2024-04-25T14:35:39.956Z

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Zehn Minuten von draußen zusehen musste Srdan Ivkovic (Nummer 33) in der Partie gegen Grünwald. Schiedsrichterin
Paulina Koch verhängte eine Zeitstrafe gegen den TuS-Angreifer. Auf das Ergebnis hatte dies keine Auswirkung, denn
die Geretsrieder brachten ihre 1:0-Führung über die Zeit.
Zehn Minuten von draußen zusehen musste Srdan Ivkovic (Nummer 33) in der Partie gegen Grünwald. Schiedsrichterin Paulina Koch verhängte eine Zeitstrafe gegen den TuS-Angreifer. Auf das Ergebnis hatte dies keine Auswirkung, denn die Geretsrieder brachten ihre 1:0-Führung über die Zeit. – Foto: Rudi Stallein

Die Zeitstrafe ist wieder da: Was hat sie bis jetzt gebracht? Eine Umfrage

„Es kann eine gute Sache werden“

Von viel Skepsis begleitet wurde mit Beginn der laufenden Spielzeit im bayerischen Amateurfußball die Zehn-Minuten-Strafe wieder eingeführt.

Bad Tölz-Wolfratshausen – „Völliger Schmarrn“, meinten die Zeitstrafengegner, „tolle Sache“ die Befürworter. Ein halbes Jahr später, da die Hälfte der Saison in den Ligen absolviert ist, hat sich an der Meinung der Trainer wenig geändert.

Wenngleich sich der Platzverweis auf Zeit – zumindest bei den hier befragten Klubs aus dem Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen – nur selten auf das Endresultat ausgewirkt hat.

Eine der wenigen Ausnahmen von der Regel war die Kreisklassen-Partie zwischen dem SV Bad Tölz und den Fußball-Freunden Geretsried: Es lief die 89. Minute, die Gäste aus Geretsried führten 1:0, als deren Mittelfeldspieler Thomas Bucek sich unmittelbar nach einer gelben Karte auch noch eine Zeitstrafe von Schiedsrichter Alois Holzheu einhandelte. Vier Minuten später traf Franz Dietl mit der letzten Aktion des Spiels zum 1:1 für den Gastgeber – wobei es Spekulation bleibt, ob die personelle Unterzahl irgendeinen Einfluss auf den Torwartfehler hatte, der letztlich den Ausgleich massiv begünstigte.

Was auch immer spielentscheidend war, Christos Georgiadis mag die Zehn-Minuten-Strafe trotzdem nicht. „Ich bin nicht begeistert, es hat uns Punkte gekostet“, gibt der FFG-Coach zu – und bemängelt eine fehlende klare Linie bei der Anwendung der Regel durch die Unparteiischen. „Die Schiedsrichter wollen in Ruhe gelassen werden. Aber die Zehn-Minuten-Regelung ist ein überflüssiger Punkt mehr für Diskussionen.“

Kreisliga-Aufsteiger SC Rot-Weiß Bad Tölz hat zwei Mal Erfahrung mit der neuen Regel gesammelt. „Ich finde das im Amateurbereich eigentlich eine gute Sache“, sagt Trainer Sebastian Wagner. Sein Team verlor beide Spiele, die es vorübergehend in Unterzahl bestreiten musste, wobei der Coach nur in einem Fall einen kausalen Zusammenhang zwischen Zeitstrafe und Ergebnis herstellen konnte. Im Heimspiel gegen den TSV Otterfing blieben die zehn Minuten Fehlzeit, die sich Benedikt Ertl in der 44. Minute einhandelte, weil er sich über eine gelbe Karte beschwert hatte, zunächst folgenlos. Als der RW-Verteidiger sich in der 65. Minute dann jedoch ein taktisches Foul an der Außenlinie leistete, blieb dem Unparteiischen nur noch, auch die gelb-rote Karte zu zücken – beim Stand von 2:1 für Bad Tölz. „Das war nicht clever vom Spieler“, so Wagner, der mitansehen musste, dass die verbliebenen zehn Rot-Weißen sich zwischenzeitlicher 3:2-Führung am Ende durch zwei Gegentore in der Schlussphase mit 3:4 geschlagen geben mussten.

Gleich fünf Zeitstrafen mussten Spieler des BCF Wolfratshausen absitzen. Damit liegen sie in der Fairnesstabelle noch im unteren Mittelfeld, denn in der Bezirksliga Süd nutzten die Unparteiischen das neue Instrument, das ihnen der Bayerische Fußballverband an die Hand gegeben hat, so häufig wie in keiner anderen Liga. 68 Mal zeigten die Schiedsrichter an den 18 Spieltagen einem Kicker mit zehn Fingern an, dass er vorübergehend nicht mehr mitmachen durfte. „Die Idee dahinter gefällt mir gut, weil es den Ermessensspielraum des Schiedsrichters erweitert“, sagt Leo Fleischer. Gleichwohl sei es mit dem „Fingerspitzengefühl“ so eine Sache. „Wenn es keine klaren Kriterien gibt, geht die Vergleichbarkeit völlig verloren“, gibt der BCF-Coach zu bedenken. „So wie es bisher eingesetzt wird, habe ich es noch nicht als große Verbesserung wahrgenommen.“

Etwas drastischer drückt es Walter Lang aus. „Ich habe immer gesagt: Für mich ist das vollkommener Unsinn, auch mit dem Ermessensspielraum“, moniert der Trainer des SV Bad Heilbrunn, der als einziger Klub in der Bezirksliga Süd bisher ohne Zehn-Minuten-Strafe ausgekommen ist. „Es gibt Gelb, Gelb-rot und Rot – das ist vollkommen ausreichend“, so Lang, dessen Fazit auch nach einem halben Jahr eindeutig ist: „Ich brauch’s nicht.“

Eine Liga höher geht Daniel Dittmann entspannt mit dem Thema um. „Ich finde es prinzipiell spannend, wenn es was Neues gibt“, sagt der Trainer des TuS Geretsried. Bei fifty-fifty-Entscheidungen gebe es dem Schiedsrichter eine Wahlmöglichkeit mehr, was im günstigen Fall für den Spieler ein besseres Ergebnis bringe, als Gelb-rot oder glatt Rot zu sehen. Srdan Ivkovic und Lukas Kellner kamen in den Genuss. Er habe das Gefühl, erklärt Dittmann, „dass das mit dem Saisonverlauf stark abgenommen hat, anfangs kam es mir häufiger vor – und unkontrollierter.“

„Die Spieler müssen sich daran gewöhnen, die Klappe zu halten“, sagt Stefan Simon, der die Zeitstrafe grundsätzlich als „nicht verkehrt“ einstuft. Drei Mal musste er selbst auf eine eigene Unterzahlsituation reagieren. Dabei stellte er fest: „Es setzt einen schon mehr unter Druck“, so der Coach des Lenggrieser SC. „Aber ich denke, es kann eine gute Sache werden.“

Als „Freund der Zehn-Minuten-Strafe“ gibt sich Christian Feirer zu erkennen: „Ich finde, das wird noch zu wenig eingesetzt. Ich würde mir wünschen, dass die Schiedsrichter es öfter anwenden.“ Dass die Regel irgendwann von allen gutgeheißen wird, erwartet der Interimscoach des FSV Höhenrain nicht. Verhalte es sich damit doch wie mit so vielem anderen beim Fußball: „Unterschiedliche Meinungen wird es weiterhin geben. Das war immer schon so.“ (Rudi Stallein)

Aufrufe: 027.12.2022, 09:45 Uhr
Rudi StalleinAutor