2024-05-02T16:12:49.858Z

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Darius Farahmand ist einer der erfahrensten Übungsleiter im ostbayerischen Amateurfußball
Darius Farahmand ist einer der erfahrensten Übungsleiter im ostbayerischen Amateurfußball – Foto: Charly Becherer

Farahmand: »Wir Trainer sind die Blitzableiter für alles geworden«

Der 57-jährige Übungsleiter prangert so manche Entwicklung im Amateurfußball an, schwärmt aber über die Gegebenheiten beim Kreisligisten SV Winzer

Seit 1992 ist Darius Farahmand fast ununterbrochen als Trainer aktiv. Der Oberpfälzer, der seit mehren Jahren in der Nähe von Bogen lebt, hatte in seiner ereignisreichen Laufbahn unter anderem Landesliga-Stationen beim Freier TuS Regensburg und der SpVgg GW Deggendorf. Seit ein paar Wochen hat der A-Lizenzinhaber interimsweise den Kreisligisten SV Winzer übernommen. Wir haben uns mit dem fußballverrückten 57-Jährigen kurz vor dem Frühjahrsstart unterhalten.

Darius, beim SV Winzer hast du eine Mission auf Zeit angetreten und sollst mit dem Team der Korbmacher den Kreisliga-Erhalt sichern. Warum hast du dich auf dieses Kurzzeit-Engagement eingelassen?
Darius Farahmand (57): Ich hatte nicht vor, in dieser Saison nochmal etwas zu machen. Meine Entlassung bei Türk Gücü Straubing (Anm. d. Red.: Farahmand wurde beim Bezirksligisten im Spätsommer überraschend freigestellt) ist mir ziemlich nahe gegangen und ich hatte eigentlich die Nase vom Trainerjob ziemlich voll (schmunzelt). Über einen von mir sehr geschätzten Trainerkollegen ist der Kontakt zum SV Winzer zustande gekommen, der kurzfristig einen Coach gebraucht hat. Ich habe mich zu einem Treffen überreden lassen und die Gespräche mit den rührigen Verantwortlichen waren so gut, dass ich mich bereit erklärt habe, den Verein in einer Notsituation auszuhelfen. Bisher habe ich das noch keine Sekunde bereut.


Du klingst ja regelrecht begeistert...
Ja, das bin ich auch ein Stück weit. Der SV Winzer ist einer der wenigen Amateurvereine, bei dem die Welt noch in Ordnung ist. Das Vereinsleben ist intakt, besonders beeindrucken mich die vielen ehrenamtlichen Helfer. Die Verantwortlichen unterstützen den Trainer in allen Bereichen und auch die Mannschaft ist total wissbegierig und lernwillig. Wir haben immer zwischen 25 und 30 Leute im Training. Höhepunkt war ein tolles Trainingslager in Österreich.



Also ist der Klassenerhalt nur reine Formsache?
Nein, auf keinen Fall. Mit Spielertrainer Andreas Stadler hat die Mannschaft ihren Abwehrchef verloren. Co-Spielertrainer Thomas Häfner hatte einen schweren Unfall. Er hat zwar mittlerweile schon wieder seine ersten Minuten absolviert, hat aber immer noch Probleme. Wir hoffen, dass er möglichst viele Spiele mitmachen kann, denn seine Erfahrung und Klasse ist unverzichtbar. Die Mannschaft ist extrem ehrgeizig, aber auch sehr unerfahren.


Was stimmt dich dennoch zuversichtlich?
Der große Zusammenhalt, die sehr positive Stimmung im Team und die für Kreisliga-Verhältnisse hervorragende Kaderbreite. Beispielsweise haben sich ein paar Jungs aus der A-Klassentruppe hervorragend entwickelt und sind mittlerweile echte Alternativen für die erste Mannschaft geworden. Top ist auch die Einstellung und die wird sehr wichtig sein, denn im Kreisliga-Abstiegskampf sind vor allem die Grundtugenden des Fußballs gefragt.



Beim TSV Wacker Neutraubling wurde Farahamand 2020 als Bezirksliga-Tabellenführer von seinen Aufgaben entbunden
Beim TSV Wacker Neutraubling wurde Farahamand 2020 als Bezirksliga-Tabellenführer von seinen Aufgaben entbunden – Foto: Florian Würthele






Du bist seid mittlerweile über 30 Jahren als Übungsleiter tätig, warst davon lange Zeit als Übungsleiter auf Bezirks- und Landesebene unterwegs. Wie hat sich das Trainergeschäft in diesem Zeitraum verändert?
Extrem. Die Mannschaftsführung ist ein komplett andere geworden. Wenn man sich beispielsweise als Trainer nicht an das veränderte Kommunikationsverhalten der Spieler anpasst, hat man keine Chance mehr. Grundsätzlich sind wir Trainer mittlerweile die Blitzableiter für alles geworden. Ich liebe den Fußball nach wie vor, aber viele Dinge habe sich leider zum Negativen verändert. Wenn ich sehe, wie mittlerweile Jahr für Jahr auf Kreis- und Bezirksebene Dutzende von Trainer unter der Saison ausgetauscht werden oder von sich aus hinwerfen, ist das äußerst bedenklich. In diesen Klassen sollte eigentlich der soziale Aspekt eine ganz wichtige Rolle spielen. In sportlich schwierigen Zeiten gehört zusammengehalten und kritische Situationen sollten gemeinsam gemeistert werden. Natürlich gibt es aber auch Symbiosen, in der eine Mannschaft und ein Trainer überhaupt nicht zusammenpassen. Dass man dort dann reagieren muss, ist verständlich. Sind wir uns aber mal ehrlich: Welchen großen Unterschied macht es eigentlich, ob ein Dorfklub in der siebten oder achten Liga spielt? Für manche Vereine ist doch ein Abstieg manchmal gar nicht so verkehrt, denn auf einmal werden wieder deutlich mehr Spiele gewonnen und das sorgt oft dafür, dass die Stimmung im Umfeld wieder eine ganz andere ist.



Was sind deiner Meinung nach die Ursachen, dass auch in den unteren Spielklassen die Trainer so schnell in den sauren Apfel beißen müssen?
Eindeutig der Profibereich. Dort geht es doch primär nur mehr um Macht und Geld. Manche Amateurvereins-Funktionäre meinen, das auf ihren Verein übertragen zu müssen. Wenn ein Regionalligist ein paar hunderttausend Euro Saisonetat hat, dann ist es verständlich, dass der Erhalt dieser Klasse für einen Verein essenziell enorm wichtig sein kann. Aber wenn Kreisklassen-Trainer nach vier oder fünf nicht gewonnenen Spielen entlassen werden, bekomme ich einen Hals. Nicht selten kommt es vor, dass wenige Monate zuvor der gleiche Coach in einem Medienbericht noch als absolute Wunschlösung bezeichnet wurde. In der Corona-Zeit wurde viel von Dingen wie Demut gesprochen, geändert hat sich leider überhaupt nichts. Im Gegenteil!




Wie sehen deine sportlichen Zukunftspläne aus?
(lacht) In meinem Alter gibt es keinen Karriereplan mehr. Ich habe im Fußball schon sehr viel mitgemacht, sowohl im positiven als auch im negativen Sinne. Wenn eine passende Anfrage kommt, werde ich mir diese anhören. Gewisse Ansprüche habe ich natürlich und es ist nicht so, dass ich unbedingt etwas machen muss. Aktuell genieße ich die Zeit beim SV Winzer in vollen Zügen. Ich habe richtig viel Spaß und will mit einer jungen und charakterlich sehr starken Truppe die Kreisliga halten. Dafür werde ich alles in meiner Macht stehende tun!








Aufrufe: 023.3.2023, 07:50 Uhr
Thomas SeidlAutor