2024-04-30T13:48:59.170Z

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Max Kimnach (links) und Lars Weingärtner haben bei RWO ein funktionierendes Mannschaftsgefüge geschaffen, in dem es auch nicht mehr nur um sportlichen Erfolg geht.
Max Kimnach (links) und Lars Weingärtner haben bei RWO ein funktionierendes Mannschaftsgefüge geschaffen, in dem es auch nicht mehr nur um sportlichen Erfolg geht. – Foto: Schmitz

Wie sich RWO Alzey neu erfindet

Lars Weingärtner und Max Kimnach verwirklichen beim Landesligisten ihre Vereinsidee

ALZEY. Nur einen einzigen Zugang vermeldete Landesligist RWO Alzey in dieser Winterpause. Und keinen Abgang. Das ist bemerkenswert. Und zwar deshalb, weil es Zeiten gab, in denen es auf dem Wartberg sprichwörtlich zuging wie im Taubenschlag.

Von Mannschaft oder gar elf Freunden, wie zu Zeiten von Sepp Herberger, konnte bei RWO Alzey in den zurückliegenden anderthalb Jahrzehnten nur selten die Rede sein – vielleicht mit Ausnahme des Teams unter Tino Häuser, das Landesliga-Meister wurde. Der Erfolg schweißte zusammen.

Im Misserfolg zerbrach das Ensemble

Wenige Jahre später, in der Saison 18/19, geschah genau das Gegenteil. Im Misserfolg, der im Abstieg aus der Verbandsliga mündete, zerbrach das Ensemble. Die desaströse Niederlage in Marienborn am letzten Spieltag war zugleich die Geburtsstunde einer neu ausgerichteten SG RWO Alzey.

Es ist das Projekt von Max Kimnach und Lars Weingärtner. Zwei Freunden, die weit mehr als nur der Fußball verbindet. Beide hatten den Verbandsliga-Abstieg von RWO Alzey als Spieler hautnah miterlebt. Beiden schwebte vor, wie man den Traditionsklub neu ausrichten könnte. Und beide sagten ja, als sich die Chance ergab, die Aufgabe des Spielertrainers gemeinsam zu übernehmen. Es war ein Urknall, den RWO-Vorsitzender Steffen Jung seinerzeit auslöste: „Unsere Entscheidung, die Trainerfrage so zu lösen, war mutig, im Rückblick gesehen, aber auch völlig richtig“. Die Skepsis, ob diese Idee funktionieren könnte, ist längst verflogen.

Andere Werte sind hinzugekommen

Weingärtner und Kimnach propagierten in den ersten Tagen ihres Wirkens am Wartberg voller Tatendrang, dass sie einen nachhaltigeren Kader formen wollten. Dass sie auf größere Beständigkeit in der Personalplanung achten wollten. Dass sie eine Gemeinschaft schaffen wollten, in der nicht – wie in der Vergangenheit – der sportliche Erfolg über allem steht. Es sollten andere Werte hinzukommen, etwa Vertrauen, Vereinsbindung, Kameradschaft. Dafür warben sie, das lebten sie vor. Und schufen damit eine Wartberg-Welt, in der Kontinuität und Entwicklung großgeschrieben werden. Einerseits, was die Spieler anbelangt. Andererseits, was den Verein anbelangt.

Vereinsführung lässt die Kräfte entfalten

Die Vereinsführung trug dazu bei, dass sich diese Kräfte entfalten konnten. Und zwar insofern, als dass man die beiden gewähren ließ. Sie hatten alle Freiheiten, ihre Vorstellungen umzusetzen. Hans-Karl Schäfer, in dessen Geist die RWO-Philosophie über Jahrzehnte geprägt war, begleitete diesen Transformationsprozess von vornherein wohlwollend. Kimnach und Weingärtner machten zwar einiges anders, als er es getan hätte. Aber es sind gute Leute, die man halt mal machen lassen müsse, meinte er dann und wann im Gespräch.

Bislang noch nicht in Abstiegsnot geraten

Entgegen kam Kimnach und Weingärtner, dass RWO Alzey unter ihrer Regie noch nicht in Abstiegsnot geraten ist. In ihrer ersten Saison wurde die Spielzeit wegen Corona kurz vorm zweiten Drittel abgebrochen. Auch 20/21 sorgte die Corona-Pandemie dafür, dass die Saison nicht zu Ende gespielt werden konnte. In der laufenden Spielzeit pendelt das Wartberg-Team genau zwischen Auf- und Abstiegsrunde.

Obwohl der Weg in die Abstiegszone führen könnte, gibt es bei RWO Alzey keine Trainer-Diskussion – auch ein Phänomen, das neu ist.

Steffen Jung und seine Vorstandsgefährten wissen, was sie an Kimnach und Weingärtner haben. Beide verfügen über große Netzwerke zu Fußballern, was die Kaderzusammenstellung begünstigt. Unter ihrer Regie ist der Wartbergklub eine gute Adresse geblieben, obwohl – dem Vernehmen nach – inzwischen nur noch Aufwandsentschädigungen an die Spieler gezahlt werden. Die Zeit der üppigeren Honorare, die es dort mal zu verdienen gab, ist vorbei.

Zweite ist nicht mehr nur nettes Beiwerk

Sodann ist der Verein in der Vertikalen stärker zusammengewachsen. Die Zweite Mannschaft, früher nettes Beiwerk, hat Wertschätzung gewonnen. Deren Trainer, Marcel Beckmann, und das Landesliga-Trainergespann harmonieren gut miteinander. Sie besuchen auch gegenseitig ihre Spiele, sofern es die Zeit erlaubt. Was selbstverständlich klingt, war einst keine Selbstverständlichkeit. Darüber hinaus haben Kimnach und Weingärtner eine Antenne für die Jugend, die bei RWO Alzey seit geraumer Zeit wieder ausgebildet wird.

Trainer-Alternativen, die sich so intensiv im Verein engagieren und so intensiv mit dem Verein verbunden sind, dürften auf dem Markt schwer zu finden sein. Lars Weingärtner, von Hause aus von Alemannia Waldalgesheim, und Max Kimnach, über Jahre hinweg das Gesicht des SV Gonsenheim, identifizieren sich mit RWO Alzey. Das ist ein Schlüssel dafür, dass ihr Projekt Erfolg hat.

Leistungssteuerung zahlt sich in englischen Wochen aus

Zugleich haben sie eine Art, jedem Spieler das Gefühl zu schenken, wichtig zu sein. Ihre Personalauswahl bei der Amtsübernahme war genau darauf ausgerichtet. Homogen organisierten sie ihren Kader. Jeder sollte möglichst jeden ersetzen können. Das belebt den Konkurrenzkampf, bietet aber auch die Chance, leistungsmäßig eine relativ konstante Saison zu spielen. Und, ein wichtiger Aspekt: Keiner läuft in Gefahr, sich müde zu spielen, weil er nahezu Eins-zu-eins auszutauschen ist. „Leistungssteuerung“ ist eine wichtige Vokabel im Sprachschatz von Kimnach und Weingärtner. Das zahlte sich in den englischen Wochen aus, die der Verein in dieser Saison abarbeiten musste.

Beide, Kimnach und Weingärtner, glauben, dass ihre Vision des Fußball-Lebens RWO Alzey mittelfristig Richtung Verbandsliga führen kann. Ihre Mannschaft wächst zusammen. Sie entwickelt eine eigene Idee, wie sie Fußball spielen will. Die Spieler kennen sich – ihre Stärken, wie ihre Schwächen. Außerdem schleift sich das Wissen um Laufwege ein. Die Basics dazu legten Kimnach und Weingärtner in ihrer ersten Saison bei RWO Alzey. In der nächsten Vorbereitung konnten sie auf diesem Wissen aufbauen, weil der Stamm der Spieler geblieben war. Es ist das nachhaltige Konzept von Weingärtner und Kimnach, das RWO Alzey gegenwärtig so interessant macht. Das braucht aber Geduld und Vertrauen – Attitüden, die am Wartberg Einzug gehalten haben.



Aufrufe: 015.1.2022, 06:00 Uhr
Claus RosenbergAutor