2024-05-02T16:12:49.858Z

FuPa Portrait
Phillip (links) und Lukas Boll ziehen im Mittelfeld des SV Ottensen die Fäden.  Fotos: Michael Brunsch
Phillip (links) und Lukas Boll ziehen im Mittelfeld des SV Ottensen die Fäden. Fotos: Michael Brunsch

Zwillinge kicken für den SV Ottensen

Phillip und Lukas Boll sind das Herzstück im Mittelfeld

In der 1. Kreisklasse Stade ist es eher eine Seltenheit, dass Zwillinge in einem Team kicken. Beim Meisterschaftsanwärter SV Ottensen spielen die 28-jährigen Phillip und Lukas Boll seit der Saison 2015/2016 eine führende Rolle im zentralen Mittelfeld. Es gibt nur Kleinigkeiten, an denen man sie unterscheiden kann. Fußballerisch gehören die beiden nicht nur im eigenen Team zur gehobenen Klasse, sondern in der gesamten Liga. Für ihren Freizeitsport nehmen sie Woche für Woche einen weiten Weg nach Ottensen in Kauf.

Die Boll-Zwillinge, geboren in Harburg, das sind Lukas, von Beruf Niederlassungsleiter zweier Standorte einer Zeitarbeitsfirma in Hamburg und Fan des FC Bayern München, wohnhaft in Harburg, und Phillip, Beamter in der Zollverwaltung des Zollfahndungsamtes, Fan von Real Madrid und wohnhaft in Rosengarten- Nenndorf. Beide sind noch ledig, doch Lukas wagt im September den Schritt in die Ehe mit Freundin Tina.

Lukas mit seiner zukünftigen Frau Tina.
Lukas mit seiner zukünftigen Frau Tina.

„Ich bin wahrscheinlich etwas chaotischer, während mein Bruder deutlich zielstrebiger ist. Bei mir dauerte es länger, bis ich den richtigen Weg eingeschlagen hatte. Im Beruf und Sport bin ich sehr teamfähig. An meiner Pünktlichkeit muss ich sicherlich arbeiten“, sagt Phillip, der froh sei, den rechten Fuß beim Fußball zum Stehen zu haben. „Ich bin schon strukturierter und vermutlich der etwas Ruhigere. Ruhe tut unserer Mannschaft manchmal ganz gut“, fügt Lukas schmunzelnd hinzu. Die Zwillinge begannen ihre Fußballlaufbahn mit etwa sieben Jahren beim FTSV Altenwerder, wo sie bis zur A-Jugend kickten. Im Doppelpack ging es dann weiter zum Moorburger TSV. 2015 sollten sich ihre Wege auf dem Fußballplatz zunächst trennen. Während es Lukas durch den damaligen Arbeitskollegen Tristan Berndt zum SV Ottensen zog, ging Phillip zurück zum Stammverein nach Altenwerder. Bereits ein halbes Jahr später, im Januar 2016, standen die beiden dann doch wieder gemeinsam auf dem Platz. Phillip wechselte ebenfalls in den Landkreis Stade.

So kann man sie unterscheiden: Phillip trägt jetzt einen Bart. Bleibt das so?.
So kann man sie unterscheiden: Phillip trägt jetzt einen Bart. Bleibt das so?.

In Ottensen spielen die Linksfüßler wichtige Rollen im Mittelfeld, sorgen für einen gepflegten Spielaufbau. „Phillip und Lukas übernehmen immer mehr Verantwortung. Fußballerisch ist es ein ganz starkes Duo, manchmal noch etwas verspielt. Sie haben ein sehr gutes Fußballverständnis und immer ein Auge für die Situation und sind auf jeden Fall ein Gewinn für unsere Mannschaft. Ich bin froh, dass auf dem Trikot und auf den Anzügen Nummern stehen, da ich manchmal Probleme habe, sie auseinanderzuhalten“, so Trainer Ralf Böhling über die beiden. 2018 holte sich der SV unter ihrer Regie in der 1. Kreisklasse die Meisterschaft und stieg in die Kreisliga auf. Nur ein Jahr später folgte bereits der Abstieg. Im kommenden Sommer könnte es allerdings den erneuten Aufstieg geben. Aufstiege mit dem Moorburger TSV und Ottensen gehörten zu den bisherigen sportlichen Highlights. „Hinzu kommt noch ein Jugendspiel, in dem wir damals zur Pause 0:4 zurücklagen und am Ende 5:4 gewannen“, sagt Lukas, der einen Tick größer ist als sein Bruder.

Lukas Boll nimmt Wiepenkathens Andrej Miller den Ball ab, Phillip beobachtet aus dem Hintergrund.
Lukas Boll nimmt Wiepenkathens Andrej Miller den Ball ab, Phillip beobachtet aus dem Hintergrund.

Tiefpunkt war der am Ende bittere direkte Abstieg mit dem SV Ottensen aus der Kreisliga. Hier gab es in der Rückserie fast nur noch Niederlagen, da einige wichtige Spieler nicht zur Verfügung standen und manchmal gerade mal elf Akteure zu den Partien fuhren. „Da verliert man dann auch mal 1:12 in Stade, wo man keinen etatmäßigen Torhüter hatte und im zweiten Durchgang mit zehn Spielern zu Ende spielen musste. Im Laufe der Saison setzten wir mindestens sechs verschiedene Torleute ein“, so die Zwillinge, bei denen sich Phillip netterweise einen Bart hat wachsen lassen. Ansonsten sehen sie sich für Außenstehende verdammt ähnlich. Vor vielen Jahren nutzten sie das auch mal aus. Lukas, der meistens den etwas defensiveren Part spielt, hatte früh Gelb gesehen und war dann auch Gelb/Rot gefährdet. Da wurden in der Halbzeit einfach mal die Trikots getauscht. Diese Aktion ist bereits verjährt. Bart und die geringe unterschiedliche Größe sind optische Erkennungsmerkmale.

Phillip spielt meistens den offensiveren Part, ist dadurch torgefährlicher.
Phillip spielt meistens den offensiveren Part, ist dadurch torgefährlicher.

Die geschossenen Tore in den letzten fünf Jahren sind schwarz auf weiß bei FuPa zu lesen. 36:16 führt da Phillip, der sich als Ziel setzte, endlich mal eine zweistellige Trefferzahl am Saisonende zu erreichen. Das hat er bereits jetzt geschafft. „Hauptsächlich möchte ich aber weiterhin Spaß am Fußball haben und mit dem SV wieder in die Kreisliga aufsteigen und das Team dann dort etablieren“, betont Phillip, der Fan des ehemaligen brasilianischen Nationalspielers Ronald „El Phenomeno“ ist. Lukas, Fan von Thiago und Toni Kroos, sieht das mit dem Spaß genauso, möchte aber unbedingt mal mit seinem Bruder zusammen im Sturm spielen. Der einfache Weg vom Wohnort zum Verein nach Ottensen dauert in der Regel etwa eine halbe Stunde. Warum die beiden sympathischen Fußballer bereits fünf Jahre diesen weiten Weg auf sich nehmen, haben sie schnell erklärt: „Es ist eine gute Truppe, in der es Spaß macht zu spielen. Außerdem gibt es im Landkreis Stade, anders als im Hamburger Raum, fast nur Rasenplätze.“

Phillip und Lukas haben im Spiel einiges zu besprechen. Sie geben oft gemeinsam den Takt im Mittelfeld an.
Phillip und Lukas haben im Spiel einiges zu besprechen. Sie geben oft gemeinsam den Takt im Mittelfeld an.

Seit nunmehr mehr als 20 Jahren spielen die Boll-Zwillinge jetzt zusammen Fußball. Da kann man sich dann schon mal blind verstehen. Und das nicht nur auf dem Fußballplatz. Sie denken häufig das Gleiche, sind sich in den meisten Situationen sehr ähnlich und können sich zu 100 Prozent aufeinander verlassen. Und Phillip legt noch einen drauf: „Was Lukas in einer relativ kurzen Zeit schon erreicht hat und welchen Weg er genommen hat, bewundere ich und macht mich stolz.“ Rührende Worte zum Abschluss eines netten Gespräches mit doch sehr gleichen Zwillingen.

Aufrufe: 02.4.2020, 10:30 Uhr
Michael BrunschAutor