2024-06-13T13:28:56.339Z

Allgemeines
– Foto: Meiki Graff

Rückblick auf Freialdenhovens Zeit in den höchsten Amateurligen

32 Jahre lang spielte Borussia Freialdenhoven in der Verbands-, Ober- bzw. Mittelrheinliga. Vor dem letzten hochklassigen Kick am heutigen Nachmittag hat Borussias langjähriger Medienbeauftragter und Stadionsprecher Tim Schmitz hervorstechende Momente und das Vereinsgefühl beschrieben

27 Jahre Verbandsliga bzw. Mittelrheinliga gehen morgen zu Ende. Zählt man die 5 Jahre Oberliga Nordrhein dazu heißt das: Die Borussia spielte 32 Jahre lang in den höchsten Amateurklassen. Freialdenhoven war dabei immer ein besonderer Flecken auf der Liga-Landkarte.

Manche meinten – es war ja lange vor Hoffenheim und anderen Emporkömmlingen –, dass ein Ort mit nicht mal 1.000 Einwohnern nicht auf die durchaus beachtete Fußballbühne gehöre. „Kühe, Schweine, Freialdenhoven“, tönte uns von einzelnen Fans entgegen. Aber der Großteil liebte es, „raus aufs Land“ zu reisen. Viele Sonntagsfahrer auf der B56 staunten nicht schlecht, wie viele Busse und Autos mit Kennzeichen größerer Städte da in die Dorfstraße einbogen. Prominente Vereine gastierten zu Pflichtspielen, etwa die Ex-Bundesligisten Alemannia Aachen, Fortuna Köln und Fortuna Düsseldorf. Anhänger der Landeshauptstädter beschrieben ihre Begeisterung über das Freialdenhoven-Erlebnis in einem Buch: „Wir fuhren auf den Aschenplatz, der als Parkplatz umfunktioniert wurde. Die Eintrittskarten wurden uns direkt ins Auto verkauft. Zack: Das Drive-In-Ticket wurde erfunden – und das in einem Dorf.“ Ebenfalls in der Literatur verewigt ist die Kulinarik. Die meist von Waltraud Vonderstein und Annette Ronge gebackenen Kuchen sind oft das Erste, was Gästefans zur Borussia in den Sinn kommt.

Es gab tatsächlich einige Spiele, in denen wir uns an mehr Zuschauern erfreuen durften als der Ort Einwohner hat. Wegen „Fußball wirklich hautnah“ fanden auch Groundhopper (Stadionsammler) gerne hierhin. Die Gastfreundschaft blieb speziell dem Wuppertaler SV lange im Gedächtnis, nachdem er 2003 hier seinen Aufstieg feierte. Fans des WSV kamen danach sogar zu einzelnen Spielen, um den damals anfeuernden und trommelnden Borussia-Fanclub stimmgewaltig zu unterstützen.

Ausnahmezustand pur herrschte zuvor im Jahr 1992. Die Borussia war von der Bezirksliga in die Verbandsliga durchmarschiert. Fast wäre es für die von den Lipkas geprägte Mannschaft direkt eine weitere Stufe hochgegangen. Das Duell gegen den am Ende einen Punkt besseren Rivalen Germania Teveren war mit 3.500 Zuschauern ausverkauft. Der große Wurf in die Oberliga gelang stattdessen acht Jahre später. Wenn in Zeiten, in denen man sich höchstens per 56 k-Modem ins Internet einwählen konnte, von den Freialdenhovener Partien in Bocholt, Essen oder Solingen im „Kicker“ berichtet wurde, sprach sich das herum. Im Geschäft des Ortes war das Magazin umgehend vergriffen. Borussia war immer in aller Munde.

Auch in den Folgejahren durften wir auf unserem Platz spannende Fußballer sehen. Bei den Gegnern (beispielsweise die späteren Profis Andreas Lambertz, Jan Schlaudraff und Sascha Mölders) und in eigenen Reihen. Beispiele gefällig? Im Tor Tom Bügler, Ivica Ljubicic, Sascha Rodemers, in der Abwehr Okan Dikenli, Edin Durakovic, Andreas Elsig, Christian Kreutzer, Günter Pesch, im Mittelfeld Michael Kruskopf, Alija Pobric, Mark Szymczewski und die besonders vereinstreuen Gérard Sambou und Wolfgang Nock, im Angriff Thomas Betzer, Bekim Kastrati, Josip Labas, Dirk Lehmann und Pascal Schneider. Dazu frühere Aachener Alemannen wie Edin Hadzic, Stephan Lämmermann, Jo Montanes, die Mortons und Mike Zimmermann. Wie gesagt: Nur Beispiele. Jeder dürfte seine Favoriten und seine Erinnerungen haben, auch an besondere Momente – die Positiven wie das 6:4 gegen Borussia Mönchengladbach II, die diversen Cup-Siege in Rurdorf und im Kreispokal sowie die Bitteren wie die Mittelrheinpokal-Finals gegen Brühl 2001 und Wegberg-Beeck 2008, in denen uns der Traum vom DFB-Pokal versagt blieb.

Natürlich gab es neben vielen erfolgreichen auch nüchterne, gar zähe Spielzeiten, in denen zu den Spielen weniger als 100 Zuschauer kamen und man statt Applaus nur die Erzählungen von Betreuer-Legende Willi Lersch vernahm. Trotzdem: Freialdenhoven steht für Verlässlichkeit, Kontinuität und gute Arbeit. Dazu passt, dass man seit fast 60 Jahren nicht sportlich abstieg und in über drei Jahrzehnten höchste Amateurligen nur neun Trainer beschäftigte: Hans Lipka, Gerd Kalscheuer, nochmal Hans Lipka, Heinz Mathar, Wilfried Hannes, Rob Hutting, nochmal Wilfried Hannes, Kevin Kruth und Tayfun Pektürk. Wilde Dinge und dramatische Erklärungen überließ man anderen. Deshalb denken die Ex-Spieler auch sehr gerne an ihre hier verbrachte Zeit zurück. Die Stammspieler sowieso, aber auch die mit wenig Spielzeit lassen auf das Umfeld nichts kommen. „So eine Einkleidung, ein solches Trainingslager – das hatte ich noch nie“, hieß es häufig in den Begrüßungsinterviews. Dieses besondere Borussia-Gefühl ist der Verdienst der Vereinsführung und der fußballverrückten, einsatzfreudigen Helfer, die den Anspruch stets hochhielten und das auch weiterhin tun werden.

Diese Ehrenamtler sind es, die unter anderem mit den Auftritten von FC Schalke 04 und Borussia Mönchengladbach an der Ederener Straße Highlights schafften, von denen die vorherigen Generationen nur träumen konnten. Gerade dann packten viele mit an. Auch auf den Vorstandsfotos herrschte früher dichtes Gedränge. Das ist seit vielen Jahren nicht mehr so. Achim Gehlen, Frank Fietkau und Sabine Johnen halten das Tagesgeschäft mehr oder weniger alleine am Laufen. Auch wenn man über den Entschluss des Rückgangs traurig sein darf, war es ja logisch, dass es in einem Verein, in der aus der eigenen Jugend natürlich nur einzelne wie Henning Blenkle den Sprung in eine so hoch spielende 1. Mannschaft schaffen, nicht ewig so weitergehen kann. Die Borussia zieht sich zurück in den Bereich, in dem sie in der Zeit vor Rolf Imdahl spielte. Sein Sachverstand und sein Engagement machten all das Erlebte erst möglich, sorgten für eine bleibende Infrastruktur mit Fortschritten auf der tollen Anlage (1985 Cafeteria, 1992 Sportheim, 1993 Tribüne, 2002 Flutlicht, 2016 Kunstrasen) und legten überhaupt erst die Grundlagen für jene Momente, die Geschichte geschrieben haben – für den Ort, den Kreis und die gesamte Sportregion. Freialdenhoven ist durch die Borussia weit und breit bekannt gemacht worden und wird noch länger in den Top 10 der ewigen Tabelle der höchsten Verbandsspielklasse erscheinen. Die Zahlen dazu: 27 Jahre, 767 Spiele, 339 Siege, 196 Remis, 232 Niederlagen – plus den Abschluss morgen gegen den FC Hennef.
Aufrufe: 020.5.2024, 11:00 Uhr
Tim SchmitzAutor