2024-05-02T16:12:49.858Z

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F: Leschek
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+++ Kommentar von Rüdiger Dittrich (Gießener Anzeiger) zum Güte-Termin zwischen Watzenborn-Steinberg und Ex-Trainer Francisco Copado +++

Der Sozialromantiker an und für sich hat im Fußball nur selten eine Chance. Als Ex-Bundesliga-Profi Francisco Copado im September vergangenen Jahres als Nachfolger von Daniel Steuernagel sein Amt antrat, war Mittelhessen, so schien es, am Nabel der Fußball-Welt angekommen. Zumindest ein bisschen. Und als Copado sich nach dem Training seiner Jungs vom SC Teutonia Watzenborn-Steinberg Zeit nahm, um bei herrlichem Sonnenschein strahlend über die Ziele mit seinem neuen Verein zu plaudern und von der guten Zusammenarbeit mit den SC-Verantwortlichen schwärmte, da dachte der über Jahre gebeutelte Freund des gepflegten Fußballs, Mittelhessen habe nicht nur endlich seinen Platz in den professionelleren Gefilden gefunden, sondern noch dazu ein gut harmonierendes Team, das Watzenborn fest im bezahlteren Fußball etablieren könnte. Es war aber auch so schön sonnig im September.

Gestern dann: kein Stuhl im Grünen, sondern ein Stuhl im Gerichtssaal, draußen graue Tristesse, kalt und trübe. Die Sozialromantik weicht den Zahlen, juristendeutsch kauderwelscht sich durch Arbeitsvertragswesen und die Frage, ob ein Trainer zwingend einen Führerschein haben muss, wenn er seine Stelle antritt, weil ein Vertragsaspekt Auto und Tankgutschein beinhaltet, steht im Raum.

So ist das, wenn die Ergebnisse nicht stimmen, Erwartungen enttäuscht werden, der Klassenerhalt in weite Ferne rückt, sich dann aber auch herausstellt, dass die Kündigung des Arbeitsverhältnisses so auch nicht rechtens ist. Den Kompromiss, der herausgekommen ist, mögen beide Seiten als Teil-Erfolg verbuchen. Für Copado wird es aber nur endgültig einer, wenn Teutonia Watzenborn-Steinberg in der Regionalliga bleibt. Und so schaltete sich zwischendurch auch der sehr gelassene Richter Thomas Merkel ein, wie wahrscheinlich es sei, das sportlich noch zu stemmen. Fußball-Fachsimpeleien.

Wenn man den Vergleich als Kompromiss genau betrachtet, so ist der Vertrag vonseiten der Teutonen zumindest nachlässig erstellt. Anders lässt sich nicht erklären, wie leicht die Anwälte Copados die Deutungshoheit über das Papier erlangten. Die Argumente hatten sie auf ihrer Seite. Die Teutonen nicht. Dass sich Copado zufrieden gab, mag der sozialromantische Beobachter nun damit erklären, dass der Ex-Coach Watzenborn noch gute Chancen auf den Klassenerhalt einräumt. Andernfalls ginge ihm viel Geld flöten. Und Watzenborn? Muss sich, wie es scheint, demnächst intensiver mit seinen Verträgen befassen. Es wächst halt nicht alles automatisch mit – mit dem Erfolg.

Aufrufe: 08.2.2017, 10:02 Uhr
Rüdiger Dittrich (Gießener Anzeiger)Autor