2024-04-25T14:35:39.956Z

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"Wie Jay-Jay Okocha mit dem Ball umgegangen ist, das war unglaublich"

Interview der Woche mit Burhanettin Kaymak +++ Der ehemalige Eintracht-Profi spricht über die Hinrunde mit Baris Spor Idstein und Anekdoten aus seiner Profizeit

Idstein. Kurz vor Abbruch der letzten Saison übernahm Burhanettin Kaymak Baris Spor Idstein als Tabellensiebten. Dieses Jahr überwintert Idstein als Tabellenzweiter der Kreisliga C Rheingau-Taunus, befindet sich also mittendrin im Rennen um die Aufstiegsplätze. Kaymak selbst blickt auf eine spannende Karriere als Fußballer zurück. Den Sprung zu den Profis schaffte er bei Eintracht Frankfurt, für die er auf insgesamt zehn Erstliga- und sieben Zweitligaspiele kam. Auch in der Türkei spielte er auf dem höchsten Level, war dort unter anderem für Galatasaray Istanbul im Einsatz und führte den damaligen Erstligisten Göztepe Izmir für eine Saison als Kapitän auf den Platz. Im Interview mit FuPa spricht der 48-Jährige über den 29:0-Erfolg seiner Idsteiner vor zwei Wochen, sein Bundesligadebüt gegen Rehhagel, Klinsmann und Scholl, sowie darüber, warum der Durchbruch von Jay-Jay Okocha so überraschend war.

FuPa: Hallo Burhanettin, du hast das letzte Mal 2011/2012 eine Aktivenmannschaft trainiert, die TSG Wörsdorf damals, als Trainer in der Gruppenliga. Wie kam es dazu, dass du als ehemaliger Profi letztes Jahr kurz vor dem coronabedingten Saisonabbruch mit Baris Spor Idstein einen C-Ligisten übernommen hast?

Burhanettin Kaymak: „Damals habe ich mit einem Kollegen eine Firma gegründet, was natürlich sehr zeitintensiv ist. Da ich keine halben Sachen machen wollte und beides zu viel gewesen wäre, habe ich mich dazu entschieden den Fußball ruhen zu lassen. Für knapp acht Jahre habe ich anschließend pausiert, bis ich gefragt wurde, ob ich die Jugendmannschaft meines Sohnes übernehmen könne. Für zwei Jahre habe ich die A-Jugend der JFV Idstein/Waldems, zunächst als Hilfstrainer, dann als Cheftrainer geleitet. Das hat mir riesigen Spaß gemacht, teilweise habe ich sogar mittrainiert, da habe ich auch wieder gemerkt, wie sehr mir der Fußball gefehlt hat. Als mein Sohn dann in den Aktivenbereich kam und bei Baris Spor Idstein angefangen hat bin ich mit ihm gegangen.“

FuPa: Letztes Jahr war das Team vor dem Abbruch Siebter, jetzt überwintert ihr als Tabellenzweiter. Was sind deine Ambitionen bei Idstein?

Burhanettin Kaymak: „Erstmal steht natürlich auf diesem Niveau der Spaß im Vordergrund. Trotzdem will ich aber auch das Maximum aus der Truppe herausholen, da sie echt talentiert ist. Dementsprechend ist unser Ziel schon der Aufstieg, am liebsten natürlich direkt als Meister, aber auch gerne über die Relegation als Zweiter.“

FuPa: Ihr habt bisher nur gegen den Tabellenführer Johannisberg II verloren, seit zusammen mit Waldems II und den Johannisbergern mittendrin im Dreikampf um den Aufstieg. Wie stehen eure Chancen im Rennen um die Aufstiegsplätze?

Burhanettin Kaymak: „Der Aufstieg dieses Jahr ist möglich, ich würde jedoch auch noch die Reserve der TSG Wörsdorf als Qualitätsmannschaft in der Liga dazuzählen. Wenn wir jetzt noch realisieren, dass wir dieses Jahr eine gute Chance haben, werden wir nochmal stärker werden. Das wird aber trotzdem nicht einfach, wir werden uns gut auf die Rückrunde vorbereiten und alles geben, um unser Ziel, den Aufstieg, zu erreichen.“

Zu Kaymaks Zeiten beim SV Wehen: Kaymak (rechts) im Zweikampf mit Francisco Copado
Zu Kaymaks Zeiten beim SV Wehen: Kaymak (rechts) im Zweikampf mit Francisco Copado – Foto: rscp

FuPa: Wie fällt insgesamt dein Fazit zur Hinrunde aus?

Burhanettin Kaymak: „Die Herausforderung bei unserer Mannschaft war es, aus talentierten Einzelspielern ein Team zu formen, das als Einheit auftritt. Vor allem in Sachen Disziplin und Fokus auf das Wesentliche, mussten wir uns steigern. Die Mannschaft hat in den Jahren zuvor einfach zu viele gelbe und rote Karten kassiert. Das ist besser geworden, die Jungs respektieren mich, natürlich auch, weil Fußball mal mein Job war. Ich versuche den Jungs das weiterzugeben, was ich früher gelernt habe, nämlich, dass aggressiv und fair zu spielen kein Widerspruch sein muss. Mit der Entwicklung in dieser Hinsicht bin ich bisher sehr zufrieden und es ist auch ein Grund dafür, dass wir so einen guten Lauf haben.“

FuPa: Im letzten Hinrundenspiel habt ihr mit 29:0 bei Rüdesheim II gewonnen, wie passiert so etwas? Das ist knapp ein Tor alle drei Minuten. Es dauert ja alleine eine Minute, bis der Ball aus dem Netz geholt ist und alle wieder bereit für den Anpfiff sind.

Burhanettin Kaymak: „Ich lasse alle unsere Spiele aufnehmen, mal filmt meine Frau, mal mein anderer Sohn und auch verschiedene Fans habe ich schon dazu verpflichtet. Nach den Spielen schneide ich dann Highlights, aber auch Szenen, in denen wir etwas falsch gemacht haben, zusammen und zeige sie den Jungs. Ich kann mir vorstellen, dass die Jungs dadurch nochmal einen extra Motivationsschub hatten, da sie alle in den Highlights vertreten sein wollten. Mit Hilfe dieser Videos gehen wir aber auch das Thema Mannschaftsdisziplin an, wenn uns etwas nicht gefallen hat.“

Von März 2002: Mit Engagement und Härte hielten die Wehener Verteidiger die Offensivkräfte von Eintracht Trier in Schach. Hier jagen Pellegrino Matarazzo (links) und Burhanettin Kaymak (rechts) dem Trierer Goalgetter Daniel Winkler den Ball ab.
Von März 2002: Mit Engagement und Härte hielten die Wehener Verteidiger die Offensivkräfte von Eintracht Trier in Schach. Hier jagen Pellegrino Matarazzo (links) und Burhanettin Kaymak (rechts) dem Trierer Goalgetter Daniel Winkler den Ball ab. – Foto: gvs

FuPa: Du hast selbst bereits angesprochen, dass der Fußball einmal dein Job war. Du warst als Profi unter anderem für Eintracht Frankfurt und Galatasaray Istanbul im Einsatz. Wie kam es zur Fußballerkarriere? War das immer dein Plan A gewesen?

Burhanettin Kaymak: „Nein, Profi zu werden war nicht mein Plan. Ich habe in der Jugend bei der SG Rosenhöhe Offenbach gespielt, wo wir 1990 mit der A-Jugend ein Aufstiegsspiel hatten. Die Partie haben sich auch Scouts von unter anderem Eintracht Frankfurt angeguckt, die mir im Anschluss ein Angebot gemacht haben. Neun Jahre war ich dann bei der Eintracht unter Vertrag, habe erst A-Jugend und bei den Amateuren gespielt, bevor ich bei den Profis mittrainieren, sowie irgendwann auch einmal mitspielen durfte. Parallel zur Profikarriere habe ich jedoch auch Bauingenieurswesen an der TU Darmstadt studiert. Anstatt mich zu erholen bin ich zwischen den Trainingseinheiten in die Stadt gefahren, um zu lernen. Ich habe nie alles auf den Fußball gesetzt. Ich habe bei anderen gesehen, was passieren kann, wenn du alles auf die Karriere setzt und was für Schwierigkeiten dir das später bereiten kann. Vielleicht hätte ich so ein paar Spiele mehr machen können, aber ich wollte es so.“

FuPa: Was waren die Highlights deiner Karriere? An welche Zeit denkst du am liebsten zurück?

Burhanettin Kaymak: „Ein Highlight war auf jeden Fall mein erstes Bundesligaspiel. Da durfte ich 1996 im Münchener Olympiastadion gegen den großen FCB von Beginn an ran. Ihr Trainer damals war Otto Rehhagel. Für die Bayern standen unter anderem Jürgen Klinsmann und Mehmet Scholl auf dem Platz, bei uns Jay-Jay Okocha und Andreas Köpke. Vor dem Spiel hat mich unser damaliger Trainer Dragoslav Stepanovic zur Seite genommen, um mir die Nervosität zu nehmen. Er fragte mich: „Spezi, du hast doch mal U21 gespielt, oder?“. „Ja“, habe ich daraufhin geantwortet, und er erwiderte: „Dann wirst du hier auch keine Probleme bekommen!“ Er bezog sich dabei auf meine Einsätze für die türkische U21 Nationalmannschaft und „Spezi“ war damals mein Spitzname, weil die Leute Schwierigkeiten hatten meinen Namen auszusprechen.“

Ebensfalls im Dress des SVWW, hier im Duell mit der Reserve des FC Kaiserslautern. Den Ball im Visier und den Gegenspieler auf Tuchfühlung: Wehens Manndecker Burhanettin Kaymak (rechts) meldete den Bundesliga-erfahrenen Kaiserslauterer Halil Altintop auf dem Halberg weitgehend ab.
Ebensfalls im Dress des SVWW, hier im Duell mit der Reserve des FC Kaiserslautern. Den Ball im Visier und den Gegenspieler auf Tuchfühlung: Wehens Manndecker Burhanettin Kaymak (rechts) meldete den Bundesliga-erfahrenen Kaiserslauterer Halil Altintop auf dem Halberg weitgehend ab. – Foto: rscp

FuPa: „Wie lief das Spiel, wart ihr erfolgreich?“

Burhanettin Kaymak: „Die Partie endete 1:1, da konnten wir uns nicht beschweren. Für mich persönlich lief es auch gar nicht mal so schlecht, ich durfte 85 Minuten auf dem Platz stehen. Ich erinnere mich auch noch daran, dass ich Rechtsverteidiger gespielt habe und mein direkter Gegenspieler anfänglich Marcel Witeczek war. Der ist aber immer wieder auf die andere Seite des Platzes gegangen, woraufhin Rehhagel ihm zurief: „Hab doch keine Angst vor ihm, geh doch auf die andere Seite. Du sollst links spielen!“ Ich hatte als Spieler zwar einige Mängel, wie beispielsweise mein Kopfballspiel, dafür war ich sehr schnell und zweikampfstark. Dagegen hat Witeczek an diesem Tag keine Mittel gefunden, weswegen er immer wieder auf die andere Seite des Platzes ging. Teilweise habe ich auch gegen Mehmet Scholl verteidigt, der Typ, wie er sich bewegt hat, das war der Hammer. Für mich war das ganz neu, eine andere Klasse, denn er war klein, wendig, schnell und war auch mit dem Ball gut. Das Spiel insgesamt war ein sehr schönes Erlebnis, an das ich mich immer wieder gerne zurückerinnere.“

FuPa: Welche Spieler, denen du in deiner Karriere begegnet bist, haben den größten Eindruck bei dir hinterlassen? Wer hat dich besonders überrascht?

Burhanettin Kaymak: „Der beste Techniker, mit dem ich zusammengespielt habe, war Jay-Jay Okocha. Er war mit mir zusammen bei den Amateuren mit denen wir in der Regionalliga, der damaligen dritten Liga gespielt haben. Das witzige war, dass er dort nicht wirklich viel zum Einsatz kam, weil er viel selber gemacht hat und nicht abgespielt hat. Der Trainer hat ihm gesagt: „Wir sind eine Mannschaft, wenn du spielen willst, musst du den Ball passen.“ Früher war es bei uns so, dass die Spieler, die am Wochenende bei den Amateuren und bei den Profis nicht zum Einsatz kamen, am nächsten Tag zusammen trainiert haben. Dabei hat Okocha alle Profis ausgetanzt, als Stepanovic das gesehen hat, hat er ihn zu den Profis geholt. Wie er mit dem Ball umgegangen ist, das war unglaublich. Er hatte es einfach im Blut. Auch Ansgar Brinkmann, der „Der weiße Brasilianer“ genannt wurde, hat einen bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen. Er war ebenfalls ein toller Techniker und hatte einen guten Charakter. Ein ganz komischer, guter Junge.“

Aufrufe: 023.12.2021, 13:30 Uhr
Tim StammAutor