2024-05-10T08:19:16.237Z

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Foto: Patrick Essex
Foto: Patrick Essex

"Ich würde nie wieder bauen"

Serie Flinger Broich, Teil 1: Manfred Castor (61), Ex-Präsident des DJK TuS Rheinfranken 08 und SC Flingern 08, Flinger Broich 89

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Eine Straße, vier Klubs - und jetzt? Fünf Zeitzeugen erzählen von einem urbanen Fußballareal in Düsseldorf-Flingern. Was sie einst verzauberte, hat sich teilweise in Luft aufgelöst. Wir erzählen in fünf Teilen die Geschichten eines Sehnsuchtsortes.
Ich würde nie wieder bauen. Wenn man sieht, was da alles schiefgeht. Wir haben unglaublich viel Zeit verloren, locker eineinhalb Jahre. Können Sie sich vorstellen, dass ein Verein daran kaputt geht? Die Eltern schicken ihre Kinder ja nicht in den Bauschutt. Wir haben über fünf Jahre fast eine Million ausgegeben für einen Anbau mit einem großen Saal, einem Geschäftszimmer und Kabinen mit neuen Sanitäranlagen. Wir hatten eine hohe Eigenbelastung. Und die Mannschaft wollte Geld. Der Verein hat Betrag X frei gegeben unter der Bedingung, dass der Rest von zusätzlichen Sponsoren kommt. Alle haben gesagt: Ja, wir haben da den, den und den ... Dann war Betrag X weg und von Sponsoren kein Spur. In der neuen Spielzeit hätte man vielleicht eine Klasse tiefer in der Kreisliga ohne Geld an die Spieler weitermachen können, dann wäre voraussichtlich der Bestand des Vereins gesichert gewesen. Aber wie die Abzocker so sind - die sind nicht mehr aufgelaufen. Die Spieler gucken inzwischen viel mehr aufs Geld.

Sponsoring geht im lokalen Bereich nur über persönliche Beziehung. Nehmen Sie Gerresheim oder Unterbach, das sind so separate kleine Städtchen für sich. Da als Unternehmer Flagge zu zeigen funktioniert eher als innerstädtisch in Flingern. Früher hat der Metzger zu den Turnieren mal einen Sack Würstchen gegeben. Den hast du verkauft und 500 Mark eingenommen. Für die Jugendabteilung viel Geld. Da hatte man ein Turnier fast finanziert. Der Trini Trimpop, der früher Manager bei den Toten Hosen war, hat sich hier immer fit gehalten. Der hatte einen Spielerpass bei uns, war in der 2. oder 3. Mannschaft. Und als der Rasen so drüsch war, hat die Band uns einen fahrbaren Sprenkler gesponsort.

Die Flingeraner haben heute kaum noch eine Bindung an die Vereine. In der Jugend wechseln sie, sobald sie selbstständig S-Bahn fahren können. Auch früher gab es immer mal Spieler, die unzufrieden waren. Die sind dann gewechselt, aber nach ein, zwei Jahren waren sie wieder da. Wir haben es zeitweise geschafft, eine familiäre Atmosphäre aufzubauen mit Feiern, Karnevalssitzung und Turnieren. Im November machen wir ein DJK-Rheinfranken-Ehemaligen- Treffen. Das kommt vom 77er-Team, ich stand im Tor, obwohl ich so klein bin. Wir waren Kreisliga B und konnten in die A aufsteigen. Im Entscheidungsspiel gegen DJK Eintracht 05 haben wir 0:2 verloren. Aber seitdem treffen wir uns jeden Samstag vor Totensonntag im „Uerigen“. Die kommen aus München, von der Mosel, von überall her. Obwohl wir verloren haben.

In den 90er Jahren ging es zwischen allen Amateurkickern rum: „Weißt Du, wo der geilste Kunstrasenplatz in Düsseldorf ist? Bei Rheinfranken!“ Ich habe gehört, dass sich die Baufirmen vertan hatten. Unseren sollte eigentlich Fortuna kriegen, dann sind die aber zu uns gefahren. Und die anderen haben den Scheißplatz bekommen, der war als erstes kaputt.

Crowdfunding-Aktion:

„Amateure“ – Das Buch Gibt es ihn noch, den Fußball in seiner ursprünglichen Form - fernab der Vergnügungstempel, in denen die Profis ihre Messen zelebrieren? Auf den Ascheplätzen und Kunstrasenfeldern dieser Republik forschen Fotograf Patrick Essex und Autor Sebastian Züger nach dem Mythos vom ehrlichen Kick. Der Bild- und Geschichtenband „Amateure“ soll per Crowdfunding finanziert werden und 2016 erscheinen. Mehr Informationen und Eindrücke auf: www.amateure-das-buch.de

>> Teil 1: "Ich würde nie wieder bauen"

>> Teil 2: "Ich gucke mir auch ganz gerne ein Amateurspiel an"

>> Teil 3: "Jugend? Keine Chance, die wollen alle aufm Teppich spielen"

>> Teil 4: "Als ich angefangen habe, sah es genauso aus wie jetzt"

>> Teil 5 "Wenn ich hier wohnen könnte, würde ich sofort wieder einziehen"

Aufrufe: 024.12.2015, 20:31 Uhr
Nachspielzeit / Sebastian ZügerAutor