2024-04-29T14:34:45.518Z

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Das ganze Turnier über hat sich die Mannschaft als verschworene Einheit präsentiert. Das zeigt sich beim Jubel
Das ganze Turnier über hat sich die Mannschaft als verschworene Einheit präsentiert. Das zeigt sich beim Jubel – Foto: IMAGO

Auf den Spuren von Mario Götze: Der U17-Europameister aus Eichenried

Maxi Hennig

Im November riss sich Maxi Hennig drei Bänder in der Schulter – Sechs Monate später ist er nun U17-Europameister.

Eichenried – Erstmals seit 2009 hat eine deutsche U17-Nationalmannschaft die Europameisterschaft gewonnen. Damals unter anderem im Kader: Marc-André ter Stegen, Shkodran Mustafi und Mario Götze. Diesmal dabei: der Eichenrieder Maxi Hennig.

Den 5:4-Elfmeter-Krimi gegen Frankreich erlebte der 16-Jährige von der Bank aus. In der Vorrunde war er beim 4:0-Sieg über Portugal eingewechselt worden, beim 3:0 über Schottland stand er in der Startelf.

Das hätte er sich im November vergangenen Jahres nicht im Traum gedacht, als sich der Linksverteidiger des FC Bayern im U17-Bundesliga-Spiel gegen die Stuttgarter Kickers alle Bänder in der Schulter riss. Nach drei Monaten Sportverbot arbeitete sich der Realschüler wieder heran, war schnell Stammspieler des FCB und durfte mit zwei Kollegen vom FC Bayern mit zur EM nach Ungarn. Gemeinsam mit seinem Vater und Berater Marc Hennig war er Gast in der Sportredaktion.

Glückwunsch zum EM-Titel. Aber fangen wir mit dem Unerfreulichen an: jenes Bundesliga-Spiel im vergangenen November.

Maxi Hennig: Stimmt, Tossy 3.

Tossy 3?

Marc Hennig: Maxi hat sich alle Bänder in der Schulter gerissen und musste operiert werden. Maxi Hennig: Ich bin im vollen Tempo gefoult worden und auf die Schulter gefallen.

Marc Hennig: Am nächsten Tag begann der DFB-Lehrgang in der Türkei. Bitter.

Interview mit einem Europameister: EA/DA-Sportchef Dieter Priglmeir im Gespräch mit U17-Nationalspieler Maxi Hennig und seinem Vater Marc.
Interview mit einem Europameister: EA/DA-Sportchef Dieter Priglmeir im Gespräch mit U17-Nationalspieler Maxi Hennig und seinem Vater Marc. – Foto: Markus Schwarzkugler

Wie lange warst du außer Gefecht?

Maxi Hennig: Drei Monate durfte ich keinen Kontaktsport bestreiten.

Für einen Sportler ist das doch die Hölle, so lange pausieren zu müssen. Wie unleidig war denn der Sohn in der Zeit?

Marc Hennig: Ging schon. Aber anfangs hatte er extreme Schmerzen.

Maxi Hennig: Die ersten Tage konnte ich überhaupt nicht schlafen.

Hennig: Sportlich war es auch bitter, weil zu dieser Zeit die U17 des FC Bayern noch gut im Rennen um die deutsche Meisterschaft lag.

Wann bist du dann wieder ins Training eingestiegen?

Maxi Hennig: Mitte Februar. Es war ein Wettlauf mit der Zeit. Aber ich war dann tatsächlich im ersten Punktspiel nach der Winterpause – das war gegen Hoffenheim – wieder dabei.

Marc Hennig: Das war eine Punktlandung. Aber ihm ging die Praxis ab. Und während dieser Zeit hatten seine Kollegen von der Nationalmannschaft zwei Lehrgänge und den Algarve-Cup. Vom normalen Training ganz zu schweigen.

Umso überraschender, dass du dennoch für die EM nominiert wurdest.

Maxi Hennig: Unser Coach Christian Wück hat mir nach meinem Einstieg ins Training schon früh signalisiert, dass ich beim nächsten Mal wieder dabei bin, falls nichts passiert. Das war für mich schon etwas Besonderes, weil es ja der Lehrgang vor der EM war. Marc Hennig: Das war eine tolle Wertschätzung, die der Trainer Maxi gab. Ein Vertrauensbeweis, denn Maxi konnte ja nach drei Wochen Training noch nicht bei 100 Prozent sein.

Und dann kam die EM. Wie dürfen wir uns so ein Turnier vorstellen?

Maxi Hennig: Die ersten Tage realisiert man das gar nicht richtig. Du trainierst halt. Aber dann merkst du plötzlich, was das für eine Größenordnung hat und wie professionell das abläuft.

Was war euer internes Ziel? Ihr galtet ja nicht als die ganz großen Favoriten.

Maxi Hennig: Unser erstes Ziel war das Halbfinale. Das wäre die WM-Qualifikation.

Oha, Halbfinale. So selbstbewusst seid ihr also durchaus gewesen?

Maxi Hennig: Mehr noch. Der Trainer hat bei der Eröffnungsrede gesagt, dass wir das Turnier gewinnen können. Da wurde er von jedem belächelt, weil wir gegen Portugal in der Vorbereitung zweimal nicht gewonnen hatten. Nach der Gruppenphase haben wir aber schon gemerkt, dass wir gut sind. Ach, eigentlich schon nach dem ersten Spiel.

...nachdem ihr Portugal 4:0 weggeschossen hattet.

Maxi Hennig: Ja, wir ahnten, dass wir gute Chance haben. Wir wussten aber auch, dass wir sechs Spiele gewinnen müssen. Deshalb konnten wir uns nach keinem Sieg so richtig ausgelassen freuen, weil es ja immer weitergeht. Und weil du in den K.o.-Spielen auch ganz schnell draußen sein kannst.

Kann man nach einem 4:0 gegen Portugal tatsächlich gleich den Fokus auf das nächste Spiel legen?

Maxi Hennig: Wir hatten am nächsten Tag Regeneration, da ging es auch lustig zu. Am Tag darauf war dann schon wieder Abschlusstraining fürs nächste Spiel.

Aber da wartete ja auch schon Frankreich, also der Titelverteidiger. Habt ihr dann wenigstens nach dem 3:1 gegen Frankreich richtig gefeiert?

Maxi Hennig: Wir waren zwar damit schon sicher Gruppenerster. Wir wollten aber bester Gruppenerster werden, damit wir im Falle einen Viertelfinal-Aus’ noch eine Chance auf Platz fünf hätten, denn der qualifiziert sich auch für die WM im November.

Gegen Schottland stand der Eichenrieder in der Startelf.
Gegen Schottland stand der Eichenrieder in der Startelf. – Foto: Privat

Das dritte Spiel gegen Schottland war also kein reines Gaudispiel

Maxi Hennig (lacht): Nein. Ganz bestimmt nicht.

Da warst du dann in der Startelf? Einlaufen, Nationalhymne – wie war das?

Maxi Hennig: Nervosität ist natürlich immer da. Aber es war eher eine Anspannung, eine gute Anspannung.

Was waren für dich die schönsten Momente bei der EM?

Maxi Hennig: Das gemeinsame Jubeln und Feiern nach den Siegen. Der Zusammenhalt im Team war wirklich super.

Auch an dem Tag, als die Bundesliga entschieden wurde? Gab’s da nicht den einen oder anderen Spruch der Dortmunder oder der Bayern?

Maxi Hennig: Wir hatten da am Abend unser Viertelfinale gegen die Schweiz. Wir durften deshalb vorher nicht über die Bundesliga reden. Nach unserem Spiel haben wir drei Bayern-Spieler uns sehr gefreut über die gewonnene deutsche Meisterschaft. Marc Hennig: Maxi spielt bei den Bayern seit der F-Jugend und ist schon immer Bayern-Fan. Maxi Hennig: Aber insgesamt war’s nicht das große Thema. Wir haben uns einfach auf unsere EM konzentriert.

Also zurück zur EM: Du hast einige Länderspiele hinter dir. Was ist anders bei so einem Turnier?

Maxi Hennig: Die Qualität und Intensität ist deutlich höher. Jeder Fehler wird bestraft. Deswegen geht es im Spiel vor allem darum, dass du keine Fehler begehst und solide spielst. Es geht um Effizienz. Alles ist körperlicher, schneller, viel anstrengender. Marc Hennig: Joti Chatzialexiou, der Sportliche Leiter des DFB, hat das gut gesagt: Ihr könnt so viele Meisterschaften gewinnen, wie ihr wollt. Aber das hier ist eine EM. Da spielen nur die Besten der Besten. Das hier ist noch einmal ein ganz anderes Niveau. Da war einer dabei, der bei Barca schon in der Ersten gespielt hat – als Jahrgang 2007. Das sind schon Ausnahmefußballer.

Welche Spieler sind dir besonders aufgefallen?

Maxi Hennig: Frankreich hat eine ganze Menge sehr starker Spieler. Und überhaupt hat jede Mannschaft einige riesige Talente.

Das war doch ein Fest für die Späher der großen Vereine? Nehmen die dann gleich Kontakt auf mit euch Spielern?

Maxi Hennig: Wenn, dann machen sie das über den Berater, also meinen Vater. Marc Hennig: Das passiert nicht unmittelbar nach dem Turnier. Die Spieler werden danach sondiert, angeschaut und ihre Daten geprüft. Heute ist das nicht mehr so, dass die Vereine einen Spieler wollen, sondern einen Außenverteidiger für links oder einen Innenverteidiger oder Stürmer. Der Trainer sagt auch noch, ob er einen schnellen Mann braucht, einen technisch oder defensiv starken oder einen mit was weiß ich noch für Qualitäten.

Und das liefern Daten?

Marc Hennig: Natürlich. Maxi trainiert und spielt mit einem Chip, der jeden Lauf, jeden Zweikampf, jede Flanke aufnimmt und misst.

Du wirst bei jedem Spiel und Training vermessen?

Maxi Hennig: Ja, das läuft über die Herzfrequenzen. Marc Hennig: Da kommst du gar nicht mehr aus. Die Vereine wollen diese Daten: Wie belastbar bist du? Wie viel Kilometer schrubbst du runter? Bist du im Zweikampf gut? Das ist zum Beispiel eine Stärke vom Maxi. Aber es kommt drauf an, was der Trainer will. Maxi hat viele Anfragen, doch gleich nach dem Turnier findet so etwas nicht statt. Aber das ist heute ja auch nicht das Thema.

Dann zurück zur EM: Wärst du eigentlich ohne Verletzung auf der linken Seite gesetzt gewesen?

Maxi Hennig: Das kann man so nicht sagen. Die Gewähr hat niemand. Wer nicht auf 100 Prozent ist, spielt nicht.

Aber du hast dir ja schon einen gewissen Respekt verschafft. Hast du einen direkten Konkurrenten auf deiner Position?

Maxi Hennig: Jede Position ist doppelt besetzt. Da ist der Konkurrenzkampf groß.

Wie war denn überhaupt der Zusammenhalt?

Maxi Hennig: Richtig gut. Das hat man ja auch auf dem Platz gesehen, denn wir sind in der zweiten Halbzeit immer zurückgekommen.

Und außerhalb vom Platz?

Maxi Hennig: Natürlich nervt dich der eine oder andere mal, wenn du drei Wochen zusammen verbringst. Aber wir hatten sehr viel Spaß, und jeder ist mit jedem gut ausgekommen. Grüppchenbildung gab es nicht.

Wie hast du das Elferschießen erlebt? Frankreich hatte drei Matchbälle.

Maxi Hennig: Ich hatte es im Gefühl, dass wir trotzdem gewinnen, denn unser Torwart hat einfach ein perfektes Turnier gespielt. Und wir hatten ja vorher schon ein Elfmeterschießen gewonnen.

Was ging in dir vor, als euer letzter Elfer verwandelt war?

Maxi Hennig: Da kommt alles auf einmal in dir hoch. Zuerst denkst du dir nur: Wir haben gewonnen! Aber in den Tagen darauf kommt es einem erst, was man da geschafft hat. Schon irre, was dann auch plötzlich alles über uns geschrieben wurde.

Marc Hennig: Und dann der Empfang in Berlin vor 70 000 Zuschauern beim DFB-Pokalfinale.

Maxi Hennig: Wir wurden in der Halbzeitpause geehrt. Hansi Flick hat als erstes gratuliert. Marc Hennig: Was mich freut, war der persönliche Gruß von David Raum, direkt an Maxi gerichtet. Maxi Hennig: Eigentlich ging es ja schon zwei Tage vor unserem Endspiel los, als uns der DFB-Präsident besuchte und sagte, dass ganz Fußballdeutschland auf uns blickt.

Als U 17-Champ steht Hennig in einer Reihe mit Marc-Andre ter Stegen, Shkodran Mustafi und Mario Götze.
Als U 17-Champ steht Hennig in einer Reihe mit Marc-Andre ter Stegen, Shkodran Mustafi und Mario Götze. – Foto: Privat

Ihr habt ja auch Historisches geschafft. Die letzten U17-Europameister waren ter Stegen, Götze...

Maxi Hennig: Schon krass, wenn man das liest.

Und du trinkst wirklich keinen Alkohol?

Maxi Hennig: Ich sehe keinen Sinn dahinter. Das wirft mich nur zurück, und ich kann auch so Spaß haben.

EM-Helden: Maxi Hennig und Finn Jeltsch (r.) genießen den Moment.
EM-Helden: Maxi Hennig und Finn Jeltsch (r.) genießen den Moment. – Foto: IMAGO

Wie lange habt ihr eigentlich gefeiert?

Maxi Hennig: Erst mal war ein Bankett mit Eltern und Freunden, und dann haben unsere Teambetreuer was organisiert.

Ohne fette Zigarren.

Marc Hennig (lacht): Vielleicht bei den Betreuern. Außerdem darf man nicht vergessen: Es sind ja noch viele 16-Jährige dabei.

Bist du eigentlich der Jüngste im Team?

Maxi Hennig: Zwei Jüngere gibt’s noch, aber von der Körpergröße her bin ich mit Fayssal Harchaouio vom 1. FC Köln der Kleinste.

Marc Hennig: Die Körpergröße war ein deutscher Vorteil während des Turniers. Maxi Hennig: Wir haben viel Wert auf Standards gelegt, und dann ja auch fast in jedem Spiel daraus ein Tor gemacht.

Stimmt es, dass ihr auch zwei Lehrer mit dabei gehabt habt? Oder ist das ein DFB-Marketing-Gag?

Maxi Hennig: Doch, das ist tatsächlich so. Wir haben täglich Unterricht und bekommen auch Aufgaben.

Marc Hennig: Wir sind sehr froh darüber, dass die Realschule in Oberding Maxi so unterstützt. Sie stellen ihn bei Lehrgängen frei, geben ihm aber auch die nötigen Lernunterlagen mit. Die DFB-Lehrer versuchen das umzusetzen.

Gönnst du dir jetzt eine Fußballpause?

Maxi Hennig: Ich hatte eine Woche Pfingstferien und Fußballpause. Mit dem Schulstart beginnt auch wieder das Training, da wir am 17. Juni mit der U19 des FC Bayern ein DFB-Pokalspiel haben. Es geht also fast gleich weiter.

Aufrufe: 012.6.2023, 08:00 Uhr
Dieter PriglmeirAutor