2024-04-30T13:48:59.170Z

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Türkiyemspor-Keeper Arda Akkas war mehr am Ball, als das vielen Zuschauern lieb war.
Türkiyemspor-Keeper Arda Akkas war mehr am Ball, als das vielen Zuschauern lieb war. – Foto: Theo Titz

Halle: Taktischer Kniff oder unsägliche Zeitverzögerung?

In den Finalspielen der Hallenstadtmeisterschaft Mönchengladbach fiel ein Phänomen besonders auf, das den Spielfluss etwas störte: Torwarte halten den Ball lange am Fuß und niemand hindert sie daran. Wir haben uns umgehört, ob das geändert werden sollte.

Es war für viele Zuschauer und Funktionäre ein Ärgernis, zumal die K.o.-Spiele ab dem Halbfinale der Hallenstadtmeisterschaft Mönchengladbach am Samstag ja eigentlich das höchste Tempo und den hocklassigsten Fußball verheißen sollten. Sie wurden ein wenig zunichte gemacht durch ein taktisches Mittel, welches – dosiert eingesetzt – eine Führung gekonnt absichern kann, aber, wenn es übertrieben wird, einem Spiel komplett den Fluss und die Spannung nimmt: Das sogenannte Zeitspiel durch Torwarte, die den Ball am Fuß halten, manchmal für zehn oder zwanzig Sekunden, aber oft auch für eine ganze Minute. Nicht nur um ein hektisches Spiel zu beruhigen, sondern sicherlich auch, um effektiv Zeit von der Uhr zu nehmen.

Im Halbfinale zwischen TuS Wickrath und Türkiyemspor wurde dies auf die Spitze getrieben, als Türkiyemspor-Torwart Arda Akkas den Ball mehrmals über einen längeren Zeitraum bei sich am Fuß behielt. Weder rannten die Wickrather gegen ihn an, um den Ball zu stibitzen, noch pfiff der Schiedsrichter das vermeintliche Zeitspiel ab. Weil es nämlich keines war und nach den geltenden Hallenregeln erlaubt ist.

Marlon Bruchhausen, Inhaber von Bruchhausen Events, der Sponsoring-Agentur der Stadtmeisterschaft und selbst während des Turniers als Schiedsrichter tätig, hat das Problem erkannt. „Das war einer der am meisten nachgefragten Regelaspekte nach dem Turnier“, sagt Bruchhausen. Keiner von der Turnierleitung sei mit der aktuellen Torwartregel gänzlich zufrieden, der Wunsch nach einer Änderung bestehe. „Aber es gibt viele Gedanken dazu, die wir jetzt ausarbeiten müssen und wollen dazu noch die ein oder andere Meinung von den Vereinen einholen“, so der Schiedsrichter. Eine schnelle Entscheidung werde es nicht geben, wohl sei aber beim nächsten Budenzauber mit einer Änderung zu rechnen.

Denn es gibt durchaus Möglichkeiten, ein langes Verzögern des Torwarts zu verhindern. Im Futsal gibt es die Vier-Sekunden-Regel, nach der der Torwart den Ball maximal vier Sekunden mit Händen oder Füßen kontrollieren darf und der Ball bei ruhenden Bällen auch binnen vier Sekunden wieder ins Spiel gebracht werden muss. Und im Fußball steht im Regelwerk des DFB, dass der Torhüter den Ball höchstens sechs Sekunden in den Händen halten darf, bevor er ihn abgeben muss. Von der Kontrolle mit dem Fuß ist nicht die Rede, folglich galt auch bei der Hallenmeisterschaft hier keine Begrenzung.

Onur Canbolat, Präsident von Türkiyemspor, der sein Team bei der Hallenmeisterschaft coachte, ist von den zeitlich genau begrenzten Regeln kein Fan. „Die vier Sekunden wären zu wenig, die Schiris können damit auch nicht umgehen. Dann wird mal gepfiffen und manchmal nicht“, argumentiert er. Grundsätzlich sollte eine Regelung kommen, aber eben nicht an Futsal angepasst. „Manchmal spielt der Torwart den Ball und kriegt ihn dann wieder zurück, zählt man dann von vorne? Die Regel müsste ausgeweitet werden, dass man zum Beispiel den Ball einmal über die Mittellinie spielen muss“, so Canbolat.

Das Ballhalten habe im Halbfinale tatsächlich zur Taktik seines Teams gehört, gegen spielstarke Wickrather ging es auch darum, lange hinten die Null zu halten. „Aber das war schon zu viel, muss ich von meiner Seite sagen. Ich bin als Zuschauer auch gegen diese Taktik“, räumt er ein. Eine Einschätzung des Schiedsrichters nach Gefühl, wenn klar wird, dass der Torwart den Ball unnötig lange hält; ein Signal, etwa die erhobene Hand, um ein Zeitspiel zu signalisieren, ähnlich wie es im Handball üblich ist: Das wäre ihm lieber als eine starre Sekundenregel, nach der dann sofort abgepfiffen würde.

Nicht nur Türkiyemspor, auch Sieger Victoria Mennrath spielte nicht immer mit höchster Risikobereitschaft nach vorne, sondern verließ sich des Öfteren auf das Halten des Balls ganz hinten. Trainer Simon Netten zeigt sich nach dem Turnier selbstkritisch: „Ich bin kein großer Freund von taktischem Spiel in den entscheidenden Spielen“. Er fordert: „Gebt dem Torwart eine Zeitbegrenzung fürs nächste Mal, dann hat man vielleicht ein bisschen mehr Fußball. Lasst die Zuschauer etwas Spaß haben.“

Damian Schriefers, Sportdirektor bei Endrunden-Teilnehmer SpVg Odenkirchen steht einer Regeländerung eher neutraler entgegen. „Ich kann es aus Zuschauersicht schon verstehen“, sagt der erfahrene Hallenzocker. Er warnt jedoch vor zu viel Regelanpassung: „Wo wollen wir hin? Die Regeländerung, dass der Torwart den Ball über die Linie werfen darf, das war schon ein großer Eingriff.“ Bei einem traditionellen Turnier sollte man gewisse etablierte Strukturen auch mal beibehalten.

Fakt ist, dass die Torwart-Taktik des Ballhaltens eher ein Randaspekt bei der Hallenmeisterschaft war und letztlich nur wenige Spiele entscheidend betraf. Ob die Veranstalter sie als relevant genug für eine Anpassung des Regelwerks erachten, wird sich erst in den Wochen und Monaten vorm Anpfiff des nächsten Budenzaubers zeigen.

Aufrufe: 012.1.2024, 12:00 Uhr
Arnd JanssenAutor