mich sehr gefreut. Nicht alle Klubs hätten nach so langer Verletzungszeit bei einem Spieler so gehandelt. Das hat mir sehr viel Vertrauen gegeben, dass der Verein an mich geglaubt hat und ich ohne Druck weiterarbeiten konnte. Es zeigt mir, dass Borussia wirklich eine Familie ist, ein Klub, der zusammensteht.

Es scheint tatsächlich viel Empathie im Team zu sein, das zeigte sich auch bei Ihrer Einwechslung. Ibo Traoré hat den Ball ins Aus geschossen, Marcus Thuram hat Sie gleich umarmt, als Sie auf das Spielfeld kamen.

Doucouré Ich stand an der Seitenlinie und habe mich fertig gemacht, um ins Spiel zu kommen. Aber von den Jungs auf dem Platz hat niemand wahrgenommen, dass ein Wechsel ansteht. Marcus hat mich schließlich an der Seite gesehen und der Trainer hat auch gerufen: Schießt den Ball raus, Mams soll reinkommen. In dem Moment hat Ibo den Ball ins Aus geschossen, und ich konnte ins Spiel kommen. Die Umarmung von Marcus hat mir gut getan. Er ist ein sehr guter Freund für mich. Dass er sich so für mich und mit mir über mein Bundesliga-Debüt freut, hat mir das Herz erwärmt. Marcus jubelnd mit meinem Trikot auf der Eckfahne, das sind Bilder von diesem Spiel, die für immer in meinem Kopf bleiben und die mich sehr glücklich machen.

Wie lange läuft der Vertrag und was ist Ihr Ziel bei Borussia? Trauen Sie sich überhaupt noch, Zeitpläne für ihre Karriere zu machen?

Doucouré Über Vertragsinhalte möchte ich hier nicht sprechen. Natürlich mache ich Pläne. Warum denn auch nicht, meine Karriere beginnt gerade erst, ich bin 22 Jahre alt. Ich will so viele Spiele mit Borussia machen, wie möglich. Das Größtmögliche erreichen, was für uns drin ist. Im Leben machst du immer Pläne, aber es gibt auch Pläne, die das Leben dir gibt.

Wir haben Sie leider noch nie in Topform gesehen – was ist möglich, wenn Sie bei 100 Prozent sind?

Doucouré Das werden wir hoffentlich bald sehen.

Haben Sie Vorbilder, denen Sie nacheifern?

Doucouré Es gibt viele Spieler, die ich gut finde und von denen ich mir etwas abschauen möchte. Vor allem bei erfahrenen Verteidigern, die auf höchstem Niveau spielen. Aber ein einzelnes Idol oder Vorbild habe ich nicht.

Das Debüt ist geschafft. Wie fühlen Sie sich jetzt? Und was ist nun das nächste Ziel?

Doucouré Es war die erste Etappe auf meinem Weg, die ich nun gemeistert habe. Ich werde mich darauf aber sicher nicht ausruhen. Das war erst der Anfang. Ich werde hart arbeiten, um von hier weiterzukommen. Das oberste Ziel ist es jetzt, fit zu bleiben. Ich will trainieren, trainieren, trainieren, um immer mehr Spiele zu machen. Ich hoffe auch, dass ich in dieser Saison noch ein paar Minuten spielen werde. Aber das entscheidet der Coach.

Was kann Borussia in dieser Saison schaffen?

Doucouré Den Einzug in die Champions League. Wir haben die Qualität dazu und werden alles dafür geben. Wir haben bisher viele tolle Spiele in dieser Saison gemacht und wollen uns dafür belohnen.

Aufrufe: 05.6.2020, 10:00 Uhr
RP / Karsten Kellermann und Sebastian HochrainerAutor