2024-05-08T14:46:11.570Z

Spielbericht
Ausgehebelt: Gegen körperlich überlegene, teils überhart spielende Ingolstädter hatten die Löwen (hier Greilinger) einen schweren Stand.
Ausgehebelt: Gegen körperlich überlegene, teils überhart spielende Ingolstädter hatten die Löwen (hier Greilinger) einen schweren Stand. – Foto: sampics

TSV 1860 schlittert mit Heimpleite in die Herbstkrise – „Dürfen jetzt keine Panik schieben“

Kritik an Schiri Brand

Der TSV 1860 kassiert gegen den FC Ingolstadt die erste Heimniederlage. Daran war am Samstag nicht nur die Schiedsrichter-Leistung schuld.

München – Am Ende gewannen die Löwen zumindest die inoffizielle Knigge-Wertung. Während Patrick Schmidt nach seinem Gewaltschuss zum vorentscheidenden 0:2 präpubertäre Gesten vor der Westkurve aufführte, waren die Löwen wie zuvor auf dem Platz brave Gastgeber. Abwehrchef Jesper Verlaat klagte erst in der VIP-Alm über „klare Fehlentscheidungen“ des Schiedsrichtergespanns.

Marco Hiller beließ es beim Tadel, dass sich der FC Ingolstadt insgesamt „sch . . . aufgeführt“ habe – nicht nur wegen Missachtung der Jubel-Etikette, sondern vor allem wegen ungebührlich harter und aus 1860-Sicht unzureichend geahndeter Zweikampfführung. „Es hätte natürlich gutgetan, die heute aus dem Stadion rauszuschießen“, sagte der Torhüter. Und Michael Köllner? Der sonst so impulsive Trainer erinnerte sich an sein Vorstrafenregister (drei Gelbe Karten) – und überließ das Dampfablassen diesmal seinen Vorgesetzten.

TSV 1860 fordert zwei Platzverweise für Ingolstadt

Marc-Nicolai Pfeifer, eigentlich für die Finanzen zuständig, empfing das Schiedsrichtergespann am Spielertunnel, als die erste Heimniederlage amtlich war – Joker Meris Skenedrovic hatte kurz vor dem Schlusspfiff den 1:2-Endstand markiert. Es sah nach mühsam gezügelter Wut aus, wie Pfeifer auf die Männer in Gelb einredete. Günther Gorenzel, der für den Sport verantwortliche Geschäftsführer, fasste einige Schlüsselszenen in gewohnter Sachlichkeit zusammen. David Kopacz habe Fabian Greilinger zweimal „am Rande einer Tätlichkeit“ gefoult (9., 27.). Und auch bei Moussa Doumbouya, der Hiller in Kung-Fu-Manier attackierte (54.), fanden es die Löwen unverständlich, dass Benjamin Brand die Rote Karte stecken ließ. FCI-Coach Rüdiger Rehm reagierte in beiden Fällen umgehend und nahm die Sünder aus der Schusslinie, indem er sie zum Duschen schickte. „Damit ist alles gesagt, wenn der gegnerische Trainer Spieler runterholt, weil sie kurz vor Gelb-Rot stehen“, sagte Köllner und kam zum Ergebnis: „So hat der Schiedsrichter Ingolstadt zweimal am Leben gelassen.“

Gekillt, um im Bild zu bleiben, haben sich die Löwen trotzdem selbst. Weil das Spiel der Köllner-Elf nicht mehr mit jenem aus der ersten Saisonphase zu vergleichen ist. Die Leichtigkeit ist weg, Automatismen im Aufbauspiel sucht man vergeblich. Dazu kamen am Samstag: formschwache Profis, die spielten (u.a. Kobylanski, zum Glück für 1860 nur eine Halbzeit lang), ein Toptalent, das seltsamerweise 90 Minuten auf der Bank saß (Morgalla), ein kurzfristiger Ausfall (Lex) – und eine Körpersprache, die in der Anfangsphase, als Ingolstadt 1860 hinten reinpresste, eines Derbys unwürdig war. „Wir waren vielleicht einen Tick gieriger und griffiger“, urteilte Rehm. Yannick Deichmann wollte nicht widersprechen. „In der Anfangsphase waren wir nicht da“, sagte der Achter: „Dann haben die uns einen oben reingeschweißt (Costly, unbedrängt von Kobylanski/15.).“ Am Ende, fand er, „war es zu wenig, dass wir hier drei Punkte mitnehmen“.

TSV 1860 bewahrt Ruhe vor wichtigen Wochen

Womöglich ist es Köllners Löwen nicht gut bekommen, die lange Länderspielpause auf Platz eins zu verbringen. Streiten lässt sich auch darüber, ob es Schicksal ist, wenn die Gegner plötzlich regelmäßig Traumtore erzielen (war schon beim 1:1 in Dortmund der Fall) – oder ob sich das Momentum stets dann abwendet, wenn man zu wenig dafür tut, um erfolgreich zu bleiben.

Das Ende vom Lied: Heimweste befleckt, Spitzenplatz futsch – und die nächsten Spiele haben es in sich. Am Samstag geht es nach Osnabrück, danach kommt Wiesbaden. Deichmanns Rat: „Wir dürfen jetzt keine Panik schieben.“ Auch Hiller bleibt (noch) gelassen: „Keiner ist davon ausgegangen, dass wir bis zur Winterpause mit 20 Punkten Vorsprung davonmarschieren.“ Schlüssig klingt auch Köllners Plan, um eine echte Herbstkrise abzuwenden: „Trainieren, trainieren, trainieren!“

Aufrufe: 010.10.2022, 07:00 Uhr
Uli KellnerAutor