Lauern auf die Fehler des Gegners

Nelson Rodrigues, Trainer von Verbandsligist Hassia Bingen, freut sich auf ein spannendes Duell zwischen den beiden Fußball-Großmächten: ,,So eine Begegnung erhofft man sich eher für das Finale. Deshalb ist es vorneweg ein kleines Endspiel." Sowohl Deutschland als auch Italien zählen für ihn zu den heißen Anwärtern auf Europas Fußball-Krone. Mit großer Vorfreude erwartet er auf der einen Seite die erfahrenen Italiener und auf der anderen die jungen, spielfreudigen Deutschen. ,,Ich hoffe natürlich, dass Deutschland weiterkommt", sagt er.

Um die Südeuropäer erstmals bei einem großen Turnier in der K.o.-Runde zu besiegen, sei eine weitere Steigerung von Jogis Jungs notwendig, glaubt Ralph Scherffius. Der kürzlich entlassene Coach von A-Klassen-Aufsteiger SV Fidelia Ockenheim (siehe Bericht auf dieser Seite) sieht der Partie optimistisch entgegen: ,,Wir sind eine Turniermannschaft und von Spiel zu Spiel besser geworden." Ein wichtiger Faktor werde die Defensive sein. Und die deutsche Abwehr hat ihm im bisherigen Verlauf der EM imponiert. ,,Die Verteidigung steht solide und gehört mit Mats Hummels und Jerome Boateng zu den spielerisch stärksten der Welt", lobt er.

Der souveräne Einzug der Italiener in das Viertelfinale hat die beiden Trainer indes überrascht. ,,Auch sie stehen hinten sehr kompakt", analysiert Scherffius den deutschen Gegner. Das disziplinierte Auftreten im 4-4-2-System sei zwar nicht mehr alltäglich, werde von den Italienern aber erfolgreich umgesetzt. Rodrigues beeindruckt die Cleverness der Alt-Stars um Torhüter Gianluigi Buffon. ,,Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass sie keinen Hau-Ruck-Fußball spielen werden", erklärt er. Vielmehr werde der Weltmeister von 2006 auf Fehler der Deutschen warten, um dann zu kontern und die offenen Räume zu nutzen.

Uneinig sind sich Rodrigues und Scherffius hingegen beim Blick auf die mögliche Aufstellung von Jogi Löw. Der Hassia-Trainer würde die gleiche Startelf wie beim 3:0-Erfolg gegen die Slowakei auf das Feld schicken. ,,Mario Gomez hat sein Tor gemacht und geht momentan richtig auf. Außerdem kann er auch die hohen Bälle verwerten", findet der 38-Jährige. Der ehemalige Fidelia-Coach würde aufgrund der italienischen Kompaktheit eher auf den wendigen Mario Götze setzen: ,,Er ist der bessere Fußballer. Ich sehe ihn allerdings hinter den Spitzen oder auf der Außenbahn." Der 50-Jährige würde deshalb gerne Bayern-Spieler Thomas Müller im Sturmzentrum sehen.

Den Schlüssel zum deutschen Sieg sieht Ralph Scherffius im schnellen Passspiel. ,,Ganz wichtig ist es, dass wir kein Tor kassieren", weiß er. ,,Wir müssen unsere Torchancen zuerst nutzen." Seine Prognose als ,,Patriot": 2:0 für Deutschland. Nelson Rodrigues erwartet ein taktisch geprägtes Spiel. ,,Beide Mannschaften werden auf Fehler des Gegners warten. Ich bin gespannt, wer den ersten macht", erläutert er. Sein Tipp: Es geht in die Verlängerung, dann setzt sich das ,,eingeschworene" deutsche Team durch.

Bereits am Donnerstagabend durfte sich der gebürtige Portugiese Rodrigues über den Einzug seines Heimatlandes ins Halbfinale der Europameisterschafft freuen. Überzeugt hat ihn der Auftritt von Cristiano Ronaldo und Co. beim glücklichen Sieg im Elfmeterschießen gegen Polen aber keineswegs. ,,Als Fußball-Liebhaber gefällt mir die Spielweise nicht", kritisiert der Hassia-Trainer den humorlosen Fußball von Nationaltrainer Fernando Santos. ,,Das schöne Spiel ist komplett verloren gegangen. Eigentlich haben wir die Fußballer dazu." Allein der Erfolg gebe dem Trainer Recht.

Mit den Inselkickern aus Island steht die größte Überraschung des Turniers für Nelson Rodrigues und Ralph Scherffius bereit fest- Im letzten Viertelfinale am Sonntag, 21 Uhr, trifft der EM-Neuling auf Gastgeber und Favorit Frankreich.

Auch Rodrigues sympathisiert mit dem großen Außenseiter: ,,Frankreich hat die ganze Nation hinter sich, aber Island fast die ganze Welt." Scherffius glaubt an eine offene Partie: ,,Der Druck auf die Franzosen ist unwahrscheinlich groß. Vielleicht geht es ins Elfmeterschießen."