2024-04-30T13:48:59.170Z

Interview
Rico Unser ist nach dem Gewinn des Doubles erleichtert.
Rico Unser ist nach dem Gewinn des Doubles erleichtert. – Foto: Siegfried Lörz

Dührens Rico Unser führt die erfolgreiche Familien-Tradition fort

Kreisklasse A Sinsheim +++ Vater Willi und Bruder Marco waren ebenfalls erfolgreiche Coaches +++ Unser spricht gnadenlos Probleme der B-Klassen an+++ TSV geht ohne Druck in neue Spielklasse

Der Berwanger Rico Unser hat in der letzten Saison sensationelles vollbracht. Mit seinem Team, dem TSV Dühren, gewann der Realschullehrer im Frühjahr das Double. Das schaffte im Jahr zuvor zwar auch der SV Treschklingen und doch ist der doppelte Titelgewinn bei den Dührenern erheblich höher zu bewerten. Der TSV gewann den Pokal nämlich als B-Ligist. Das dürfte einmalig sein. Rico Unser spricht in unserem Interview aber auch deutlich aus, was viele denken. Die Einteilung der B-Klassen im Fußballkreis Sinsheim sind gerade für Spitzenmannschaften kein Vergnügen.

Rico, herzlichen Glückwunsch zu Eurem Aufstieg. Aber als Ihr beim letzten Spiel in Sinsheim 20 Minuten vor Schluss mit 0:2 zurück gelegen habt und völlig aus dem Spiel gewesen seid, ging Dir da nicht durch den Kopf, dass ein Aufstiegsfluch über Dir und dem TSV Dühren liegt?

Unser: Ja, das war tatsächlich so. Es zeigten sich Parallelen zur Saison davor. Hier mussten wir auf der Zielgeraden Reichartshausen und Hilsbach an uns vorbeiziehen lassen. Darüber habe ich zwischendurch schon nachgedacht. Ich dachte, dass es doch nicht sein kann, dass wir immer die entscheidenden Spiele verlieren. Im Jahr zuvor hatten wir in der Summe zwar mehr Gesamtsiege als die Konkurrenten, aber alle vier entscheidenden Duelle gegen Reichartshausen und Hilsbach verloren wir. Wenn richtig Druck auf dem Kessel war, dann war dieser für uns als Mannschaft anscheinend zu hoch. Und genau das ging mir nach dem 0:2 durch den Kopf. Nach dem 1:2-Anschlusstreffer hatte ich dann aber den Eindruck, dass Sinsheim etwas die Luft ausging und der Druck auf sie übersprang. Denn nun bestand für sie die Gefahr den Aufstieg noch aus der Hand zu geben.

Zehn Tage zuvor wurdet Ihr an gleicher Stelle Pokalsieger. Wurde der Pokalsieg überhaupt richtig gefeiert? Immerhin war klar, dass noch entscheidende Spiele um den Aufstieg anstehen gegen den Dritten (Grombach) und Zweiten (SV Sinsheim)?

Unser: Der Pokalsieg wurde schon ausgiebig gefeiert. Die meisten Spieler gingen erst morgens nach Hause. Anschließend mussten wir Trainer schon schauen, dass wir die Spieler wieder einfangen. Wir hatten den Eindruck, dass einige mit dem Pokalsieg etwas überdrehten nach dem Motto, was soll uns denn jetzt noch passieren. Diese Feierlaune musste von uns wegen der schweren anstehenden Spiele dann gebremst werden. Unser Saisonziel war ganz klar der Aufstieg in die Kreisklasse A und nicht der Pokalsieg.

Jetzt bleibt der SV Sinsheim nach einer sensationellen Saison in der B-Klasse und Kirchardt II als B2-Meister darf aufsteigen. In der Saison zuvor blieb Deine Mannschaft auf der Strecke und Helmstadt II ging hoch. Wie denkt man darüber?

Unser: Bei uns im Fußballkreis gibt es die B2-Staffel und die Regeln sind nun mal so. Ich persönlich würde deshalb die C-Klasse befürworten. Außerdem hat die Erfahrung auch gezeigt, dass die Aufsteiger aus der B2-Staffel in der Regel immer sofort wieder absteigen. Und wenn man dann den SV Sinsheim sieht, der eine überragende Runde spielte und in der B-Klasse verbleibt während Kirchardt II hoch geht, dann ist das ungerecht. Für uns war es letztes Jahr sehr demotivierend.

Da das Niveau in der B2-Staffel erheblich schlechter ist, müsste deren Meister sich erst einmal in der B-Klasse beweisen bevor es in die A-Klasse geht. Man hat ja auch von Neckarbischofsheims Trainer Duric gelesen, dass kaum einer der 2. Mannschafts-Spieler ins Training geht. Trotzdem werden sie Zweiter und wären fast aufgestiegen. Wenn man das reflektiert, sagt es ja viel über die B2-Staffel aus.

Freust Du Dich, dass jetzt in der A-Klasse jedes Spiel erst gespielt werden muss um den Sieger zu ermitteln, während in der B1-Staffel Spiele gegen 2. Mannschaften ja oft nur eine Frage der Höhe waren?

Unser: Das war tatsächlich so. Gerade bei einem ambitionierten Team wie dem TSV Dühren, stellst Du Dir die Frage, was Du den Spielern vorm Spiel sagen sollst. Wie willst Du motivierend auf die Spieler einwirken, wenn Du in der Vorrunde schon 15 Tore gegen diesen Gegner erzielt hast. Die Spieler haben dann schon mal geäußert, dass diese Spiele keinen Spaß machen. Ähnlich geht es ja auch den anwesenden Zuschauern.

In der Rückrunde gibt es ja dann auch immer wieder Absagen, wenn der Gegner zu übermächtig ist.

Unser: Das ist das nächste riesengroße Problem. Im Duell zwischen dem SV Sinsheim und uns hätte am Ende auch das Torverhältnis über den Aufstieg entscheidend sein können. Nun hat der SV Sinsheim gegen eine Mannschaft 15 Tore geschossen. Gegen uns sagt die Mannschaft aber ab. Dann gewinnen wir zwar 3:0, aber im Umkehrschluss verlieren wir zwölf Tore Differenz gegenüber dem SVS.

Umgekehrt ist es natürlich genauso. Am vorletzten Spieltag ging das Gerücht rum, dass Türk Gücü Sinsheim II gegen den SVS nicht antritt. Dann hätten sie nur 3:0 gewonnen und aufgrund des schlechteren Torverhältnisses so gut wie keine Chance mehr auf den Meistertitel gehabt. Letztendlich trat TG II aber doch an und der SVS gewann 15:0. Nun hätte dem SVS ein Sieg am letzten Spieltag gegen uns gereicht. Das ist alles Willkür und hat mit fairem sportlichem Wettkampf nichts mehr zu tun.

Wenn wir gerade dabei sind, gibt es diesbezüglich noch weitere Probleme?

Unser: Wenn der SVS und wir mit dem Torverhältnis so eng beieinander liegen, dann überlegst Du Dir ja auch, ob ich es mir jetzt leisten kann die Nr. 13,14 und 15 einzuwechseln oder spiele ich mit der Stammelf weiter um noch möglichst viele Tore für die Tordifferenz zu schießen. Deshalb wäre es fairer, dass am Ende nur die Punkte entscheiden und es notfalls ein Relegationsspiel gibt.

Es ist auch unheimlich bitter, wenn sonntagmorgens ein Anruf kommt und der Gegner einfach absagt. Einerseits warst Du auf ein Fußballspiel mittags eingestellt und andererseits geht Dir der notwendige dauerhafte Spielfluss verloren.

Zurück zur ursprünglichen Frage. Die Freude ist groß nun in der A-Klasse zu spielen?

Unser: Definitiv. Ich bin sehr froh, dass wir aus der B-Klasse raus sind. Ich muss aber auch zugeben, als ich vor drei Jahren das Traineramt in Dühren übernommen habe, habe ich mir das Aufsteigen leichter vorgestellt. Wenn man in der B1-Staffel aufsteigen möchte, muss man fast jedes Spiel gewinnen.

Du stammst ja aus einer Trainer Familie. Dein verstorbener Vater Willi und auch Dein Bruder Marco haben erfolgreich bzw. hoch trainiert. Was kannst Du über sie erzählen?

Unser: Das stimmt. Mein Vater hatte Ende der 90er Jahre mit der B-Jugend des SV Sinsheim den Aufstieg in die Verbandsliga geschafft. Diese war damals die höchste Spielklasse in Nordbaden. Spieler wie Henning Rohr oder André Kreuzwieser wechselten damals noch von Hoffenheim nach Sinsheim. In seiner Mannschaft spielten gute Leute wie Timo Maag, Rene Redlich, Sven Heinzel, mein Bruder u.v.m.

Die Mannschaft gewann zweimal gegen den KSC (später Halbfinalist um die Deutsche Meisterschaft) und spielte mit Waldhof, Sandhausen und dem VfR Mannheim oben mit. Später war er bei Uwe Wolf in der A-Jugend Bundesliga Co-Trainer.

Mein Bruder Marco war ebenfalls in Hoffenheim Jugendtrainer. Zudem coachte er die U18 in Walldorf. Inzwischen macht er aber diesbezüglich gar nichts mehr.

Wie läuft dann ein Nachmittag ab, wie bei der Taufe Deiner Tochter. Wird dann mit Deinem Bruder den ganzen Mittag nur über Fußball philosophiert?

Unser: Nein, so ist das nicht mehr. Wir haben auch genügend andere Themen über die wir uns unterhalten können. Als mein Vater noch lebte, war es aber tatsächlich so. Wenn meine Mutter sonntags kochte, saßen wir alle vereint am Tisch und es gab nur ein einziges Thema: Fußball. Jetzt, wo meine einjährige Tochter bei uns ist, haben sich die Prioritäten verschoben. Wenn ich sonntagabends nach den Spielen heim komme, bin ich froh, wenn vom Fußball mal Ruhe ist und ich zu Hause abschalten kann.

Holst Du Dir beim erfahrenen Bruder Marco auch keine Tipps?

Unser: Doch, das mache ich schon. Normalerweise ist er Zuschauer beim SV Reihen. Bei wichtigen Spielen vom TSV Dühren schaut er dann aber bei mir zu. Dann frage ich ihn schon, wie er gewisse Situationen sieht oder einschätzt.

Du bist jetzt im vierten Jahr Trainer beim TSV Dühren. Was hat sich seitdem im Bezug auf den Verein geändert?

Unser: Man merkte anfangs, dass die Jahre zuvor nicht gut verliefen. Als wir zu dritt das Ruder übernommen haben, waren plötzlich bis zu 28 Spieler im Training. Die Leute merkten, dass was geht. Es gab eine Aufbruchstimmung. Zuschauer gaben die Rückmeldung, dass endlich wieder Fußball gespielt würde. Heute sitzen die Spieler oft mit den Spielern der AH zusammen. Das Vereinsleben ist wieder erwacht. Bei den Spielen haben wir viele Dührener Zuschauer. Alles in allem kann man sagen, dass es einfach Spaß macht.

Bist Du ein großer Fan von Rohrbachs Trainer Joachim Heger?

Unser: Weshalb?

Mit Bastian Mangold hast Du Dir den nächsten Trainer an Land gezogen, der vorher in Rohrbach aktiv war.

Unser: Tatsächlich waren die Trainings bei Jockl (J. Heger, Anm. der Redaktion) immer gut. Wir sind mit ihm damals nicht im Bösen auseinander gegangen. Wir haben sehr früh mit offenen Karten gespielt. Wir haben den SV Rohrbach damals auch darauf hingewiesen, dass sie jetzt aufpassen müssen, dass der Kern des Teams zusammenbleibt.

Gerade kürzlich hatten wir ein Testspiel in Rohrbach und uns dann auch noch lange mit Jockl unterhalten.

Ihr seid nun wieder - wie im ersten Jahr - zu Dritt im Trainerteam. Wie teilt Ihr Euch an Trainings- und Spieltagen auf?

Unser: Marvin Ziegler und ich stehen ja beide auf dem Spielfeld. Das ist gerade bei engen Spielen schwierig. Richtig stressig war es dann in Sinsheim bei einem Spiel, wo es um so viel ging.

Basti Mangold ist ein Freund von mir und kam nun beruflich wieder nach Sinsheim zurück. Er bot mir an, dass er unsere Spiele als zusätzlicher Trainer von außen steuern kann. Da mussten Marvin und ich nicht lange überlegen und nahmen das Angebot gern an. Da er in der Vergangenheit großes Verletzungspech hatte, brachte er seinen Spielerpass erst gar nicht mit nach Dühren. Somit kommt er erst gar nicht in die Verlegenheit wieder aufzulaufen. Die Trainingseinheiten gestalten wir drei alle zusammen.

Als wir uns vor vier Wochen getroffen haben, hattet Ihr noch kein Saisonziel. Hat sich das inzwischen geändert?

Unser: Wir wollen erst einmal schauen, wie es in der neuen Liga läuft bzw. wie wir reinkommen. Ich fände es schön, wenn wir unter die ersten sieben Mannschaften kommen. Aber ein offizielles Ziel gibt es nicht. Wir hatten in der Vergangenheit durch Saisonziele so viel internen Druck aufgebaut, dass wir diese Saison froh sind, wenn wir befreit aufspielen können.

Sicherlich hast Du bei FuPa Baden aber gelesen, dass der TSV Dühren von der Konkurrenz am häufigsten als Aufstiegsfavorit genannt wird. Überrascht Dich das?

Unser: Das überrascht mich gar nicht so sehr. Wir bekamen in letzter Zeit viel Lob. Nicht wenige sagen über uns, dass wir keine B-Klassen-Mannschaft waren. Aber ich wiederhole mich. Wir springen auf den Zug nicht auf. Wir wollen eine Saison ohne Druck spielen.

Mit dem torgefährlichen Simon Dowalil und Paullo da Silva Santos wird der Konkurrenzkampf angeheizt. Was erwartest Du von den beiden Neuzugängen?

Unser: Simon ist einer meiner allerbesten Freunde. Es war schon sehr früh klar, dass wir ihn holen, um uns punktuell zu verstärken. Er versucht sonntags das Spiel an sich zu reißen. Im Training geht er mit seinem Tempospiel voran. Die Jüngeren können von ihm lernen.
Bei unserem Brasilianer Paullo ist die Schwierigkeit, dass er weder deutsch noch englisch spricht. Er ist fußballerisch aber sehr gut, hat eine tolle Physis und ein gutes Kopfballspiel. Im defensiven Mittelfeld soll er uns Stabilität verleihen.

Wie konntet Ihr ihn dann bei den Sprachproblemen vom SV Sinsheim "abwerben"?

Unser: Bei diesem Transfer hat uns Cesar Thier geholfen. Er ist ja Brasilianer und war früher Torwart der TSG 1899 Hoffenheim. Sein Sohn Carlos spielt bei uns.

Vor Spielen haben wir nun immer ein gesondertes Dreier-Gespann. Dann bekommt Paullo von einem Trainer seine Anweisungen und als Übersetzer fungiert dann einer der beiden Thiers. Cesar Thier und auch Peter Krauth helfen dem Verein sehr viel im Bezug auf anstehende Aufgaben.

Rico, ein langes Gespräch neigt sich dem Ende zu. Gib uns mal noch Deine Einschätzung zu den Titelfavoriten in der Saison 23/24.

Unser: Wenn ich mir die bisherigen Pokalergebnisse anschaue, dann sehe ich die beiden türkischen Vereine ganz vorne. Ich bin angetan von Türk Gücü. Man muss sich nur mal die Neuzugänge von der SG Waibstadt anschauen.

Türkspor Eppingen gewann gegen den TSV Neckarbischofsheim, ein starkes Team aus der Kreisliga. Auch die Eppinger habe ich auf dem Zettel.

Aufrufe: 08.8.2023, 23:30 Uhr
Volker KillusAutor