2024-04-30T08:05:46.171Z

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Gleich viermal standen sich die Waldramer Fußballer um Simon Schmid (li.) und Florian Buchlohs SV Münsing in dieser Saison gegenüber. Neben der Freude über viele Derbys war aber auch das ein Kritikpunkt am neuen Modus.	foto: rst
Gleich viermal standen sich die Waldramer Fußballer um Simon Schmid (li.) und Florian Buchlohs SV Münsing in dieser Saison gegenüber. Neben der Freude über viele Derbys war aber auch das ein Kritikpunkt am neuen Modus. foto: rst – Foto: Rudi Stallein

Trotz mehr Spannung: Neuer Spielmodus im Zugspitzkreis stößt bei Trainern auf wenig Begeisterung.

Bad Tölz-Wolfratshausen – Mehr Spannung sowohl im Herbst als auch im Frühjahr, mehr Derbys statt langer Auswärtsfahrten, mehr Abwechslung durch neue Ligen-Einteilungen im Winter – das waren die wichtigsten Aspekte, die die Einführung eines neuen Spielmodells in den unteren Fußballligen von der Kreisliga bis in die C-Klasse im vorigen Sommer begleiteten. Nachdem die erste Saison absolviert ist, wächst bei vielen Trainern der Wunsch, möglichst bald wieder zum alten Modus zurückzukehren. Die Gründe dafür sind vielfältig.

Trainer klagen über „ständigen Druck“

Ein Ziel, dass die Verantwortlichen mit dem neuen Modell verfolgten, ist auf jeden Fall erreicht worden: Langeweile kam selten auf. „Es war in der Vorrunde bis zum Schluss Strom drauf. Und alle drei Kreisliga-Abstiegsrunden waren bis zum letzten Spieltag total heiß“, freut sich Heinz Eckl. Der Zugspitz-Kreisvorsitzende des Bayerischen Fußball-Verbands (BFV) fügt jedoch in einem Nebensatz an: „Das kann man mögen oder nicht.“

Vielen Trainern und Spielern war es deutlich zu viel Nervenkitzel und Dramatik. „Für uns sind es in der Rückrunde fast nur Kampfspiele gewesen, weil es immer Alles-oder-Nichts-Partien waren“, moniert beispielsweise Florian Buchloh, der mit seinem SV Münsing erst nach einem Relegations-Thriller gegen die SG Aying/Helfendorf den Verbleib in der Kreisliga feiern konnte. „Klar, es war spannend, aber es war eine künstlich inszenierte Spannung, die für unnötigen Druck gesorgt hat“, findet der Münsinger Kapitän.

„Ich denke, dass die meisten Nein sagen werden“: Zugspitz-Kreisspielleiter Heinz Eckl befürchtet ein Aus des neuen Spielmodells.
„Ich denke, dass die meisten Nein sagen werden“: Zugspitz-Kreisspielleiter Heinz Eckl befürchtet ein Aus des neuen Spielmodells. – Foto: rh

„In fast allen Gruppen war es spannend bis zum Schluss. Aber das wollten sie ja so“, erklärt Thomas Gärner. „Aber das zerrt an den Nerven, weil du dir keinen Ausrutscher erlauben darfst“, gibt der Trainer, der mit der SG Gaißach/Wackersberg in die Kreisklasse aufgestiegen ist, zu bedenken. „Diesen ständigen Druck braucht es nicht“, meint auch Hans Schneider. Für den Trainer des TuS Geretsried II („ich bin kein Fan des Systems“) geht das ständige Gewinnen-Müssen vor allem zulasten des Nachwuchses. „Man will ja auch mal Spieler, die noch nicht zur ersten Garnitur gehören, für Trainingseifer belohnen. Aber das musst du dich erst trauen, wenn du jede Woche unter Druck stehst.“

Vier Derbys sind vielen zu viel

Was Schneider ebenfalls missfällt: „Ich muss nicht vier Mal in einer Saison dasselbe Stadtderby spielen.“ Diese Meinung teilt der TuS II-Coach mit vielen seiner Kollegen. „Das kann man einmal machen, aber dann reicht’s“, sagt Thomas Gärner. „Es verliert total an Reiz, es nutzt sich ab“, sieht Maxi Gögler, Trainer des SC Reichersbeuern, die geballte Derby-Ladung skeptisch. „In der Vorrunde ist das okay. Aber vier Mal gegen dieselbe Mannschaft zu spielen, das ist irgendwann kein Derby mehr, sondern einfach zu viel“, bringt es Thomas Neumeier auf den Punkt.

Dem Trainer des TSV Benediktbeuern – von Anfang an kein Freund des neuen Systems („ich kann dem nichts abgewinnen“) – missfällt zudem, dass Punkte, die in der Hinrunde erspielt wurden, im Frühjahr nichts mehr wert sind. „Da bist du im Winter zwölf, dreizehn Punkten im Plus und fängst im Frühjahr mit zwei Punkten Abstand in der Abstiegsrunde wieder an. Lass dann noch dummerweise zwei, drei wichtige Spieler ausfallen, dann spielst du plötzlich um den Abstieg. Das wäre nach dem alten Modell fast ausgeschlossen gewesen. Das ist sicher nicht ausgereift.“

„Das Punktesystem ist ein Manko, das passt nicht“, findet auch Massimo Foraterra. „Aber deswegen würde ich nicht sagen, dass das System komplett schlecht ist.“ Vor allem die kleineren Gruppen seien ihm sympathisch, betont der Trainer des Kreisklassen-Aufsteigers SG Baiernrain/Dietramszell. Damit könne er als Trainer in vielerlei Hinsicht besser planen, als es ihm mit einer zusammenhängenden langen Saison möglich wäre.

Langeweile in der A-Klasse

Eine Schwäche des Systems räumt auch Kreisspielleiter Heinz Eckl ein: „Die meisten Abstiegsgruppen in der A-Klasse waren stocklangweilig.“ Zu oft habe sich frühzeitig eine Mannschaft herauskristallisiert, die den Klassenerhalt nicht würde verhindern können, weshalb es für alle anderen um nichts mehr gegangen sei. „Es gab sehr schnell keinen Anreiz mehr – nach drei gewonnenen Spielen geht’s nur noch um die Goldene Ananas“, bestätigt Reichersbeuerns Coach Gögler, dessen Team in der Abstiegsrunde von zehn Partien neun gewann und einmal unentschieden spielte. „Wir haben in der zweiten Runde nie die Chance gehabt, weiter hochzurutschen, aber ich bin sicher, dass wir auch im alten System eine gute Rückrunde gespielt hätten.“ Auch das ist für Gögler ein Grund, weshalb er das neue Spielmodell für „totalen Blödsinn“ hält.

Arbeitsgruppe lehnt Verbesserungen ab

Die Kritik sei schon bei ihm angekommen, erklärt Heinz Eckl. Deshalb habe er dem Kreis von mehr als 20 Vereinsvertretern, die an der Entwicklung des neuen Spielmodells beteiligt gewesen seien, „einiges vorgeschlagen, was man ändern könnte. Aber das hat die Arbeitsgruppe alles abgelehnt“, sagt der Zugspitz-Kreisvorsitzende. „Das stimmt“, betont Christian Feirer vom FSV Höhenrain, der mit in dem Gremium sitzt. „Wir haben beschlossen, nichts zu ändern, sonst kennt sich überhaupt keiner mehr aus“, meint der Ex-Trainer, der dem neuen Modell von Anfang an aufgeschlossen gegenüberstand.

„Weite Fahrten gab’s früher auch“

An der nach einer Spielzeit gebündelten Kritik bemängelt Feirer ein wenig die Ausgewogenheit. „Ich habe den Eindruck, dass man nur das Schlechte raussucht“, sagt der Höhenrainer. „Aber man sollte nicht nur einseitig die Nachteile sehen, sondern das Ganze neutral betrachten.“ Jedes System habe seine Vor- und Nachteile. Weite Fahrten beispielsweise, wie sie einige Klubs nach der Neugruppierung im Winter auf sich nehmen mussten und kritisierten, habe es auch in der früheren Konstellation gegeben. „Das gleicht sich im Laufe der Jahre aus, da ist jeder mal Begünstigter, und mal nicht“, sagt das FSV-Urgestein und ergänzt lachend: „Dann muss man schon entscheiden, was man lieber will: Vier Derbys in einer Saison oder weite Fahrten.“

Dass das neue Modell nach der nächsten Saison, in der es in jedem Fall noch mal angewandt wird, eine Überlebenschance habe, glaubt Feirer derzeit allerdings nicht. Das geht auch Heinz Eckl so. „Ich denke, dass die meisten Nein sagen werden, wenn im nächsten Winter abgestimmt wird“, ist der Vater des neuen Modells skeptisch, dass sein Baby eine weitere Chance bekommt. „Aber dann war es den Versuch wert.“

Aufrufe: 017.6.2023, 13:00 Uhr
Rudi StalleinAutor