2024-05-16T14:13:28.083Z

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Künftig wieder Regionalliga-Spielstätte? Das Jadestadion des SV Wilhelmshaven.dpa
Künftig wieder Regionalliga-Spielstätte? Das Jadestadion des SV Wilhelmshaven.dpa

Wilhelmshaven siegt gegen die große Fifa

- doch das BGH-Urteil lässt viele Fragen offen

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Die Rechtsordnung der Fußball-Verbände ist erschüttert. Mit dem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH), der am Dienstag einer Klage des SV Wilhelmshaven gegen den Norddeutschen Fußball-Verband (NFV) und den 2014 vollstreckten Zwangsabstieg aus der Fußball-Regionalliga Nord stattgab, sind die Funktionäre zum Umdenken gezwungen. „Dieses Urteil wird die künftige Arbeit in den Verbänden erschweren“, sagte Hans-Ludwig Meyer, Präsident des Schleswig-Holsteinischen Fußballverbandes (SHFV) und Vizepräsident des NFV, in einer ersten Stellungnahme.

Der SV Wilhelmshaven war nach den Richtlinien des Fußball-Weltverbandes Fifa dazu verpflichtet, für den 2007 verpflichteten Spieler Sergio Sagarzazu eine Ausbildungsentschädigung in Höhe von 157 500 Euro zu zahlen. Der Verein hatte die Zahlung verweigert und war daraufhin zunächst zu Punktabzügen und schließlich zum Zwangsabstieg verurteilt worden, der auf Weisung von Fifa und DFB vom NFV umgesetzt wurde. Der Internationale Sportgerichtshof (CAS) und auch das Landgericht Bremen hatten diese Vorgehensweise bestätigt, der BGH sah dies nun letztinstanzlich anders.Dabei ließ der BGH allerdings viele Fragen offen.

Ob die Festsetzung einer Entschädigungszahlung für den italienischen Staatsbürger Sagarzazu gegen europäisches Arbeitsrecht verstößt, blieb ebenso unbeantwortet wie die Frage, ob der Verein nach dem Schiedsspruch des höchsten Sportgerichts CAS zur Zahlung verpflichtet gewesen wäre. Ebenfalls noch ungeklärt ist, ob der SVW wie gefordert wieder in die Regionalliga Nord eingegliedert werden muss. Die Wilhelmshavener waren in der Saison 2013/14 als Tabellen-16. nämlich auch sportlich abgestiegen und hatten zudem auch aus wirtschaftlichen Gründen keine Zulassung durch den NFV erhalten.

Der Verein müsste somit erst in einem weiteren Prozess nachweisen, dass der zuvor beschlossene Zwangsabstieg ursächlich für die sportliche und wirtschaftliche Schwäche verantwortlich war. Ob es dazu kommt, ist offen. „Wir waren immer zu einer gütlichen Einigung bereit uns sind es auch jetzt“, sagte SVW-Aufsichtsrat Harald Naraschewski. Der finanzielle Schaden für den Verein läge im siebenstelligen Bereich. Naraschewski erwartet, dass der NFV die vierthöchste Liga für die Spielzeit 2017/18 um eine Mannschaft aufstockt und den SVW drei Jahre nach dem Zwangsabstieg wieder in der Regionalliga spielen lässt. „Da sehe ich das geringste Problem“, sagte Naraschewski.

Kernpunkt des BGH-Urteils ist das Verbandsrecht, das nach Meinung der Richter unzulässige dynamische Verweisungen enthält. Der SV Wilhelmshaven war – wie alle Regionalliga-Vereine – nur Mitglied im NFV. Dieser wiederum ist Mitglied im Deutschen Fußball-Bund (DFB) und der wiederum in der Fifa. „Eine vereinsrechtliche Disziplinarstrafe darf verhängt werden, wenn sie in der Satzung des Vereins vorgesehen ist“, stellte der BGH in seinem Urteil fest. In der NFV-Satzung jedoch findet sich kein Passus über Ausbildungsentschädigungen nach Fifa-Recht und über einen daraus drohenden Zwangsabstieg. „Regeln eines übergeordneten Verbands – wie hier der FIFA – gelten grundsätzlich nur für dessen Mitglieder“, stellten die Richter klar. Insofern sei die Verhängung des Zwangsabstiegs durch den NFV unwirksam gewesen.


Siegten vor dem Bundesgerichtshof: Hans Herrnberger (links) und Harald Naraschewski, Vorsitzender und Aufsichtsrat des SV Wilhelmshaven.dpa

„Es ist ein wunderbares Gefühl“, sagte Hans Herrnberger, Vorstandsvorsitzender des bis in die Bezirksliga abgestürzten Vereins: „Das ist keine Selbstverständlichkeit, dass man sich als kleiner Club gegen die großen Verbände DFB und Fifa durchsetzt. Hier hat wirklich David gegen Goliath gewonnen. Wir haben wieder eine Zukunft.“ Auf die Verbände hingegen kommen nun schwierige Zeiten zu. Um das Rechtssystem nach dem Prinzip der national und regional untergeordneten Verbände wirksam zu erhalten, müssen künftig alle Satzungen umfangreich erweitert werden und die Vorschriften der übergeordneten Verbände laufend eingearbeitet werden.

Ein enormer Aufwand für die vielen Ehrenamtler. „Darüber müssen wir uns in den Gremien erst einmal austauschen und abstimmen“, sagte Meyer. Der DFB will zunächst die schriftlichen Urteilsgründe abwarten, Vizepräsident Rainer Koch erklärte aber: „Ohne einheitliche, nachvollziehbare und verbindliche Regelungen ist ein rechtssicherer Spielbetrieb nicht möglich.“
Aufrufe: 026.9.2016, 20:30 Uhr
SHZ / Christian Jessen/sidAutor