2024-05-02T16:12:49.858Z

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Dieter Priglmeir
Dieter Priglmeir – Foto: privat

Hörgersdorf/Türkgücü - Es war ja nicht der erste Spielabbruch, aber war er nötig?

DAS SPORTGEFLÜSTER

Fußballspiele wurden schon öfter gestoppt - sogar mit Waffen- und Affengewalt. Hier ein Beispiele dafür. Und trotzdem fragen wir uns: Die Entscheidung in Lengdorf - musste das sein?

Eigentlich ist es egal, wie am Freitagabend das neu angesetzte Relegationsspiel zur A-Klasse zwischen dem FC Hörgersdorf und FC Türkgücü Erding ausgegangen ist (trotzdem natürlich Gratulation an Türkgücü Erding) . Beide Mannschaften hätten nämlich noch bis Mitte nächster Woche Zeit, das Sportgerichtsurteil anzufechten und in Berufung zu gehen.

Neu wäre eine solche Wendung nicht. Selbst der SC Freiburg, gern als das Bambi der Bundesliga angesehen, hat dieses Jahr den Rechtsweg eingeschlagen, weil der Gegner ein paar Sekunden lang zu zwölft auf dem Platz stand. Weil man schließlich die Interessen des Vereins wahren müsse und blablabla.

Spielabbrüche sind auch im Ausland eine bewährte "Taktik"

Ja, Vereinsfunktionäre haben es nicht leicht. Nur deshalb ist wahrscheinlich einst der Präsident von Paok Thessaloniki im Spiel gegen AEK Athen in der 89. Minute nach einer Abseitsentscheidung auf den Platz gestürmt. Der Schiedsrichter brach damals ab. Womöglich war er auch deswegen nervös geworden, weil der Paok-Mann in seinem Gürtel deutlich sichtbar einen Revolver trug. Nicht, dass aus Paok noch Amok Thessaloniki wird. Ein gerechtfertiger Abbruch also. Das gilt auch für die Entscheidung von Martin Petersen, dem beim Pokalspiel zwischen dem VfL Osnabrück und RB Leipzig ein Fan ein Feuerzeug an den Kopf warf. Dabei hatte der Referee gar nicht nach Feuer gefragt.

Und auch die EM-Quali zwischen Serbien und Albanien war in der 42. Minute beendet, nachdem eine Drohne über das Feld mit einer Fahne von Großalbanien gesegelt war und die Spieler aufeinander losgegangen waren. Auch Affenlaute aus der Fankurve führten schon mehrfach (aber eigentlich zu selten) zu vorzeitigem Ende. Und da wäre noch das abgebrochene Spiel wegen abgebrochenem Pfosten (Gladbach gegen Bremen, Jahr 1971). Soll heißen: Ob Waffen- oder Affengewalt oder sonstwas – ein vorzeitiges Ende hat’s immer schon gegeben.Und manchmal hätte man sich ihn sogar gewünscht (Stichwort EM-Spiel mit Dänemarks Christian Eriksen).

Viele Verantwortliche sahen in einem Platzverbot für den Störenfried eine geeignetere Wahl

Fast immer gab es gar keine andere Möglichkeit, aber war das auch am Dienstag so? Nochmal zur Erinnerung: Ein Betrunkener geht beim Relegationsspiel in Lengdorf in der 92. Minute ein paar Schritte ins Feld und packt den Linienrichter am Arm. War das wirklich so gefährlich? Hätte ein Platzverweis durch die Ordner nicht auch gereicht? Aus vielen Gesprächen – auch mit Verantwortlichen des Sportgerichts – war rauszuhören: Ja, das wäre durchaus eine Möglichkeit gewesen. Vermutlich sogar die bessere.

Andererseits: Mit seiner rigorosen Entscheidung hat der Schiedsrichter deutlich gemacht: Wir müssen uns schon regelmäßig 90 Minuten lang für jede Entscheidung – egal ob falsch oder richtig – beschimpfen lassen. Bleibt uns wenigstens vom Leib! Vielleicht sind die Konsequenzen daraus eine Lehre für alle Zuschauer. Dass dies auf Kosten der großartig und wacker kämpfenden Fußballer geht, ist die unerträglich ungerechte Seite dieser Geschichte.

Persönliche Strafen werden durch das Sportgericht bevorzugt

Apropos Konsequenzen und Lehre: „Wenn mir das Ergebnis in der 92. Minute nicht passt, dann attackiere ich einfach den Linienrichter.“ Diese Folgerung klingt naheliegend, ist aber ein Trugschluss. Erstens wird das Sportgericht nie und nimmer ein Wiederholungsspiel ansetzen, wenn der Täter einem Fanlager zuzurechnen ist. Und zweitens gibt’s auch persönliche Strafen für solche Täter. Gut möglich, dass der Spielabbruch-Verursacher von Dienstag in der nächsten Saison kein Spiel mehr auf irgendeinem Fußballplatz sehen wird, weil ihn der BFV aussperrt. Der ist übrigens untröstlich und kann – wie übrigens auch seine Frau – nicht verstehen, was er da veranstaltet hat. Tja, scheiß Alkohol kann man da nur sagen. Wenigstens war er nicht ganz so verrückt wie jener Fan des englischen Viertligisten Tranmere Rovers, der 2003 betrunken auf einen Flutlichtmast kletterte, um von dort aufs Tribünendach zu springen. Der Mann bekam ein landesweites Stadionverbot für fünf Jahre.

Aber zurück zu unseren Vereinsverantwortlichen: Wir haben sie erst gar nicht befragt, ob sie in Berufung gegen würden. In allen Gesprächen bisher wurde deutlich: Wer künftig Kreisklasse oder A-Klasse spielt, das wollen sie auf dem Platz entscheiden.

Zum Schluss ein dickes Sorry an die neun Prag-Fahrer. Die Junggesellenabschiedstour sollte eigentlich eine Überraschung sein für den Hochzeiter in spe. Wir haben es – weil wir Letzteres nicht wussten – vorzeitig ausgeplaudert. Manchmal geht halt alles daneben.

Aufrufe: 04.6.2022, 11:00 Uhr
Dieter PriglmeirAutor