2024-05-16T14:13:28.083Z

Interview
Tobias Haupt (re.) lauscht den Worten von Oliver Bierhoff.
Tobias Haupt (re.) lauscht den Worten von Oliver Bierhoff. – Foto: Getty Images

Zurück in die Weltspitze - ein Niederbayer soll helfen

Unverhofft kommt oft: Prof. Dr. Tobias Haupt (36) aus Landshut im FuPa-Interview über seine Tätigkeit als Leiter der DFB-Akademie

Der deutsche Fußball soll nach mageren Jahren zurück in die Weltspitze; das ist die Devise beim DFB. Ein Niederbayer aus Landshut soll dabei tatkräftige Unterstützung leisten. Prof. Dr. Tobias Haupt leitet seit 1. Oktober 2018 die DFB-Akademie in Frankfurt. Der 36-jährige Ex-Torwart wurde jüngt vom "Kicker" als "Professor mit Bolzlplatzmentalität" bezeichnet. Diese Mischung wäre laut dem Fachmagazin erfolgsversprechend. FuPa hat sich mit Tobias Haupt unterhalten: Über seine Rolle und sein Aufgabengebiet, seine Verbundenheit zum Amateurfußball in Bayern und die Frage, ob er nun, da die Europameisterschaft ins nächste Jahr verschoben wurde, überhaupt etwas zu tun hat?
FuPa: Herr Haupt, Corona legt derzeit den Fußball lahm. Keine Bundesliga, keine Europameisterschaft, kein Amateurfußball. Sind Sie derzeit unterbeschäftigt oder gibt`s derzeit für Sie, der sich die Digitalisierung auf die Fahnen geschrieben hat, sogar mehr zu tun?
Prof. Dr. Tobias Haupt (36): In dieser für alle Menschen schwierigen Phase haben wir tatsächlich sehr viel zu tun, sogar ein Stück weit mehr als zuvor. Zum einen sind wir als Wegbereiter für unsere Nationalmannschaften für unsere Trainer, Spieler und Experten mit konkreten Lösungen für aktuelle Problem da - zurzeit in erster Linie digital - zum anderen ist die DFB-Akademie auch verantwortlich für die Trainerausbildung in Deutschland. Wir haben deshalb in den vergangenen Wochen einige Nachtschichten eingelegt, um ausgewählte Inhalte des Fußball-Lehrer-Lehrgangs über unseren digitalen Campus abbilden zu können, auch Inhalte der weiteren Lizenzstufen werden momentan digitalisiert. Damit können wir sicherstellen, dass wir in der Trainerausbildung keinen Leerlauf haben. Die Einheiten auf dem Platz holen wir dann einfach nach, wenn es die Umstände wieder zulassen.

Inwiefern unterscheidet sich Ihre Arbeit im Moment von den Aufgaben in normalen Zeiten?
Es ist ganz klar ein anderer Arbeitsalltag, weil ich es gewohnt bin, sehr viel unterwegs zu sein. Eine meine Kernaufgaben ist es, sehr eng an unserer sportlichen Leitung und an den Mannschaften dran zu sein. Wir wollen aber nicht nur unsere Nationalmannschaften, sondern auch den gesamten Fußball weiterentwickeln, weswegen ich auch viel in der Bundesliga unterwegs bin. Normal bin ich in sehr engem Austausch mit den Sportdirektoren und Trainern. Das ist jetzt natürlich ein Stück weit schwieriger, weil die persönlichen Gespräche wegfallen. Viel decke ich mit meinem Team über Videokonferenzen ab. Ich nutze die Zeit im Moment aber auch, um inhaltliche und konzeptionelle Weichen für die Zeit nach Corona zu stellen.

»Die DFB-Akademie darf kein Elfenbeinturm sein.«

Sind Sie im regen Austausch mit den Nationalspielern und Trainerstab um Jogi Löw?
Ja, der Kontakt ist sehr intensiv. Das ist auch essentiell, denn von Anfang an lautete mein Credo: Die DFB-Akademie darf kein Elfenbeinturm sein. Wir sind viel mehr Umsetzer und Impulsgeber für unsere Mannschaften und für die Schlüsselpositionen im deutschen Fußball. Wir suchen mit unseren Experten permanent nach den ein, zwei Prozent an Leistungsoptimierung in den unterschiedlichen Bereichen. Die Akademie kann daher nur erfolgreich sein, wenn wir den Trainern, Spielern und Experten konkrete Lösungsvorschläge an die Hand geben können. Deshalb ist es für uns so wichtig zu wissen, welche Herausforderungen in der Praxis die Spieler und Trainer haben.

Wie kommt man eigentlich zu einer Anstellung beim DFB, immerhin der größte Einzelsportverband der Welt. Einfach per ganz gewöhnlicher Bewerbung?
Nein, ganz im Gegenteil, das kam sehr unverhofft. (lacht) Ich war eigentlich in München, oder besser gesagt in Ismaning, sehr zufrieden mit meinem Job. Ich durfte das Internationale Fußball-Institut mit aufbauen. Über einen "Headhunter" kam dann eine Anfrage von Oliver Bierhoff. Anschließend haben wir uns zu einem persönlichen Gespräch getroffen und ich war Feuer und Flamme für die Aufgabe. Es war eigentlich nicht Teil meiner Lebensplanung, den Job in München aufzugeben. Aber manchmal kommen die schönsten Jobs eben unverhofft. (schmunzelt)

Seine Meinung ist gefragt: Tobias Haupt im Interview.
Seine Meinung ist gefragt: Tobias Haupt im Interview. – Foto: Getty Images


Zu Ihren Hauptaufgaben beim DFB zählen "Entwicklung und Innovation". Zwei breitgefächerte Begriffe. Was muss man sich konkret darunter vorstellen?
Innovation ist für uns nicht unbedingt die neueste technologische Erfindung, sondern vielmehr eine Haltung, die wir tagtäglich leben. Unsere Experten arbeiten ganz eng mit den Teams in den Bereichen Athletik, Psychologie, Ernährung, Scouting und Analyse bis hin zu positionsspezifischem Training und Persönlichkeitsentwicklung zusammen. Gleichzeitig gibt`s bei uns einen Technologiebereich, in dem wir uns die neuesten Entwicklungen ansehen und austesten. Was können wir beispielsweise von anderen Sportarten lernen, das auch für den Fußball Sinn macht? Und dann ist da noch der zukunftsgerichtete Blick: Wir beobachten neue Entwicklungen, die vielleicht in zwei, drei Jahren interessant werden bzw. was wir auf der Agenda haben und jetzt schon antesten sollten.

Der DFB macht- vorsichtig ausgedrückt - nach wie vor eine schwierige Phase durch. Nach dem WM-Triumph 2014 ging vieles schief. Negativer Höhepunkt mit Sicherheit die völlig verkorkste Weltmeisterschaft 2018. Vor und nach der Blamage in Russland gab der DFB auch in der Außendarstellung eine bedenkliche Figur ab. Wie nehmen Sie die Vorgänge wahr und wie wird gegengesteuert?

Ich bin erst nach der WM 2018 zum DFB gekommen, aber seitdem erlebe ich viele positive Dinge. Der Nationalmannschaft ist bewusst, dass ein zu starkes Abschotten, wie es rund um die WM 2018 auf viele Menschen wirkte, wenig hilfreich ist. Das Team, die Spieler, alle suchen wieder deutlich mehr die Nähe zu den Fans. Das kann man ganz klar beobachten. Und das Schöne daran ist: Der Impuls kommt von den Spielern selbst. Wir haben jetzt eine neue Generation in der Mannschaft, die sich sehr viele Gedanken über ihre Rolle in der Gesellschaft macht. Das haben aus meiner Sicht auch die jüngsten Spendenaktionen der Spieler zur Bekämpfung des Coronavirus gezeigt. Deshalb macht mir der Job auch so viel Spaß, weil die Jungs sehr reflektiert sind und ihr Tun hinterfragen. Ich bin mir sicher, wir werden an der neuen Nationalmannschaft noch viel Spaß haben.

'Die Mannschaft': »Authentizität ist das Wichtigste. Es hilft nichts, einen Slogan zu kreieren, hinter dem die Spieler nicht stehen würden.«

Ein Reizthema war auch der Slogan "Die Mannschaft", der vielen gar zu gekünstelt rüber kam.
Ein Slogan verstärkt grundsätzlich einen gewissen Wiedererkennungswert. Die Nationalmannschaft hat eine internationale Strahlkraft, und egal wo wir auf der Welt sind, in Brasilien, Neuseeland oder Südafrika, jeder nennt die Nationalelf als "Die Mannschaft". Daher wurde die Bezeichnung übernommen. Aber wir wissen ganz klar: Authentizität ist das Wichtigste. Es hilft nichts, einen Slogan zu kreieren, hinter dem die Spieler nicht stehen würden. Ich glaube aber, mittlerweile haben wir einen sehr guten Weg gefunden, diesen Namen mit positiven Verbindungen aufzuladen.

Wie wird sich Ihrer Meinung nach der Fußball durch die derzeitige Krise verändern?
Es wird Langzeitfolgen für die gesamte Gesellschaft geben. Der Fußball ist ein sehr bedeutender Teil für unsere Gesellschaft und die Menschen, gleichzeitig wird er von den Folgen der Coronakrise keineswegs verschont bleiben. Wie die Auswirkungen aussehen werden, kann man zu diesem frühen Stadium der Pandemie nur mutmaßen. Aber auch mir fehlt der Fußball extrem. Ich sehne mich wie viele Millionen andere Menschen auch danach, dass die Kugel wieder rollt. Und ich hoffe inständig, dass wir vielleicht ab Herbst auch wieder Länderspiele sehen werden. Schließlich ist die Nationalmannschaft ja sozusagen das letzte Lagerfeuer der Gesellschaft. (lacht)

Tobias Haupt leitet die DFB-Akademie in Frankfurt.
Tobias Haupt leitet die DFB-Akademie in Frankfurt. – Foto: Getty Images


Zu guter Letzt ein Blick auf Ihre aktive Karriere. Sie waren für die SpVgg Landshut, den SC Fürstenfeldbruck, den FC Ergolding und den TSV Buchbach unterwegs. Verfolgen Sie das Geschehen der genannten Klubs noch bzw. was im bayerischen Fußball passiert?
Natürlich, das Geschehen habe ich sehr intensiv im Blick. Das gehört zu meinen täglichen Lektüren dazu, mich darüber über die digitalen Kanäle zu informieren. Vor allem natürlich was sich bei meinen ehemaligen Vereinen tut, denen ich nach wie vor emotional verbunden bin. (schmunzelt) Es sind Freundschaften entstanden, die heute noch anhalten. Und es ist schön zu sehen, dass mittlerweile einige ehemalige Mitspieler in einem gewissen Alter sind und selbst die Trainerlaufbahn einschlagen. Das macht mir Spaß, deren Entwicklung zu verfolgen.

An welches Erlebnis in ihrer aktiven Laufbahn denken Sie besonders gerne zurück?
Da wäre zum einen der letzte Spieltag damals in der A-Junioren Bayernliga Süd. Mit der SpVgg Landshut haben wir durch einen 2:1-Sieg gegen Wacker Burghausen den Klassenerhalt auf den letzten Drücker geschafft. Mit einer Mannschaft, - und ich glaube, das darf ich im Nachhinein so sagen - die alles andere als Bayernliga-tauglich war. (lacht) Und dann wäre natürlich noch mein erstes Bayernliga-Spiel im Herrenbereich mit der SpVgg Landshut zu nennen. Ich war 19 und das war ja damals noch vierte Liga. Das ist auch ein bleibendes Erlebnis.

Nicht systemrelevant? »Ich finde, der Fußball spielt in unserer Gesellschaft eine extrem wichtige Rolle.«

Nicht wenige sagen: Der Fußball sei nicht systemrelevant und wird erst ganz zum Schluss wieder dran sein. Was entgegnen Sie?
Ich finde, der Fußball spielt in unserer Gesellschaft eine extrem wichtige Rolle. Jeder lechzt danach, ein Stück Lebensfreude zurückzubekommen. Und dafür ist der Fußball nun einmal prädestiniert. Ich denke da zum Beispiel auch an Familien, die seit Wochen mehr oder weniger in der Wohnung sitzen. Da wäre es unerlässlich, die Kids einfach mal wieder rauszulassen, um zu kicken und sich auszutoben. Immer natürlich unter der Prämisse, dass es die Gesundheit und die Vorgaben unserer Gesundheitsämter zulassen.

Zur Person:

Tobias Haupt wurde am 5. Februar 1984 in Landshut geboren. Aufgewachsen in Bruckberg, wo er auch seine ersten fußballerischen Gehversuche unternahm, zog es ihn im Jugendalter zur SpVgg Landshut. Von 2004 bis 2008 studierte Haupt an der Hochschule für angewandtes Management in Ismaning bei München mit dem Schwerpunkt Sport- und Eventmanagement. Anschließend legte er ein BWL-Studium in Österreich nach. Promoviert hat Haupt im Jahr 2014 an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. Bevor er die Aufgabe beim DFB am 1. Oktober 2018 antrat, arbeitete Haupt hauptsächlich am Internationalen Fußball-Institut (IFI) in Ismaning. Haupt lebt derzeit in Frankfurt und München. Zu seiner Geburtsstadt Landshut hat er nach wie vor eine sehr enge Bindung. Ein Großteil seiner Familie lebt dort und Haupt bezeichnet sich selbst als "enorm heimatverbunden".

Das Interview führte Mathias Willmerdinger.

Aufrufe: 027.4.2020, 11:30 Uhr
Mathias WillmerdingerAutor