2024-05-10T08:19:16.237Z

Interview
Gestern noch Schweinfurt, heute schon Bamberg: Jan Gerlein blickt auf eine überraschende Sommerpause zurück.
Gestern noch Schweinfurt, heute schon Bamberg: Jan Gerlein blickt auf eine überraschende Sommerpause zurück. – Foto: Sascha Dorsch
VR Bank Bodensee-Oberschwaben

Jan Gernlein - der spontane Neu-Trainer der Domreiter

Der Nachfolger von Julian Kolbeck auf der Bank von Bayernligist FC Eintracht Bamberg im Interview.

Nach dem kurzfristigen, aber nachvollziehbaren Wechsel von Julian Kolbeck zum
Drittliga-Aufsteiger SpVgg Bayreuth setzt der FC Eintracht Bamberg erneut auf einen jungen
Trainer auf der Chefcoachposition: Jan Gernlein ist mit 29 Jahren gerade einmal eineinhalb
Jahre älter als Julian Kolbeck - und hat eine nahezu identische Spielauffassung wie sein
Vorgänger. Alles beim Alten also? Wie der neue Mann an der Seitenlinie des FCE wirklich
tickt, wo er seine Mannschaft sieht und welche Pläne er hat, verrät der im Interview.

Jan, für Dich ist die neue Trainerstelle ja sozusagen ein Heimspiel. Du kennst als Wahl-Bamberger die Stadt schon lange. Wo kann man Dich denn in Bamberg jenseits des Fußballplatzes am besten treffen? Gibt es einen Lieblingsort?
Ach, hier gibt es einfach so viele schöne Plätze: das Hainbad, der Kiosk Kunni, das Schlenkerla oder auch das Café Müller in der Austraße. Irgendwo dort und dazwischen bin ich immer zu finden … (lacht)

Und ab sofort natürlich auch im Fuchs-Park-Stadion. Wenn Dir jemand am 1. Mai gesagt
hätte, dass Du am 31. Mai Cheftrainer beim FC Eintracht Bamberg bist, dann …?
… hätte ich darauf verwiesen, dass hier ein hervorragender Trainer arbeitet - und ich mich
eher im Jugendbereich sehe.

Wie ist das denn genau gelaufen, dass Du so überraschend zum FC Eintracht gekommen
bist?
Unglaublich spontan und schnell. Sascha (Dorsch, stv. Vorstandsvorsitzender, Anm. d. Red.)
hat mich am Sonntag, 29. Mai, angerufen. Montag, 30. Mai, haben wir uns mit Julian
Kolbeck gemeinsam getroffen - und Dienstag, 31. Mai war klar, dass wir es machen wollen.
Ich glaube, manchmal sind diese überraschenden Fügungen nicht die schlechtesten.

Eine Wahnsinnsgeschichte, vor allem, dass der alte Trainer bei der Suche des neuen
beteiligt ist. Hast Du Dich inzwischen schon etwas eingewöhnt?
In der Tat. Leicht macht es mir sicherlich, dass ich schon vieles hier kenne: die Stadt, den
Verein und auch die ein oder andere handelnde Person. Trotzdem wird es einige Zeit dauern,
bis ich bei jedem weiß, wer er oder sie ist und welche Funktion jeder hier hat. Dafür ist der
Verein auch einfach zu groß, als dass man das sofort alles überblickt.

Dein alter Verein, der FC Schweinfurt 05, ist ein professioneller Regionalligaverein, der seit Jahren versucht, in die 3. Liga aufzusteigen. Dein neuer Verein ist ein ambitionierter Bayernligist, der nach schwierigen Jahren inzwischen wieder gut aufgestellt ist und fast den Aufstieg in die Regionalliga geschafft hätte. Was Schweinfurt und Bamberg eint, sind die große Fußballtradition und einst heiße Gefechte. Worin siehst Du den größten Unterschied zwischen beiden Klubs?
Beide eint, dass der Weg in die nächsthöhere Liga wirklich noch weit ist. Der größte
Unterschied liegt sicher auch in der Ausrichtung in Sachen Sponsoring und Jugendförderung.
Schweinfurt hat mit Präsident Markus Wolf einen großen Geldgeber, der den Großteil des
Etats selbst stellt. Wir in Bamberg hingegen haben viele Partner und sind nicht abhängig von
einem großen Sponsor. Und das Thema Jugend ist in Schweinfurt leider auch schwer
praktikabel gewesen, da mit der Umstellung auf Profitum und der Abschaffung der zweiten
Mannschaft der Weg für die eigenen Jugendspieler immer schwerer wurde. Wir versuchen in
Bamberg jetzt eigene Jugendspieler so zu integrieren, dass sie feste Kaderplätze haben und
verzichten lieber mal auf die ein oder andere Verpflichtung, wenn es auf der gleichen
Position einen U19 Spieler gibt.

Euer Testspielprogramm für die neue Saison hat es in sich: ein Drittligaabsteiger
(Würzburger Kickers), ein Drittligaaufsteiger (Bayreuth), zwei Regionalligisten (Aubstadt und Fürth). Gegen die Kickers setzte es ein 1:7 im Fuchspark, in Bayreuth ein 0:4. Ihr habt allerdings das große Handicap, dass etliches Stammpersonal zum Auftakt nicht anwesend ist. Was sagen solche Spiele gegen große Gegner für Dich aus?
Um ganz ehrlich zu sein sind diese Spiele sportlich nicht zu bewerten. Wir sehen lediglich
mal, wie weit der Weg noch ist, um eine Liga weiter oben Fuß zu fassen. Für die aktuelle
Kader- und Personalsituation sind diese Spiele nicht ideal, da wir sehr viele junge Spieler
haben, die Spiel für Spiel hinterherlaufen müssen. Weiter glaube ich, dass diese Spiele wenig
mit dem zu tun haben werden, was uns in der Saison erwartet. Hier wird es wenig Spiele
geben, in denen wir 90 Minuten durchgehend verteidigen müssen. Ich glaube, selbst wenn
wir alle Leistungsträger an Bord hätten, wären diese Spiele sehr schwer erfolgreich zu
gestalten.

Tranziska, Helmer, Schmittschmitt – der FCE hat nahezu seine komplette Offensivabteilung verloren. Andererseits sind tragende Säulen wie Kettler, Popp, Reischmann oder Kaube geblieben. Und die Kaderplanung ist ja noch nicht ganz abgeschlossen. Was traust Du Deinem Team in der neuen Bayernliga-Runde zu?
Wenn man so will haben wir knapp 60 Tore aus der letzten Saison verloren und müssen sehr
kreativ werden, um das annähernd aufzufangen. Auch bei der Kaderplanung mussten wir
gewisse Ideen mit einbringen, da das Budget bei uns nicht grenzenlos ist. Wir wollten hier
keine wilden Dinge machen, was dem Verein bekanntlich in der Vergangenheit nicht
gutgetan hat. Also spielen auch hier unsere jungen Spieler eine große Rolle, und wir müssen
sehen, wie wir uns als Gemeinschaft entwickeln können. Die Neuzugänge sollen auch alle
erstmal in Ruhe ankommen dürfen.

Gäbe es einen Wunschspieler, den Du gerne hättest?
Ich bin menschlich wie sportlich mit unserem Kader zufrieden. Einen Innenverteidiger hätten
wir noch vertragen können, aber auch hier werden wir gute Lösungen finden. Wunschspieler
gibt es auch deshalb nicht, da am Ende immer das beste Team erfolgreich ist.

Blicken wir mal auf den Spielplan: Zum Bayernliga-Start steht gleich ein Traditionsderby in Würzburg an: WFV gegen FCE. Die heimstarken Würzburger konnten sich erst über die Relegation in der Liga halten. Für Dich ein schwerer oder machbarer Auftakt?
Ich glaube, es ist gleich mal ein Duell mit einer gewissen Brisanz auch für unsere Fans. Man
darf sich definitiv nicht täuschen lassen, dass der WFV letztes Jahr Relegation gespielt hat.
Sie haben eine gute Truppe und gerade auch mit Lukas Illig einen starken Spieler aus
Großbardorf dazu bekommen, der auch eine gewisse Stabilität mitbringt. Daher wird das
kein leichtes Spiel, aber wir wollen jedes Spiel zu einem machbaren für uns machen.

Die Augen der Bamberger Fußballfans sind ja auch schon ein bisschen auf den 4. Spieltag gerichtet, wenn das Derby bei der DJK Don Bosco ansteht. Kommt dieses Highlight, das Du jetzt zum ersten Mal als Verantwortlicher miterleben darfst, für Dich zu früh in der Saison?
Ich freue mich, dass wir nicht so lange darauf warten müssen. Da ich ja auch den ein oder
anderen Spieler aus Wildensorg kenne, freu ich mich auf solche Spiele natürlich ebenso wie
die Fans. Gewünscht hätte ich mir jedoch, dass wir im Sommer bei uns im Stadion und das
Rückspiel im Herbst/Winter auf Kunstrasen spielen. Aber das wurde leider anders gelegt.

Welcher Bamberger Verein, glaubst Du, wird am Ende der Saison in der Tabelle besser
platziert sein?
Unser Ziel ist es natürlich besser platziert zu sein, aber das kann man vorab nie sagen. Wir müssen erstmal schauen, wie sich unsere Jungs an die Liga gewöhnen und wie die Entwicklung der Mannschaft ist. Wenn wir arbeiten und bereit sind zu investieren, werden wir am Ende wohl „Stadtmeister“ werden.

Und noch eine Einschätzung zur Liga: Welches sind die schwierigsten Aufgaben, wer gehört zu Deinen Favoriten?
Der Absteiger aus Eltersdorf mit einem sehr breiten Kader, Jahn Regensburg 2, weil sie gut
ausgebildet sind und allen voran Donaustauf. Ich glaube, gerade Donaustauf ist wenigen als
so krasser Favorit bekannt. Aber wenn man hört, was da für Zahlen für Trainer und Spieler
auf den Tisch gelegt werden, dann hat das nichts mit dem zu tun, was wir hier Woche für
Woche machen. Da kann man schon davon sprechen, dass das eine andere Liga ist.

Kommen wir mal zur Taktik: Die Fans im Fuchs-Park-Stadion sind in den vergangenen
Jahren sehr verwöhnt worden, was attraktiven Offensivfußball angeht? Wie sieht Deine
Strategie aus?
Wir werden immer mutig Fußball spielen und unser Herz auf dem Platz lassen. Wenn das
Woche für Woche der Fall ist, dann werden wir uns am Ende wenig vorzuwerfen haben. Wir
haben gerne den Ball und gegen das ein oder andere Tor mehr, hab ich auch nichts
einzuwenden.

Klingt gut. Wenn Du die Wahl mit dem FCE hast: lieber 3-5-2 oder 4-4-2?
Eher 3-5-2, wobei das ja alles nur Zahlenspielereien sind. Am Ende ist es wichtiger, dass wir
alle den gleichen Gedanken auf dem Platz haben.

Apropos: alle den gleiche Gedanken. Als was für einen Trainertypen würdest Du Dich
beschreiben?
Ich würde sagen, dass ich nah an der Mannschaft bin – mit einer natürlichen Autorität, ohne
groß herumschreien zu müssen. Eher ruhig und sachlich.

Was eint und was unterscheidet Dich in diesem Punkt mit Deinem Vorgänger Julian
Kolbeck?
Dafür kennen wir uns persönlich zu wenig und dafür weiß ich auch zu wenig über seine
Arbeit auf dem Platz. Ich glaube, er hat einen guten Job gemacht. Wenn ich das auch schaffe,
dann würde ich mich freuen, wenn uns das eint.

Was muss also passieren, damit Du im Mai 2023 sagst: Das war eine gute Saison!
Wir sollten einen attraktiven Fußball spielen, junge Spieler integriert haben und es geschafft
haben, die Fans im Stadion und die Sponsoren in der Stadt von unserem Weg zu überzeugen.
Eine gute Saison ist für mich nicht nur an Ergebnissen auszumachen, sondern an der
Entwicklung von Verein, Mannschaft, Umfeld, etc.

Und wie sehen Deine Zukunftspläne generell mit dem FC Eintracht aus?
Ich bin jetzt erstmal froh, wenn die Mannschaft nach Urlaub, Krankheiten und Verletzungen
zum ersten Mal komplett zusammen ist. Dann muss man sehen, wo man allgemein im
Umfeld noch Hebel ansetzen kann, um den Verein Stück für Stück noch beliebter und
attraktiver zu machen. Wenn wir es schaffen, die Trainingsbedingungen mittelfristig weiter
zu verbessern, wäre ich auch sehr zufrieden. Aber eins nach dem anderen.

Herzlichen Dank, Jan, für diese Einblicke und die besten Wünsche für eine erfolgreiche
Saison!

Aufrufe: 027.6.2022, 12:40 Uhr
Adrian Grodel/redAutor