2024-04-25T14:35:39.956Z

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Reiner Maurer steht im Grünwalder Stadion und gibt ein Interview.
Reiner Maurer steht im Grünwalder Stadion und gibt ein Interview. – Foto: Imago

Löwen-Experte Maurer: „Fünf Punkte bei 16 ausstehenden Spielen – das ist gar nichts!“

TSV 1860: Interview mit Ex-Trainer Reiner Maurer

Am Donnerstagabend tagt der Aufsichtsrat des TSV 1860. Einziges Ziel: endlich einen Trainer finden. Reiner Maurer weiß, welche Eigenschaften der haben muss.

Kaum einer kennt die Löwen besser als er: Als Spieler schaffte Reiner Maurer, 63, mit dem TSV 1860 den Durchmarsch von der Bayern- bis zur Bundesliga, als Trainer übernahm er gleich zweimal – noch zu Zweitligazeiten. Maurer muss es also wissen: Warum ist es so schwer, dauerhaft Erfolg mit den Löwen zu haben?

Herr Maurer, die Freistellung von Michael Köllner liegt zweieinhalb Wochen zurück, seither gab es einen von sechs möglichen Punkten gegen die Abstiegskandidaten Oldenburg und Meppen. Wundern Sie sich, dass noch kein neuer Trainer da ist?

Maurer: Das kann und mag ich gar nicht beurteilen. Dazu bin ich zu weit weg.

Am Donnerstagabend wollte der Aufsichtsrat der Löwen über die Trainerfrage beraten. Wie realistisch ist es, dass man sich auf einen Kandidaten einigt, der gleich am Sonntag gegen Verl auf der Bank sitzt?

Maurer: Tatsächlich ist das wenig Zeit, aber 2004 bin ich auch erst am Samstag gefragt worden – und saß dann am Montag im Heimspiel gegen Fürth auf der Trainerbank. Du musst es dann halt über eine gute Ansprache lösen. Mehr Zeit ist immer wünschenswert, aber grundsätzlich gehört es ja zum Job eines Trainers dazu, dass er sich intensiv mit den Vereinen und seiner möglichen Mannschaft beschäftigt.

Welchen Trainertyp braucht 1860 jetzt überhaupt? Einen autoritären Schleifer oder eher einen Seelenstreichler?

Maurer: Weder das eine noch das andere. Man braucht einen Trainer, der die Probleme erkennt, anspricht und anpackt. Wichtig ist, dass man positiv auf die Mannschaft einwirkt – und klar aufzeigt, warum es nicht gelaufen ist.

Sind die Löwen untrainierbar?

Die nächste grundsätzliche Frage: Sollte man noch versuchen, in den Aufstiegskampf einzugreifen oder lieber schon den Neuaufbau für die kommende Saison einleiten?

Maurer: Wenn man auf die Tabelle schaut: Es sind fünf Punkte auf den Relegationsplatz, zehn auf Platz zwei – und bis auf Elversberg und Osnabrück, das einen Lauf hat, sind die Mannschaften da vorne auch nicht gefestigt. Saarbrücken hat wie 1860 drei der fünf Spiele im neuen Jahr verloren. Fünf Punkte bei 16 ausstehenden Spielen – das ist gar nichts!

Als Sie das erste Mal bei 1860 übernahmen, waren es zehn Punkte Rückstand auf Platz drei – den Sie nur zwölf Spieltage später erobert hatten . . .

Maurer: Das stimmt (lächelt). Wir sind 16 Spiele ungeschlagen geblieben und mussten am Ende unglücklich Eintracht Frankfurt den Vortritt lassen. Die hatten sich damals in der Winterpause verstärkt – wie 1860 jetzt. Die Löwen haben ja keinen Spieler abgegeben, sondern in Raphael Holzhauser einen sehr guten Mann dazubekommen.

Haben Sie eine Erklärung dafür, dass kein Ruck durch die Mannschaft ging, als Köllner gehen musste und Gorenzel übernahm?

Maurer: Das geht ja nicht nur 1860 so. Wenn man mal nach Ingolstadt schaut: Die haben fünf Spiele in Folge verloren, drei mit dem alten und zwei mit dem neuen Trainer. Oder Halle: Im ersten Spiel nach dem Trainer-Rauswurf hat’s eine 1:7-Klatsche gesetzt (in Dresden/Red.). In der 3. Liga sind halt viele Vereinen auf einem Leistungsniveau.

Haben Sie eine Meinung zu den Topkandidaten von Gorenzels Liste? Marco Antwerpen? Achim Beierlorzer? Manuel Baum?

Topkandidaten sind Antwerpen, Beierlorzer und Baum

Maurer: Nein, das steht mir auch nicht zu, mich über Trainerkollegen zu äußern.

Wie sehr schreckt es potenzielle Trainer ab, wenn zwei Gesellschafter eher gegen- als miteinander arbeiten?

Maurer: Einfacher ist es natürlich, wenn du zu einem Verein kommst, wo du einen ganz klaren Ansprechpartner hast.

Überspitzt gefragt: Sind die Löwen untrainierbar?

Maurer: Nein. Du hast natürlich mehr Störgeräusche, mehr Unruhe. Es ist kein Medienparadies wie Augsburg. Dafür hast du eine unglaubliche Unterstützung bei den Spielen, sowohl zu Hause im Grünwalder Stadion als auch auswärts. Die einen Spieler pusht das, andere ziehen sich bei Kritik zurück. Aber untrainierbar? So würde ich das nicht sehen.

Präsident Robert Reisinger hat nach der Meppen-Pleite den Aufstiegskampf abgeblasen. Hat Sie das überrascht?

Maurer: Ich hab das gar nicht so mitbekommen, könnte mir aber denken, dass er damit ein bisschen Druck von der Mannschaft nehmen wollte.

Wenn Sie den idealen Löwen-Trainer beschreiben müssten – welche drei Eigenschaften fielen Ihnen dazu ein?

Maurer: Wichtig ist erst mal die Analyse: Was läuft gut, was nicht so gut? Als Nächstes muss er Lösungen finden, wie man das Spiel verbessern kann. Und drittens: Er muss sich überlegen, wie er wieder eine gute Stimmung in die Mannschaft reinbringt.

Zusammengefasst: Er muss ein guter Analytiker, sein, der viel Erfahrung mitbringt und Spieler positiv anpackt. Könnte alles auch auf den Trainer Reiner Maurer zutreffen . . .

Maurer: Das haben Sie gesagt (lacht). Bei 1860 werden Sie schon wissen, was das Beste für Mannschaft und Verein ist.

Interview: Uli Kellner

Aufrufe: 016.2.2023, 16:30 Uhr
Uli KellnerAutor