2024-06-17T07:46:28.129Z

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Aktuell sitzt Moise Gae zwischen den Stühlen.
Aktuell sitzt Moise Gae zwischen den Stühlen. – Foto: Thies Meyer / privat

Hat Moise Gae einen gültigen Vertrag beim MSV Düsseldorf oder nicht?

Dem MSV Düsseldorf wird Transfer-Betrug bei einem U-19-Juwel aus der PSG-Kaderschmiede vorgeworfen - Der Verein will alles ordnungsgemäß abgewickelt haben.

Dass Fußballer heutzutage nicht mehr im Regelfall aus der A-Jugend ihres Heimatvereins in dessen Erste Mannschaft wechseln und dort dann so lange aktiv bleiben bis sie nach dem Abschiedsspiel ihre Schuhe an den Nagel hängen, mag nicht jedem gefallen, ist aber als Zeichen der Zeitläufte hinzunehmen. Weniger schön ist es, wenn Transferpraktiken so abgründig und undurchschaubar erscheinen, dass sich Verbandsjuristen und Anwälte damit befassen müssen. Beteiligter in einem solchen Fall ist aktuell der Oberligist MSV Düsseldorf. Zwar lässt sich gegenwärtig nur schwer wirklich Licht in diese dunkel anmutende Transfersache bringen, doch es gibt eine Reihe offener Fragen, die förmlich nach transparenter Aufklärung schreien.

Die Rede ist von Moise Gae, 19-jähriges Fußball-Talent aus Frankreich. Gae spielte bisher für US Torcy in einem Pariser Vorort, eine Kaderschmiede des großen Paris Saint-Germain (PSG). Dort hat er in der höchsten U19-Spielklasse agiert, ist als Linksfuß Aussenverteidiger, kann aber als polyvalenter Spieler auch defensiv wie offensiv im Mittelfeld zum Einsatz kommen. Bei Torcy war Gae Stammspieler und Leistungsträger. Sein familiärer Freund und Mentor Jean Paul Onana, der in Neuss als Physiotherapeut tätig und selbst Amateurfussballer beim SV Uedesheim ist, wollte dem ungeschliffenen Rohdiamanten Gae in Deutschland den Weg in den Senioren-Fußball ebnen - auf gutklassigem Amateurniveau - und so landete der französische Nachwuchskicker zum Probetraining und als Gastspieler beim Oberliga-Aufsteiger MSV Düsseldorf.

Nach der Darstellung von Moise Gaes Seite, der inzwischen auch anwaltlich von einer Kölner Kanzlei vertreten wird, trainierte er in der Zeit vom 1. bis 21. Juli beim MSV Düsseldorf, inklusive mehreren Testspiel-Einsätzen als Gastspieler. Zu einer Einigung über einen Transfer des Spielers sei es am Ende jedoch nicht gekommen, weil beide Seiten finanziell nicht auf einen Nenner gekommen wären, berichtet Onana. Endgültig abgesagt habe er dem MSV jedoch mit dem Ausstieg von Moise aus dem dortigen Probetraining noch nicht sofort, um sich diese Option noch etwas offen zu halten. Danach trainierte Gae kurzzeitig beim A-Kreisligisten SV Uedesheim mit, um sich weiter fit zu halten. Onana selbst spielt seit dieser Saison für Uedesheim. Schließlich landete Gae über freundschaftliche Kontakte zum mehrwöchigen Probetraining beim Mittelrheinligisten Viktoria Arnoldsweiler, der das französische Ausnahme-Talent jetzt unbedingt verpflichten möchte.

Liegt ein gültiger Vertrag vor?

Neben gravierender Differenzen über die finanziellen Konditionen mit dem MSV Düsseldorf war ein Grund für den plötzlichen Abbruch des Probetrainings am 21. Juli in der Landeshauptstadt, dass sich Gae daheim um seine erkrankte Mutter kümmern wollte. Dafür reiste er nach Paris, wie die vorgelegten Zugtickets belegen. Dass Onana dem MSV-Trainer Mo El Mimouni, den er „integer und stets korrekt" nennt, seinerzeit nicht definitiv abgesagt habe, bezeichnet er heute selbstkritisch als „einen Fehler und nicht korrekt“.

Als Viktoria Arnoldsweiler nun die Spielererlaubnis und den Pass für Gae beim Westdeutschen Fußballverband (WDFV) beantragte, wurde der Verein von der Passstelle damit konfrontiert, dass Gae bereits einen gültigen Vertrag unterschrieben habe - und zwar beim MSV Düsseldorf. Dieser 13-seitige Amateurvertrag soll am 26. Juli dieses Jahres unterschrieben worden sein, also noch fünf Tage nach dem abrupten Ende des Probetrainings in Düsseldorf. Einen solchen Vertrag will Gae aber niemals unterschrieben haben, wie er über seinen fließend französisch sprechenden Kölner Anwalt versichern lässt. Ein Fotoscreen der letzten Vertragsseite, der auch unserer Redaktion vorliegt, weist scheinbar die authentisch wirkende Unterschrift des Spielers auf. Mehr als diese letzte Vertragsseite des offenbar 13-seitigen Schriftstückes liegt bisher aber auch Moise Gae nicht vor, wie dessen Anwalt bekundet. Die Aushändigung des angeblichen Vertrages in physischer Form wurde Gaes Seite bislang offenkundig verweigert. Der Anwalt hat den MSV Düsseldorf bisher vergeblich zur Vorlage des vollständigen Original-Vertrages unter Fristsetzung abgemahnt.

Im Zusammenhang mit diesem fagwürdig anmutenden Vertragsabschluss wirft die Seite von Moise Gaes zahlreiche Fragen auf, die es nun von den juristischen Instanzen des Fußballverbandes zu klären gilt. Wenn der Spieler vom MSV ordnungsgemäß verpflichtet wurde, wieso taucht dann sein Name bis heute nirgendwo medial als Zugang auf, weder bei FuPa noch in anderen einschlägigen Transfer-Registern oder Kaderlisten? Kann der Vertrag, selbst wenn er regulär zustande gekommen wäre, überhaupt gültig sein? Ein solches Konstrukt müsste zweifelsfrei einen amtlichen Wohnsitz und eine Bankverbindung des Spielers beinhalten - beides kann Gae in Deutschland aktuell bisher aber gar nicht vorweisen. Und nicht nur Zahlungen an den Spieler müssten aufgrund eines solches Amateurvertrages vom MSV Düsseldorf längst geflossen sein, auch die Beiträge an Knappschaft und die Sozialversicherung müsste der Club entrichtet haben. Zudem fällt auf, dass der MSV, der einen gültigen Amateurvertrag mit Gae haben will, den Spieler bis heute nicht einmal abgemahnt oder die Erfüllung der sich aus dem Vertrag ergebenden Spieler-Pflichten juristisch eingeklagt hat.

Heftige Vorwürfe stehen im Raum

Zudem wird von der Gae-Seite beim WDFV angeregt - falls der Vertrag beim Verband tatsächlich im Original vorgelegt wurde - die Echtheit der Signatur des Spielers durch einen sachverständigen Gutachter, wie etwa das Landeskriminalamt (LKA), überprüfen zu lassen. Die Vertreter von Gae wenden ein, dass der Spieler am Tag der vom MSV behaupteten Vertragsunterzeichnung, dem 26 Juli 2022, gar nicht in Düsseldorf gewesen sein könne, schon gar nicht zu den dort üblichen Geschäftszeiten der MSV-Geschäftsstelle. Seinerzeit habe Gae beim SV Uedesheim im Neusser Süden trainiert. Notfalls will die Gae-Seite dafür etwa 20 Üdesheimer Fußballer und Trainer in einem möglichen Spruchkammer-Verfahren als Zeugen aufbieten.

Dies alles sind sehr massive Vorwürfe, die bei Betrug, Urkundenfälschung und Nötigung bis an die Kante des Strafgesetzbuches reichen würden. Deshalb haben wir auch den MSV Düsseldorf gebeten, zu diesem Sachverhalt Stellung zu nehmen und sich zu den vielen offenen Fragen im Fall Moise Gae zu äußern. Die Antwort kam umgehend, allerdings ohne konkret und detailliert auf alle gestellten Fragen einzugehen. "In der Sache mit Moise Gae können wir Ihnen zusichern, dass wir als Verein alles ordnungsgemäß durchgeführt haben. Der Spieler Moise Gae hat bei uns im Clubhaus im Beisein von zwei weiteren Zeugen den Vertrag unterschrieben. Der Vertrag wurde im Original und mit Kopie des Ausweises von Herrn Moise Gae in Duisburg persönlich überreicht! Im FIFA TMS sind alle Daten ersichtlich", erklärt dazu der MSV-Vorsitzende Noureddin Mahnin. "Der Transfer wurde nicht kommuniziert, weil Herr Moise Gea uns, Ende Juli, mitgeteilt hat, dass seine Mutter sehr krank ist und er vorübergehend nicht kommen kann. Er sei wieder in Paris, um bei seiner Mutter zu sein. Selbstverständlich wird er als geringfügig Beschäftigter bei uns gemeldet. Die Abgaben werden, wie bei uns von allen Vertragsamateuren, an die Bundesknappschaft monatlich abgeführt." Zudem weist Mahnin darauf hin, dass eine Wohnung für den Spieler angemietet worden sei, er überhaupt nicht bei seiner Mutter gewesen sei und stattdessen bei weiteren Vereinen trainiert habe. Bei der Stellungnahme des MSV fällt auf, dass für die behaupteten Vorgänge weder konkrete Daten und Uhrzeiten noch die angeblichen Zeugen namentlich oder von ihrer Funktion benannt werden.

Viktoria Arnoldsweiler hat inzwischen Widerspruch gegen die Verweigerung des Spielerpasses für Moise Gae eingelegt. Jetzt sind die Sportgerichte am Zug. Auf der Strecke bleibt zunächst der erkennbar hilf- und wehrlos wirkende 19-jährige Spieler, der in einem fremden Land eigentlich nur gutklassigen Amateur-Fußball spielen wollte.

Aufrufe: 02.9.2022, 23:25 Uhr
Sascha KöppenAutor