2024-04-25T14:35:39.956Z

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Verbandssportlehrer Schlösser im Interview zum Thema Frauen im Trainerbereich
Verbandssportlehrer Schlösser im Interview zum Thema Frauen im Trainerbereich – Foto: O. Hermann (Archiv)

Zunehmend Trainerinnen gefragt

Verbandssportlehrer Heinz-Jürgen Schlösser sieht aber keinen Boom im Frauenfußball kommen

MAINZ. Vor wenigen Tagen löste die Europameisterschaft in England in Deutschland eine Frauenfußball-Euphorie aus. Nationalspielerinnen wie Alexandra Popp erhofften sich einen Impuls für die Basis. Doch wie sehen die Strukturen aus, zum Beispiel in Sachen Trainerinnen? Wir sprachen darüber mit dem Verbandssportlehrer des Südwestdeutschen Fußball-Verbands, Heinz-Jürgen Schlösser.

Herr Schlösser, glauben Sie, Deutschland steht vor einem Frauenfußball-Boom?

Nein. Es fehlen die flankierenden Maßnahmen. Nicht nur während der EM. Der Frauen- und Mädchenfußball müsste permanent in verschiedenen Facetten aktiv begleitet werden. Ich denke dabei etwa an „Schnupperkurse” in Kitas und Schulen, um die Basis zu stärken. Aber auch an eine Qualifizierungskampagne für Trainer und Trainerinnen im weiblichen Bereich. Nach wie vor ist die Qualität der Coaches der Schlüssel zum langfristigen Erfolg. Zeitverzögert wird dann auch der Leistungsbereich davon profitieren.

Wie viele Trainerinnen gibt es im Südwestdeutschen Fußball-Verband?

Wir haben 55 lizenzierte Trainerinnen im Verband. Sie sind aber nicht ausschließlich im Frauen- und Mädchenbereich aktiv. Die Guten übernehmen Aufgaben im männlichen Bereich. Ann-Christin Schäfer zum Beispiel kümmert sich bei Schott Mainz um den männlichen Nachwuchs. Die Alzeyerin Jessica Wissmann ist seit dieser Saison beim 1. FC Kaiserslautern in die U17-Betreuung eingebunden.

Woran liegt es?

Weil sie im männlichen Bereich eher Karriere machen können. Das ist ähnlich wie mit den jungen Trainern. Die jungen Trainerinnen sind fachlich sehr gut qualifiziert, hoch engagiert. Darüber hinaus bringen sie auch empathische Qualitäten mit, die männliche Kollegen seltener haben. Das entgeht den Vereinen mit Nachwuchsleistungszentren nicht. Sie binden Trainerinnen gerne ein. Das Beispiel von Schott mit Ann-Christin Schäfer macht Schule. Auch Frauen sehen dort, dass ihnen im Fußball allgemein Entwicklungschancen eingeräumt werden, wenn sie über entsprechende Qualifikationen verfügen.

Wo hoch ist der Anteil von Frauen bei der Lizenztrainer-Ausbildung?

Im B- und C-Lizenz-Bereich sind es derzeit etwa vier Prozent. Beim vorbereitenden Kindertrainerzertifikat liegt der Anteil derzeit bei etwa neun Prozent.

Das sind verhältnismäßig wenige. Haben Frauen Hemmungen, sich bei solchen Lehrgängen anzumelden? Blockiert die Männer-Macht?

Vor Jahren haben wir genau deshalb einen Lehrgang angeboten, der sich ausschließlich an Fußballerinnen richtete. Er kam mangels Interesse nicht zustande. Wir haben auch schon versucht, Südwestauswahlspielerinnen und ehemalige Bundesliga-Spielerinnen für die Teilnahme an Trainerlehrgängen zu gewinnen. Meist wurde abgewunken.

Das klingt immerhin nach kleinen Erfolgen ...

... in den zurückliegenden Jahren hatten wir in der Tat öfter mal zwei, drei Frauen in einem Ausbildungskurs. Oft ist es der Anregung von Christian Bauer zu verdanken, der als Verbandstrainer Auswahlspielerinnen auf das Ausbildungsangebot anspricht. Das erleichtert der einen oder anderen defensiven Fußballerin den Einstieg, weil es Berührungsängste mit dem Neuen nimmt.

Ist der Job als Trainerin für Frauen überhaupt erstrebenswert?

Sicher, er ist für Frauen genauso attraktiv wie für Männer. Zumal sie im inneren Fußball-Zirkel als Trainerinnen sehr akzeptiert sind. Aus meiner Sicht ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis im männlichen Topbereich eine Trainerin verpflichtet wird.

Bringen sie die Qualität mit?

Auf jeden Fall. Gesellschaftlich gibt es noch ein Akzeptanzproblem. Bei unseren Lehrgängen beobachte ich jedoch, dass Fußballer, die den Teilnehmerinnen zunächst reservierter gegenüberstehen, sehr schnell alle Vorbehalte ablegen. Die Frauen sind in diesen Männer dominierten Runden rasch akzeptiert, weil sie eine sehr gute fußballerische Ausbildung mitbringen, fachlich versiert sind und einen gesunden Ehrgeiz haben. Das wird immer schnell deutlich.

Gegenwärtig ist so, dass viele Frauen-Mannschaften von Männern trainiert werden. Wäre es für den Frauenfußball förderlicher, wenn diese Teams von Trainerinnen betreut werden – sofern sie denn irgendwann mal in der Masse vorhanden wären?

Ich sehe das geschlechtsneutral. Sicher, es gibt Phasen und Themen, bei denen sich manche Fußballerinnen eher einer Trainerin als einem Trainer gegenüber öffnen möchten. Aber im Allgemeinen wollen Sportlerinnen – genau wie Sportler – optimal betreut werden. Unterm Strich wird sich daher immer die Qualität des oder der zur Auswahl stehenden Trainerenden durchsetzen. Kein Kriterium ist es, ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelt.

Das Interview führte Claus Rosenberg



Aufrufe: 030.8.2022, 07:00 Uhr
Claus RosenbergAutor