2024-05-15T11:26:56.817Z

Im Nachfassen
F: Rinke
F: Rinke

Wilhelmshaven contra FIFA - ein Präzedenzfall

Wie ein Landesligist sich gegen die FIFA und den DFB zu Wehr setzt

David gegen Goliath, das kleine gallische Dorf gegen die Römer, der SV Wilhelmshaven gegen die FIFA – immer wieder kommt es zu scheinbar aussichtslosen Begegnungen, in denen der Kleine dem Großen ein Bein stellt. Genau das gelang dem Landesligisten jetzt mit einem Gerichtsurteil des Oberlandesgerichtes Bremen. Das OLG erklärte den auf Anweisung der FIFA verhängten Zwangsabstieg des Amateurclubs aus der Regionalliga Nord für unwirksam. Zugleich stellten die OLG-Richter fest, dass maßgebliche FIFA-Vorschriften zur Ausbildungsentschädigungen gegen Europa-Recht verstoßen.

Einen weiten Weg hatte der SV Wilhelmshaven zurückgelegt, ehe das Oberlandesgericht Bremen entschied. Der Verein war zunächst durch mehrere Instanzen der Sportgerichtsbarkeit gegangen, die allesamt der FIFA Recht gegeben hatten. Anschließend zogen die Wilhelmshavener vor ein ordentliches Gericht, nämlich das Landgericht Bremen. Auch dies bestätigte die Urteile gegen den SVW, der daraufhin Rechtsmittel einlegte und vor das OLG Bremen zog. Dies entschied nun für den Kläger.

Nach Ansicht der Bremer Richter haben DFB und NFV die Entscheidungen der Fifa darauf zu überprüfen, ob diese gegen zwingendes nationales oder internationales Recht verstoßen. „Dies sei hier der Fall, weil die festgesetzten Ausbildungsentschädigungen das Recht des Spielers auf Freizügigkeit nach Artikel 45 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union verletzten, worauf sich nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs auch der Verein, der die Ablösesumme zu zahlen habe, berufen könne“, heißt es in der Urteilsbegründung. Weiterhin argumentierten die Richter: Die Europarechtswidrigkeit folge daraus, „dass nach den maßgeblichen Vorschriften der FIFA die Ausbildungsentschädigungen nach den pauschal eingeschätzten ersparten Ausbildungskosten des übernehmenden Vereins bemessen worden seien und nicht entsprechend den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs“.

Ein entscheidender Punkt in der ganzen Geschichte ist, dass Sergio Sagarzazu, der seinerzeit aus Argentinien an die Jade wechselte, auch die italienische Staatsbürgerschaft hat. Und damit greift dann das Europarecht. Jetzt ist zu klären, ob der Fußball eine kleine Insel mit eigenen Gesetzen und Regeln ist, die über den Gesetzen der Nationen stehen.

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Rechtsstreits, der an das Bosmann-Urteil erinnert, hat das OLG Bremen die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen. Der Norddeutsche Fußball-Verband (NFV), der den Zwangsabstieg nach der Saison 2013/2014 verhängt hatte, kündigte als Beklagter umgehend den Gang vor die nächste Instanz an. Der Deutsche Fußball-Bund reagierte enttäuscht. „Wenn Streitigkeiten vor nationalen Gerichten in den Mitgliedsländern verhandelt und unterschiedlich beurteilt werden, wird das weltweit anerkannte System des Sports außer Kraft gesetzt. Wir sehen das Urteil aus diesem Grund sehr kritisch und unterstützen den NFV bei seinem Gang vor den Bundesgerichtshof“, sagte DFB-Vizepräsident Rainald Koch. Damit stellt sich der DFB eindeutig auf die Seite der FIFA und gegen Europäisches Recht und den Amateursport, den sie ja eigentlich fördern wollen und sollen. Ein sehr bedenklicher Schritt eines Verbandes, der unlängst mehrere Millionen Euro in seinen runderneuerten Internetauftritt pumpte und immer propagiert, dass die Amateure die Zukunft des Fußballs seien.

Noch spannender ist die Frage, wie es denn nun weiter geht. Eine Wiedereingliederung des SVW in die Regionalliga ist unwahrscheinlich und sportlich auch nicht machbar. Denn nach dem Abstieg aus der Regionalliga erhielt der SVW im vergangenen Sommer aus wirtschaftlichen Gründen keine Lizenz für die Oberliga und spielt nun – mit stark verändertem Kader – zwei Klassen unter der Regionalliga in der Landesliga. Das aktuelle Aufgebot wäre somit kaum in der Lage, plötzlich in der Regionalliga mitzuhalten. Wenn man dann etwas weiter denkt, wäre der SVW ohne die Punktabzüge in den Spielzeiten davor nicht in diese prekäre Situation gekommen. Insofern ist der DFB gefordert, nach Abschluss der ganzen Geschichte dem SV Wilhelmshaven ein brauchbares Kompensationsangebot zu machen, das alle Faktoren (Einnahmeverluste und ähnliches) berücksichtigt.


Quelle: NWZ Online
Aufrufe: 05.1.2015, 12:00 Uhr
Volkhard PattenAutor