2024-04-25T14:35:39.956Z

Analyse
Jubel bei Hassia Bingen, Tristesse bei Alemannia Waldalgesheim. Das ist der aktuelle Stand beider Mannschaften in der Liga.  F: Boor
Jubel bei Hassia Bingen, Tristesse bei Alemannia Waldalgesheim. Das ist der aktuelle Stand beider Mannschaften in der Liga. F: Boor

Nur die Hassia trotzt der Übermacht

Rheinhessische Mannschaften laufen den Pfälzern hinterher +++ Sorgenkinder Waldalgesheim und Ingelheim

Rheinhessen. Der Blick auf die Tabelle der Fußball-Verbandsliga Südwest aus rheinhessischer Sicht ist ernüchterend. Nach vier Spieltagen werden drei der vier letzten Tabellenplätze von Teams aus der Region belegt: Schlusslicht ist die Spvgg. Ingelheim (null Punkte), Drittletzter der SV Alemannia Waldalgesheim (zwei Punkte) und Viertletzter Fortuna Mombach (drei Punkte). Mit dem Tabellenvorletzten Jahn Zeiskam wird diese traurige Aufzählung der Kellerplätze von lediglich einer Mannschaft aus der Pfalz unterbrochen. Wäre da nicht Aufsteiger Hassia Bingen, der nicht ganz unerwartet im Konzert der Spitzenmannschaften munter mitmischt und mit den meisten geschossenen Toren auf Rang drei liegt - die Zwischen-Bilanz wäre trostlos.

Sorgen an der Waldstraße

Alemannia Waldalgesheim: Trostlos ist das, was der SV Alemannia Waldalgesheim bisher vor allem in seinen Heimspielen abgeliefert hat. Die 0:3-Pleite zum Auftakt gegen Hassia Bingen durfte man noch den besonderen Umständen zuschreiben. Der Derby-Charakter, ein Gegner, von dem man wusste, dass er mehr Qualität mitbringen würde, als dies normalerweise bei einem Aufsteiger der Fall ist, dazu das noch nicht eingespielte Team der Gastgeber mit vielen jungen Kräften, die sich erstmals im Männer-Alltag bewähren mussten: Niemand nahm der jungen Mannschaft übel, dass sie im ersten Spiel Lehrgeld zahlen musste. Die beiden folgenden Unentschieden in den Auswärtsspielen schienen die Vermutung zu bestätigen, dass hier etwas am Zusammenwachsen ist. Aber das 1:2 gegen die SG Rieschweiler - ein Verbandsliga-Team mittlerer Qualität und zudem stark ersatzgeschwächt -, das war ein Rückschlag, der Anlass zur Sorge gibt. Der leblose Auftritt der Alemannia schmälert die Zuversicht, dass sie im weiteren Verlauf der Saison in den Kreis der Topteams der Liga zurückkehren könnte. Eher vertieft sich der Eindruck, dass es in diesem Jahr gegen den Abstieg geht.

Auffällig ist, dass neben den jungen Spielern, die ganz ohne Frage noch ihre Zeit brauchen, auch bewährte Kräfte wie Marcel Fennel, Christian Klöckner, Eric Wischang, Lars Weingärtner oder Christoph Schunck, von dem man sich besonders viel versprochen hatte, unter ihrem Leistungsvermögen spielen. Hinzu kommt, dass Konstantin Sawin oder Baris Yakut noch nicht in der Lage sind, den Verlust an Qualität durch die Abgänge zu kompensieren. Wenn man sieht, wie Axel Neumann, Sebastian Baumann und Sascha Kraft (schon im Winter gegangen) bei ihren neuen Vereinen einschlagen, und rechnet man den unstrittigen Qualitätsverlust durch den Weggang von Oliver Hoch und Dominik Schindel hinzu, muss die Frage erlaubt sein, ob die Personalpolitik des SVA, der unbedingte Wille zum Umbruch, zu radikal ausgefallen ist.

Zweiter Umbruch zu viel?

Spvgg. Ingelheim: Einen erneuten radikalen Umbruch - und den bereits nach nur einem Jahr - vollzog man, wenn auch nicht ganz freiwillig, am Ingelheimer Blumengarten. Dabei gibt es zweifellos einen kausalen Zusammenhang mit dem Hin und Her um die Fortsetzung der Tätigkeit von Trainer Jürgen Collet. Sein überraschender Rückzug nach vorheriger Zusage zu einem relativ späten Zeitpunkt hat den Verein vor ein großes Problem gestellt. Die Planungen für die nächste Saison begannen viel zu spät, weil sie erst nach der Verpflichtung des neuen Trainers Jasmin Sinanovic in Angriff genommen werden konnten. Absehbar war lediglich, dass der beste Spieler der vergangenen Runde, Philipp Fleischer, der wegen seines Studiums nach Köln umzog, den Verein verlassen würde. Hinzu kam, dass es eine Reihe von Spielern gab, die offenkundig ihr Engagement am Blumengarten mit der Person Collet verknüpft hatten.

Jetzt hat die Runde kaum begonnen, und schon sind drei Neuverpflichtungen wieder weg: Amin Ouachchen, Krystian Borowski und Co-Trainer Dennis Kirn. Bei der Spielvereinigung beklagt man, dass immer häufiger Vereinbarungen nicht eingehalten würden. Aber dieses Phänomen ist nicht neu: Im Grunde ist kaum ein Verein davor gefeit, bis zum 31. August, dem Ende der Transferperiode, noch die eine oder andere böse Überraschung erleben zu müssen. Im Unterschied zu Waldalgesheim war in Ingelheim allerdings von Beginn an klar, dass das Ziel in diesem Jahr ausschließlich der Klassenerhalt sein kann. Und es hat auch den Anschein - so jedenfalls der Eindruck nach den ersten beiden Heimspielen, die ebenfalls verloren wurden -, dass sogar das etwas zahlreicher erscheinende Publikum bereit ist, den Weg mitzugehen. Während in Waldalgesheim das Gemurre am Spielfeldrand zunehmend lauter wird, dürfen sich die Spieler der Spielvereinigung über wohlwollende Aufmunterung freuen.

Problemfall Rasenplatz

Hassia Bingen: Überhaupt keinen Grund zum Murren über die spielerische Leistung der Mannschaft gibt es derzeit am Binger Hessenhaus. Das Team ist stark, selbstbewusst und in der Lage, dem Druck der hohen Erwartungen, vorne mitzuspielen, standzuhalten. Hätte es das unglückliche 1:2 in Winnweiler nicht gegeben, wäre die Hassia jetzt Tabellenführer.

Die meisten Sorgen in Bingen muss man sich über etwas machen, was mit der fußballerischen Qualität nicht das Geringste zu tun hat: Es ist der seit Jahren unsägliche Zustand des Rasenplatzes im städtischen Stadion. Im vergangenen Heimspiel gegen den FSV Offenbach gab es eine symptomatische Szene: Der technisch sicherlich nicht unbeschlagene Valerian Girla steuerte allein auf das gegnerische Tor zu und kam ohne jede Fremdeinwirkung ins Straucheln. Der simple Grund: Er war mit dem Fuß in einem Rasenloch hängen geblieben. Nicht auszudenken, wenn der Spieler das auch noch mit einer ernsthaften Verletzung hätte bezahlen müssen.

Da werden Erinnerungen wach an ein Gastspiel von Bundesligist Mainz 05 im Jahr 2010 zum 100-jährigen Jubiläum des Binger Traditionsvereins. Damals sagte 05-Trainer Thomas Tuchel nach dem 6:1-Sieg der Mainzer: ,,Der Platz war eine Katastrophe. Was die Stadt hier anbietet, ist eine Zumutung. Ich bin nur froh, dass sich keiner eine Bänderverletzung zugezogen hat." Und der AZ-Autor konstatierte: ,,Das unebene, knüppelharte Geläuf des Hessenhaus-Stadions hatte allenfalls Kreisliga-Niveau. Einen Flachpass an den Mitspieler zu bringen, war reine Glücksache." Viel geändert hat sich seither nicht in einer Stadt, die immerhin 2008 Ausrichter der Landesgartenschau war, und wo man eine gewisse Kompetenz bei der Grünpflege eigentlich für eine Selbstverständlichkeit halten sollte.



Aufrufe: 024.8.2015, 23:00 Uhr
Andreas SchererAutor