2024-05-02T16:12:49.858Z

Interview
Andreas Albers stürmt seit 2019 für den Regensburger Zweitligisten.
Andreas Albers stürmt seit 2019 für den Regensburger Zweitligisten. – Foto: Pressefoto Eibner

Jahn-Stürmer Albers: »Stehen vor einem großen Berg«

Der dänische Profistürmer Andreas Albers im Interview über schwere Zeiten, Jura, Familie und den Zweitliga-Torrekord

Mit einem wichtigen 2:1-Sieg bei Holstein Kiel hat sich der SSV Jahn Regensburg vergangenen Sonntag auf den Abstiegs-Relegationsplatz der 2. Bundesliga vorgespült. Und sich so aus dem Negativstrudel der vorigen Spiele befreit. Dabei zog sich allerdings Stürmer Andreas Albers einen Nasenbruch zu, ob er am Sonntag im Heimspiel gegen den SC Paderborn mitwirken kann, ist fraglich. Im Interview spricht der dänische Angreifer darüber, wie er mit schwierigen Phasen wie der aktuellen umgeht und warum er sich nicht nur auf Fußball fixiert. Zudem geht es auch um schöne Themen: Seinen Bezug zum Jahn und zu Regensburg, seine Familie, das Jurastudium und den Zweitliga-Torrekord des Jahn, den er in dieser Saison gebrochen und damit seinen Kumpel Marco Grüttner überholt hat.

Andreas, als du vor über dreieinhalb Jahren nach Regensburg gekommen bist, hast du gesagt, dass dein Jurastudium ein guter Ausgleich ist für dich, um mit den Höhen und Tiefen des Sports umzugehen. Hilft es dir aktuell, dass du nicht nur auf Fußball fixiert bist?
Andreas Albers (32):
Das hilft natürlich. Seit meine beiden Kinder auf der Welt sind, ist es vor allem die Familie, die für Ablenkung sorgt. Davor war es das Studium, das mir dabei geholfen hat. Denn ich bin niemand, der an der Playstation oder am Computer abschalten kann, wie es viele machen. Ich nutze inzwischen die freie Zeit mit meiner Familie. Wir sind viel unterwegs und meinen Kindern ist es egal, ob wir am Wochenende gewonnen oder verloren haben. Da zählen andere Sachen. Das tut gut, dann kommst du mal in eine komplett andere Welt hinein.


Funktioniert das im Moment auch gut, oder ist es in einer schwierigen Situation auch schwieriger auf andere Gedanken zu kommen?
Wenn man ein Unentschieden hatte oder nur zwei Niederlagen am Stück, dann fällt das natürlich leichter als es nach so vielen schlechten Ergebnissen in Folge der Fall ist. Aktuell läuft es echt nicht gut und das kannst du nicht einfach wegwischen und ausblenden. Es ist immer ein Stück weit im Hinterkopf, was wir anders machen können und wo wir uns verbessern können. Aber man muss aufpassen, dass man persönlich nicht in einen Teufelskreis kommt, nur an Fußball denkt und am Ende ohne Selbstvertrauen auf dem Platz steht.


Seit du beim Jahn bist, standet ihr noch nie so im Tabellenkeller. Was macht das emotional mit der Mannschaft und mit dir persönlich?
Das nimmt einen natürlich schon mit. Letzte Saison in der Rückrunde hatten wir auch eine schwierige Phase. Wir hatten aber immer ein gutes Polster und haben es am Ende geschafft, deshalb ist das vielleicht nicht mehr so präsent. Aber diese Phase jetzt ist noch kniffliger, weil wir so viele Spiele in Folge verloren haben und hinten sind. Es ist nicht so, dass wir jedes Spiel deutlich verlieren, aber trotzdem fehlt einfach etwas.


Fällt die tägliche Arbeit auf dem Platz in einer solchen (Negativ)-Phase schwerer?
Nein. Unter der Woche ist es einfach gut auf dem Platz zu stehen, auch in schwierigen Phasen. Es ist auch eine Herausforderung, die du annehmen musst. Wir stehen vor einem großen Berg und müssen da hochklettern. Da muss man jeden Tag dranbleiben und versuchen, alle anderen mit seiner Energie mitzureißen. Es hat keinen Sinn, unter der Woche den Kopf zu senken und zu schimpfen. Sondern du musst vom ersten Trainingstag an wieder Gas geben und Spielfreude reinbringen.


Du bist einer der Führungsspieler in der Mannschaft, ihr seid sicher besonders gefordert in einer solchen Phase. Wie könnt Ihr Einfluss auf die Mannschaft nehmen?
Ganz klar sind wir gefordert. Wir bringen am meisten Erfahrung mit und ich kann mich gut erinnern, dass ich als junger Spieler viel empfindlicher war in solchen Phasen. Da zweifelt man schon einmal an sich und seiner Qualität, wenn es schlecht läuft. Als erfahrener Spieler kann man eher sagen: Diese Phase hat nichts mit deiner grundsätzlichen Qualität zu tun. Du bist genauso gut wie letzte Saison, wenn nicht sogar besser. Dann muss man auf die anderen Faktoren achten. Wir versuchen, noch enger zusammenzustehen und als Mannschaft zu agieren.

»Die Fans machen das überragend.«


Nicht ganz normal ist in dieser Phase sicher die Unterstützung der Fans, die auch nach den jüngsten Niederlagen zu euch standen und euch Zuspruch gegeben haben.
Die Fans machen das überragend. Natürlich sind sie auch enttäuscht und unzufrieden, genauso wie wir. Die Fans haben aber dieselbe Einstellung wie wir, identifizieren sich mit der Mentalität des Clubs und bleiben auch in schwierigen Phasen erst recht dran. Jetzt müssen wir sie auch wieder belohnen und mit dieser Mentalität in die Spiele reingehen. Wenn es gut läuft, brauchen wir die Fans, um dranzubleiben. Wenn es schlecht läuft, ist es noch wichtiger, die Unterstützung zu haben. Jetzt wollen wir den Fans in naher Zukunft wieder schöne Erlebnisse ermöglichen.


Was bedeutet dir der Jahn nach den vergangenen Jahren?
Sehr viel, ich bin nun schon lange hier. Der Jahn ist mein erster Verein im Ausland und zudem war es mein erster Wechsel als komplette Familie mit unseren beiden Töchtern. Wir haben hier viel unternommen, um uns das Umfeld hier zu schaffen. Deshalb hat der Jahn schon eine größere Bedeutung als manche Vereine in Dänemark. Denn wir mussten uns hier von null an alles zusammen aufbauen, deshalb haben wir eine große Verbundenheit zu Regensburg und dem Jahn.

In Kiel zog sich Andreas Albers einen Nasenbruch zu.
In Kiel zog sich Andreas Albers einen Nasenbruch zu. – Foto: Pressefoto Eibner


Seit dieser Saison, seit deinem Doppelpack gegen den FC St. Pauli, bist du Zweitliga-Rekordtorschütze des SSV Jahn. Was bedeutet es dir, hier in den Geschichtsbüchern zu stehen?
Das ist natürlich toll, dass ich als Däne hier in den Geschichtsbüchern stehen darf. Im Moment ist es schon gut, aber es ist vor allem auch etwas, das ich einmal mitnehmen werde, wenn es zurück nach Dänemark geht.


Du bist gut mit Marco Grüttner befreundet, den du in der Rangliste eingeholt hast. Wie war der Kontakt rund um die Ablösung?
(lacht) Das war wie immer natürlich nett und er hat gesagt: Wenn ihn jemand überholt, dann ist es gut, dass ich es gemacht habe. Er hat mir zum Rekord gratuliert.


Zehn Tore fehlen dir noch, um Marco wettbewerbsübergreifend zu überholen. Ist das noch drin?
Ja klar (lacht). Ich habe hoffentlich noch viele Spiele mit dem Jahn vor mir.


Hattest du es im Spiel gegen St. Pauli – es war übrigens dein erster Doppelpack in Deutschland – gleich im Kopf, dass du den Rekord nun geknackt hast?
Nein, gar nicht. Ich habe es vor dem Spiel nicht gewusst, dass ich ihn mit zwei Toren überholen kann. Es ist zwar schön, aber in diesem Moment hat nur gezählt, dass ich für die Mannschaft getroffen habe.


In der Mannschaft trägst du passend für einen Torjäger den Spitznamen „Hunter“. Wie kam es denn dazu?
So haben mich anfangs vor allem Max Besuschkow und Erik Wekesser genannt. Der Name hat verschiedene Hintergründe. Zum einen wegen dem Torjäger, klar. Aber auch, weil sie bei mir eine gewisse Ähnlichkeit zu Klaas-Jan Huntelaar gesehen haben. Und dann haben sie mich noch in einer grünen Barbour-Jacke gesehen, die sie optisch an einen Jäger erinnerte. (lacht)


Gefällt dir der Name?
Ja. Wir hatten damals auch Probleme mit dem Spitznamen Andi, weil wir Andi Geipl in der Mannschaft hatten, Andy Gehlen als Fitnesstrainer und unser Mannschaftsarzt heißt auch Andi. Dann haben wir es mit Albi probiert, aber dann kam Albion Vrenezi von seiner Leihe zurück, dann gab es zwei Albis. Dann hat Hunter gut gepasst.


Welche Ziele hast du dir noch für diese Saison gesetzt?
Mein Ziel ist es immer, mich zu verbessern. Vergangene Saison hatte ich am Ende neun Tore, also sind mein Ziel für diese Saison mindestens zehn Tore. Man muss auch persönliche Ziele haben, denn mit meinen Toren helfe ich ja auch der Mannschaft. Aber am Ende sind die persönlichen Ziele auch nicht allzu wichtig, denn die Mannschaft steht über allem. Lieber schieße ich kein Tor und wir gewinnen, bevor ich eines mache und wir 1:4 verlieren. Im Moment geht es nur darum, dass wir wieder Punkte holen.


Gerade wenn es offensiv nicht so läuft, werden die Hoffnungen in dich noch größer. Wie gehst du mit Druck von außen um und welche Erwartungen hast du selbst an dich?
Ich lasse den Druck nicht mehr so sehr an mich heran, dafür bin ich inzwischen zu erfahren. Ich weiß, dass ich in jedem Spiel 100 Prozent gebe, um erfolgreich zu sein und Tore zu machen. Wenn ich mit Druck auf den Platz gehe, dann schieße ich ganz sicher kein Tor, das würde eher lähmen. Am Ende kann ich auch mit einer Vorlage helfen. Wir müssen als Team treffen, dann ist es am Ende egal, wer das Tor erzielt.

»Ich bin inzwischen offensiv für mehr verantwortlich als nur für mein Spiel.«


Über die Jahre hat sich deine Rolle in der Offensive auch etwas verändert. Anfangs hast du an der Seite vom Marco Grüttner gespielt, der der Chef in der Offensive war. Inzwischen bist du mehr und mehr in diese Rolle reingewachsen und führst deine Nebenleute mit…
Das stimmt. Ich bin inzwischen offensiv für mehr verantwortlich als nur für mein Spiel, sondern kümmere mich auch um die Mitspieler und taktischen Abläufe. Ich muss das Spiel lesen, versuchen vorauszuschauen und den anderen Spielern zu helfen. Das war am Anfang nicht einfach für mich, das musste ich erst lernen. Marco war ein großes Vorbild für mich, er hat es richtig gut gemacht. Ich habe mir genau angeschaut, wie er es gemacht hat, wollte aber auch meinen eigenen Weg gehen. Am Anfang war es schwierig, die richtige Balance zu finden. Denn man darf auch nicht nur auf die Organisation und die anderen schauen, sondern darf auch sein eigenes Spiel nicht verlieren.


Du sagst, du wolltest deinen eigenen Weg gehen. Wie genau sieht dieser denn aus?
Ich bin kein emotionaler Typ auf dem Platz und niemand, der sehr laut ist. Ich versuche eher, Punkte mit kleineren Gesprächen zu lösen. Ich habe gelernt, dass du nie sagen darfst, dass jemand etwas nicht machen darf, wenn du ihm nicht mindestens zwei andere Optionen aufzeigst. Das versuche ich im Training und im Spiel umzusetzen.


Hat sich die Art eures Spiels in den vergangenen Jahren verändert? Ihr lauft zum Beispiel nicht mehr immer in vorderster Linie an…
Ja, das hat sich schon verändert. Ich kann mich noch gut erinnern, als wir immer ganz vorne angelaufen sind. Da haben am Ende sogar die guten Mannschaften in der Liga die Bälle einfach lange geschlagen und haben uns überspielt. Dann sind wir gar nicht mehr ins Pressing gekommen. Wir wollen den Ball natürlich möglichst hoch auf dem Platz erobern, um dann schnell nach vorne zu kommen. Aber da gab es dann keine Möglichkeit mehr, weil die Gegner sich umgestellt hatten, weil wir zu gut waren im Pressing. Jetzt versuchen wir ein bisschen tiefer zu stehen und attackieren dann aus dieser Position heraus. Immer noch mit viel Tempo, Sprints und Leidenschaft.


Welche Momente deiner bisherigen Jahn-Zeit sind dir besonders in Erinnerung geblieben?
Schöne Momente waren natürlich die Klassenerhalte der vergangenen Jahre. Mein erstes Tor vor der Hans Jakob Tribüne gegen den HSV war ein spezieller Moment für mich. Ein großer Schritt war auch, als wir aus dem alten Gebäude ins neue Funktionsgebäude am Kaulbachweg gezogen sind. Das hat uns gutgetan, gleichzeitig ging es aber auch darum, die Mentalität, die wir im alten Gebäude hatten, auch ins neue Gebäude mitzunehmen.


Würdest du sagen, das ist gelungen?
Es ist natürlich einfacher für die Spieler, die sich dort im „Keller“ schon umgezogen haben. Man muss als neuer Spieler lernen, wie es früher war und worauf es ankommt. Ich würde schon sagen, dass nach wie vor eine gute Mentalität herrscht, aber daran muss man tagtäglich arbeiten.


Das Interview führte Fabian Roßmann. Hinweis: Das Interview entstand nach dem Auswärtsspiel des SSV Jahn beim 1. FC Nürnberg (0:1-Niederlage).

Aufrufe: 016.3.2023, 11:30 Uhr
Fabian Roßmann / fwAutor