2024-05-10T08:19:16.237Z

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Neuanfang: Nach dem 1:1 gegen Elversberg gab es viel Applaus – von den Fans für die leidenschaftliche Mannschaft und von den 1860-Profis für die Kurve.
Neuanfang: Nach dem 1:1 gegen Elversberg gab es viel Applaus – von den Fans für die leidenschaftliche Mannschaft und von den 1860-Profis für die Kurve. – Foto: IMAGO/Frank Hoermann/SVEN SIMON

„Für mich gibt es schon einen Sieg“: Jacobacci formt 1860 endlich wieder zur Mannschaft

Jacobaccis erster Sieg

Der TSV 1860 München ringt Spitzenreiter Elversberg ein 1:1 ab. Die Fans sehen endlich wieder eine Mannschaft auf dem Platz. Ein Verdienst von Maurizio Jacobacci.

München – Ab der 80. Minute hatte das Grünwalder Stadion gefühlt 15 000 Stehplätze. Etliche Sitzschalen im offiziell ausverkauften Spiel waren ja von Haus aus frei geblieben, doch die Zuschauer, die am Dienstagabend da waren, erlebten eine Schlussphase, die es in sich hatte. Viele brüllten „Tooor“, als ein Schlenzer von Marius Wörl am Pfosten landete und zurück ins Feld sprang.

Sie beschimpften den Schiedsrichter, als Meris Skenderovic unberechtigt Gelb wegen einer vermeintlichen Schwalbe sah – und nach einem Strafraum-Crash zwischen Kobylanski und Elversbergs Keeper Kristof. Dramatik im Minutentakt. Die meisten Zuschauer blieben auch nach dem letzten Aufreger stehen – um den Löwen nach dem Schlusspfiff Applaus zu spenden.

TSV 1860: Harmonie zwischen Fans und Mannschaft kehrt zurück

Es war ein warmer, anerkennender Beifall. Bemerkenswert auch deshalb, weil das Spiel ja 1:1 ausging und die Löwen ihre Sieglos-Serie auf acht Spiele ausbauten. Nach einem dieser Spiele – dem 0:3 gegen Verl – hatten die Fans der Mannschaft den Rücken zugewandt, Bierbecher geworfen und ihre Wut rausgebrüllt: „Wir sind Löwen – und Ihr nicht!“ Am Dienstag waren alle wieder Löwen, die Fans und die Spieler, die teilweise entkräftet auf den Rasen sanken. Endlich stand da wieder eine Mannschaft, mit der sich die Fans identifizieren können.

„Kopf, Herz und Leidenschaft“ – vorgelebt vom neuen 1860-Coach, dem Italiener Maurizio Jacobacci.
„Kopf, Herz und Leidenschaft“ – vorgelebt vom neuen 1860-Coach, dem Italiener Maurizio Jacobacci. – Foto: Stefan Matzke

Entsprechend erleichtert klang der Mann, der das Team, das sich zwischenzeitlich im Zustand der Auflösung befand, wieder zusammengeschweißt hat. „Elversberg hat gezeigt, dass sie es verdienen, an erster Stelle zu sein“, sagte Trainer Maurizio Jacobacci, der Nachfolger von Michael Köllner und dem sieglosen Sportchef Günther Gorenzel: „Sie haben eine hervorragende Mannschaft – und uns das Spiel in der Anfangsphase aufgestempelt.“ Aber, fügte der Italiener stolz hinzu: „Kompliment an meine Mannschaft, wie wir uns da rausgekämpft haben. Danke auch an die Fans, die uns in dieser Phase unterstützt haben. Das brauchen wir im Moment auch. Es ist schön, wenn eine solche Harmonie zwischen Mannschaft und Fans gegeben ist.“

TSV 1860: Erster Jacobacci-Sieg in Aue?

Das Bogenlampentor, mit dem Joseph Boyamba (34.) die Eckball-Führung durch Nico Antonitsch ausglich (18.), sei „wichtig für die Moral“ gewesen, sagte Jacobacci. Auch für seine eigene Moral. Zwar wartet er weiter auf seinen ersten Dreier, durfte sich aber erstmals ein bisschen wie ein Gewinner fühlen. „Für mich gibt es schon einen Sieg“, sagte der Wahlschweizer: „Das Team ist in der kurzen Zeit unter mir zu einem Team auf dem Platz geworden.“

Noch in der Pressekonferenz am Tag vor dem Spiel hatte Jacobacci gestöhnt, dass es „keine einfache Aufgabe“ sei, die verunsicherte Mannschaft wieder aufzubauen. Es gelang ihm, indem er eine Spielweise eingeführte, die bei den 1860-Profis Anklang findet. Defensiv bodenständig, offensiv überlegt – „mit Kopf, Herz und Leidenschaft“. Das wohl wichtigste Signal: Jacobacci ersetzte den abgehoben spielenden Raphael Holzhauser durch den erdig kämpfenden Wörl. Die Mannschaft dankt es, indem jeder wieder für jeden da ist. Zudem blühen ehemals verschmähte Künstler auf – wie Boyamba, der schon zweimal unter Jacobacci traf, nach jedem Tor zu ihm hinlief und die Krisenbewältigung der kleinen Schritte angebracht findet. „Man muss fair sagen, es hätte in beide Richtungen gehen können“, sagte der Flügelstürmer: „Aber wir haben wieder Zug, es sieht besser aus als die Wochen zuvor.“

So sieht das auch Yannick Deichmann, der Vorzeigekämpfer. „Wir sind von Minute zu Minute mutiger geworfen“, sagte der Rechtsverteidiger im Fan-Talk: „Ich glaube, das Allererste ist, dass die Jungs draußen sehen, dass du alles auf dem Platz lässt, was du hast. Alles andere kommt von alleine. Das ist meine Philosophie.“ Und die Leistung vom Dienstag der neue Goldstandard – auch für das nächste schwere Spiel am Samstag in Aue. (ulk)

Aufrufe: 016.3.2023, 07:12 Uhr
Uli KellnerAutor