2024-05-02T16:12:49.858Z

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Dem "Jahrhundertspiel" sind in der Chronik des 1. FC Passau mehrere Seiten vorbehalten - hier ein kurzer Blick darin.
Dem "Jahrhundertspiel" sind in der Chronik des 1. FC Passau mehrere Seiten vorbehalten - hier ein kurzer Blick darin. – Foto: 1. FC Passau/Screenshot: Alex Moser

Bis in alle Ewigkeit: Das Jahrhundertspiel Passau vs. Landshut

30. Mai 1992, letzter Spieltag: Die punktgleichen Tabellenführer der Landesliga Mitte, Passau und Landshut, treffen im Dreiflüssestadion aufeinander. Und dann kam Bernhard Meisl...

Stefan Ueberschaar war es erst im Januar 2022, der in Zusammenhang mit dieser Begegnung erstmals den Begriff "Jahrhundertspiel" in den Mund nahm. Die Regionalsport der örtlichen Tageszeitung startete damals eine Serie namens "Das Spiel der Spiele". Der damalige Medienreferent des 1. FC Passau musste nicht lange überlegen und hob die Partie der Dreiflüssestädter gegen die SpVgg Landshut am 30. Mai 1992 ins mediale Schaufenster. Völlig zurecht, wie Beteiligte genauso betonen wie Außenstehende. Denn diese Partie war wahrlich ein "Jahrhundertspiel".

Der Landshuter Seite ist dieser Begriff genauso geläufig wie der Passauer. Norbert Herrmann, seit einer halben Ewigkeit Pressewart und deshalb sowas wie das wandelnde Lexikon der "Spiele", der damalige Landshuter Trainer Horst "Bubi" Oehl, sein Gegenüber Günter Krinner, Torschütze Bernhard Meisl - im Gespräch mit FuPa wissen alle sofort Bescheid, wenn sie nach dem "Jahrhundertspiel" gefragt werden. Sie alle kennen diese Bezeichnung, wissen aber nicht ihren Ursprung oder denjenigen, der sich gewagt hat, sie zum ersten Mal zu verwenden. "Es war einfach ein Jahrhundertspiel", macht "Nore" Herrmann noch einmal deutlich.

Letztlich ist der Urvater dieses Namens auch egal. Denn jeder, der sich mit der Partie Passau vs. Landshut am 30. Mai 1992 näher beschäftigt, wird sagen: Jawoll, das ist ein Jahrhundertspiel! Die Vorgeschichte, die Dramaturgie des Aufeinandertreffens, die Nachwehen - all das führt dazu, dass dieser niederbayerische Gipfel vor über 30 Jahren noch heute allgegenwärtig ist. Norbert Herrmann, Horst Oehl, Günter Krinner und Bernhard Meisl können sich ohne große gedankliche Mühen sofort an Details von besagten Samstagnachmittag erinnnern.

Die Spielzeit 1991/92 der Landesliga Mitte (damals 4. Liga) war insgesamt fest in niederbayerischer Hand. Andere Größen wie der 1. FC Bad Kötzting, der 1. FC Miltach, der ASV Cham und Absteiger FC Amberg hatten das Nachsehen, weil Passau und Landshut groß aufspielten. Die Dreiflüssestädter wurden schon vor der Saison als Mitfavorit eingestuft. Zum Kader gehörten u.a. Torwart Jürgen Fuchs, Ex-Profi Helmut Heininger, der gerade von den Löwen zurückgekehrte Bernhard Meisl, Wiggerl Preis, Otto Huml, Thomas Boxleitner - jeder, der sich etwas näher mit dem Amateurfußball unserer Region beschäftigt, kennt diese Namen. "Ja, wir hatten schon eine sehr gute Mannschaft beinander", erinnert sich Trainer Günter Krinner. "Die brauchten wir aber auch."

Denn die SpVgg Landshut, eher als Mittelfeld-Mitglied eingestuft, ließ einfach nicht locker. Zwar war die "Spiele" nicht mehr so gut aufgestellt wie 1987, als man die Bayernliga-Meisterschaft feiern konnte. Aber auch Spieler wie "Timex" Treimer und Rudi Stenzel waren damals alles andere als Laufkundschaft. "Wir waren vielleicht nicht der große Favorit. Aber wir hatten ein Team mit hervorragender Qualität", blickt der damalige Übungsleiter Horst Oehl zurück.

Und so kam es, wie es offensichtlich kommen musste. Am letzten Spieltag der Saison 91/91 traf der Rangerste Passau auf den punktgleichen Verfolger Landshut. Der absolute Showdown. Das Jahrhundertspiel kündigte sich an. Doch von Nervosität war zunächst auf beiden Seiten keine Spur. Der 1. FCP hatte sogar die Muße, unter der Woche zuvor gegen den VfB Stuttgart zu testen. Der damals frisch gekrönte Meister weilte in Bad Füssing. Doblhofer, Hois & Co. siegten 4:3 gegen gegen die hochkarätig besetzten Schwaben mit Weltmeister "Diego" Buchwald, Matthias Sammer und Christoph Daum an der Seitenlinie. "Da haben wir echt sehr gut gespielt und uns das nötige Selbstvertrauen für das Landshut-Spiel geholt", erzählt Krinner. Davon, dass das Ganze auch in die Hose hätte gehen könnten - Stichwörter: Verletzungen, Müdigkeit, Selbstvertrauen - will der 66-Jährige nichts wissen. Andere Zeiten, andere Sitten.

Auch die "Spiele" übte sich vor dem "Jahrhundertspiel" in Normalität. Als das Team dann allerdings am Dreiflüssestadion mit dem Bus vorfuhr, wurde den Bezirkshauptstädtern doch etwas mulmig. Oehl: "Da stand eine ewige Schlange am Kassenhäuschen an. Spätestens da war uns bewusst, dass heute etwas Besonderes geschehen wird." Der 1. FC Passau schreibt in seiner Chronik von 8.500 Zuschauern, in den Medien war von 8.000 Fans die Rede, Horst Oehl will mitbekommen haben, dass 11.000 Menschen vor Ort waren - und manche sprechen sogar von 15.000. Die genaue Zahl ist letztlich Makulatur. Fest steht: Die Kulisse war atemberaubend.

Über das Niveau der Begegnung an sich scheiden sich die Geister. In der FCP-Chronik ist ein "von Taktik geprägtes Spiel" dokumentiert. Horst Oehl hat ein Spiel gesehen, dass allen voran "von der Spannung" lebte. Und Günter Krinner: "Die Bayern-Spiele heute sind ja großteils zum Einschlafen. Diese Partie war das Gegenteil." Man kannte sich, man schätzte sich, man wusste aber auch, wie man dem Gegner weh tun kann. So stellte beispielsweise Passau früh um. "Bei Landshut kam Hubert Rauscher überraschenderweise über die linke Seite. Als ich das gesehen habe, habe ich sofort umgestellt und Meisl gegen Preis getauscht. Denn da Wiggerl war meines Erachtens gegen Rauscher die bessere Option."

Und so kam es, wie es offentlichlich kommen musste. Das Feld - genauer gesagt der Rasen des ehrwürdigen Dreiflüssestadions - war bestellt für einen großen Helden des Tages. Und kein Geringerer als Bernhard Meisl konnte sich diesen Titel sichern. Auf Vorlage von Otto Huml erzielte der Mittelfeldspieler in der 83. Minute das einzige Tor der Partie und sorgte dafür, dass das Stadion explodierte. "Ja, meine Karriere hatte viele Highlights. Aber dieses Spiel und dieses Tor zählen zu den Top 3", sagt Bernhard Meisl, der u.a. für den FC Bayern München und den TSV 1860 München kickte. "Erst kürzlich hat sich die Meistermannschaft wieder einmal getroffen. Und natürlich wurde da dann hauptsählich über diese Begegnung gesprochen." Auch wenn es fast unvorstellbar ist, aber getoppt wurden die Emotionen dann noch einmal, als Landshut Rudi Stenzel kurze Zeit später "nur" den Innenpfosten traf.

Landshut war geschlagen, Passau oben auf. Irgendwie logisch, dass sich Günter Krinner deshalb gerne an diesen Tag, an diese Begegnung, an das Jahrhundertspiel erinnnert. Doch auch Horst Oehl blickt alles in allem positiv auf den 30. Mai 1992 zurück: "Das sind doch genau die Spiele, für die man all die Mühen auf sich nimmt." Doppeltes Trostpflaster für die "Spiele": Gleich nach der Partie lud der Sponsor auf eine Schifffahrt ein. "Unabhängig von Sieg oder Niederlage. Und das war sehr wichtig." Denn so konnte Oehl die Mannschaft gleich wieder aufrichten, und zwei Wochen später nach Siegen über den FC Gundelfingen und Türk Gücü München zum Bayernliga-Aufstieg über die Relegation führen.

So trafen Passau und Landshut eine Etage höher wieder aufeinander. Einmal siegte die Spiele, einmal der 1. FCP. Beide sicherten die Klasse. Auch eine große Leistung, immerhin war die Bayernliga damals die dritthöchste Spielklasse Deutschlands - die Gegner hießen TSV 1860 München, FC Augsburg und Jahn Regensburg. Doch ein Jahrhundertspiel haben beide Vereine nur eins. Bis in alle Ewigkeit...

Aufrufe: 011.2.2023, 11:30 Uhr
Helmut WeigerstorferAutor