2024-05-24T11:28:31.627Z

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Wenn Fußballer um den Ball rangeln, fließt nicht nur bei den Profis Geld. Rund eine Milliarde Euro soll laut den Recherchen einer ARD-Dokumentation jährlich in den Taschen von Amateurfußballern landen. Etwa die Hälfte davon als Schwarzgeld.
Wenn Fußballer um den Ball rangeln, fließt nicht nur bei den Profis Geld. Rund eine Milliarde Euro soll laut den Recherchen einer ARD-Dokumentation jährlich in den Taschen von Amateurfußballern landen. Etwa die Hälfte davon als Schwarzgeld. – Foto: Imago/Karin Tautz

Wie bei Amateurkickern die Kasse klingelt

Eine Dokumentation in der ARD sorgt für Aufruhr, weil in den unteren Ligen jährlich eine Milliarde Euro in die Taschen der Kicker fließen, die Hälfte davon schwarz +++ Die Vereine in der Region kontern diese Vorwürfe

Die in der ARD ausgestrahlte Dokumentation „Milliardenspiel Amateurfußball – wenn das Geld im Umschlag kommt“ (weiterhin abrufbar in der ARD-Mediathek) hat für Aufsehen gesorgt. Basierend auf einer Online-Befragung unter mehr als 10.000 Amateurfußballern ermittelte ein Recherche-Team um den als Doping-Aufklärer bekannt gewordenen Hajo Seppelt, dass in Deutschland rund eine Milliarde Euro pro Saison in die Taschen von Amateurfußballern fließen. Bei etwa der Hälfte davon soll es sich um Schwarzgeld handeln.

Dass Geld im Amateurfußball nicht erst seit gestern eine Rolle spielt, ist seit Jahren ein offenes Geheimnis. Und grundsätzlich ein äußerst heikles Thema. Redegewandte Funktionäre werden da plötzlich äußerst wortkarg. „Ein Thema, bei dem viel gelogen wird. Unter anderem, weil das Finanzamt ja immer mitliest“, sagt einer. Keinesfalls werden irgendwelche Summen genannt. „Wenn man etwas sagt, glaubt es ja eh keiner“, meint ein anderer. Doch niemand kommt so wirklich aus der Nummer mit den Moneten raus, solange alle mitbieten, wenn es um die Verpflichtung einer Verstärkung für die eigene Mannschaft geht. Doch Geld fließt – wenn auch nicht mehr im Umschlag, wie alle Befragten beteuern.

Gängige Praxis ist es durchaus, dass die steuerfreie Übungsleiterpauschale (250 Euro/Monat, maximal 3000 Euro/Jahr) in Anspruch genommen wird. Deshalb hat sich gerade auch in kleineren Vereinen in den letzten Jahren auch die Anzahl der kickenden Co-Trainer erhöht. So spricht man auch von „verkappten Spielergehältern“. Auch im Augsburger Land herrscht keine Fußball-Romantik. Es wird bezahlt, aber alles ordnungsgemäß, wie die Verantwortlichen beteuern.

Klaus Assum, der Abteilungsleiter des TSV Gersthofen, fragt sich, „was durch so einen Bericht im Fernsehen herauskommen soll.“ Aber: „Es gibt schon Vereine, wo man sich frägt, wie die das machen.“ Der TSV Gersthofen ist ein gebranntes Kind. Im Jahr 2013, nach dem kometenhaften Aufstieg bis in die Bayernliga, stürmten Beamte der Steuerfahndung die Geschäftsräume. Nach Abschluss der Ermittlungen wurden Nachzahlungen in Höhe von 140.000 Euro an Lohnsteuer, Sozialversicherung und Berufsgenossenschaft fällig. Die Fußballer standen vor einem Schuldenberg. „Seitdem hat der Hauptverein bei allen Ausgaben der Abteilung die Hand drauf“, erklärt Assum. „Der TSV Gersthofen steht vom Etat her im letzten Drittel der Landesliga. Bei uns gibt es kein Schwarzgeld, kein Kuvert.“ Lediglich eine Einsatzprämie werde gezahlt. Diese falle je nach Spieler unterschiedlich aus und wird im Rahmen der vom Finanzamt vorgesehenen Richtlinien aufs Konto überwiesen. „Alles legitim“, versichert Assum. „Wir zahlen keine Festgehälter und haben keinen Spieler mit Amateurvertrag“, berichtet Assum, dass Gespräche, die in diese Richtung gehen, schnell erledigt seien.

Doch er bricht auch eine Lanze für Akteure, die teilweise schon lange im Verein sind: „Nicht bei jedem steht das Geld an erster Stelle. Die Spieler schätzen bei uns auch das Umfeld mit einem Kunstrasen, auf dem ganzjährig trainiert werden kann, modernen Kabinen, einer umfangreichen Betreuung, die sogar das Wäschewaschen beinhaltet“, macht er Werbung in eigener Sache.

Während der TSV Gersthofen und auch viele kleine Vereine auf ihre Jugendarbeit und den daraus entspringenden Eigengewächsen setzen, hat der SV Cosmos Aystetten lediglich eine erste Mannschaft am Start. Die spielt mittlerweile bereits zum zweiten Mal in der Landesliga, nachdem sie vor zwölf Jahren noch in der A-Klasse dümpelte. Hinter dem Aystetter Erfolg steht Thomas Pflüger. „Der erfolgreiche Immobilienkaufmann verfügt neben einer ausgeprägten Fußball-Leidenschaft auch über ein ordentlich gefülltes Bankkonto, tritt als Mäzen auf und lockt immer wieder talentierte Kicker in den 2800-Einwohner-Ort“, hat der Münchner Merkur über den 48-Jährigen, der auch im Aystetter Gemeinderat sitzt, geschrieben.

„Ich habe gar kein Bargeld“, lacht Thomas Pflüger, „also gibt es auch kein Kuvert.“ Aber es gebe natürlich Aufwandsentschädigungen, die sich je nach Spieler aus Fixbetrag und/oder Auflaufprämien zusammensetzen. Die Spieler würden ihr Geld auf ihr Konto überwiesen bekommen. „Vorher bekommen wir es von Sponsoren dorthin überwiesen“, sagt Pflüger. Alle seien als geringfügige Mitarbeiter im Rahmen eines Minijobs angemeldet. Ab 1. Oktober dürfen es statt 450 Euro maximal 520 Euro sein. „Dafür bezahlen wir auch Steuern und Abgaben“, stellt Thomas Pflüger klar.

Der Meitinger Nicolai Vrazic hat für seine Masterarbeit die Mannschaften der Bezirksliga Nord befragt. Die finanziellen Ressourcen werden dabei überwiegend in die erste Mannschaft investiert. Die Hälfte der Vereine lässt auch dem Nachwuchs Gelder aus Sponsoring-Engagements zukommen oder verwendet diese für den Ausbau des Vereinsgeländes. Ein Viertel der Vereine zahlt seinen Spielern ein monatliches Gehalt, zehn Vereine lassen den Spielern eine finanzielle Entschädigung zukommen. Dass mittlerweile derart hohe Geldsummen im Umlauf sind, bewerten die Vereine eher schlecht. Trotzdem wird bezahlt.

Eine Ausnahme scheint der FC Horgau zu sein, der aufgrund seines hohen Eigenanteils an einheimischen Spielern auch immer wieder gerne als die „Truppe aus dem gallischen Dorf“ bezeichnet wird. Im Rothtal wird angeblich nichts bezahlt. „Bei uns bekommt nur einer was“, verrät Vorsitzender Jürgen Tögel. Torhüter Felix Häberl wurde einst mit einem Amateurvertrag ausgestattet, damit er noch nach Ablauf der Wechselfrist verpflichtet werden konnte. „Ansonsten sind wir nicht bereit, auswärtige Spieler zu bezahlen, weil wir genügend eigene, gute Kicker in unseren Reihen haben“, sagt Tögel. Ehemalige Landesliga-Spieler wie Markus Pätzold seien den Kleeblättern „zugelaufen“, weil sie in Adelsried gebaut haben. Zuwendungen gäbe es nur in Form von verbilligten Trainingsklamotten und einer von einem Förderkreis ausgelobten „Platzierungsprämie“, die aber stets in ein Team-Event fließt. Zum Beispiel als Zuschuss für ein Trainingslager in der Türkei, das man im März absolvieren wird.

„Wenn ich jetzt sagen würde, die Spieler bekommen nichts, würde ich mich verdächtig machen“, lacht Torsten Vrazic, der Boss des TSV Meitingen. Beim Bezirksligisten haben alle Spieler einen Vertrag mit dem Verein, in dem Aufwandsentschädigungen und Prämien festgehalten sind. „Im Rahmen eines Minijobs, aber nicht in dieser Höhe“, verrät Vrazic. Dazu kämen Fahrgeld zum Training und zum Spiel. Lediglich ein Spieler hat einen Amateurvertrag. Das habe man seinerzeit nur wegen der Ablösesystematik gemacht, erklärt Vrazic. Klar: Ansonsten kommen diese Art von Verträgen den Vereinen viel zu teuer, da in diesem Fall auch Beiträge zur Knappschaft und zur Berufsgenossenschaft entrichtet werden müssen. „Wir haben nichts zu verbergen. Beim TSV Meitingen läuft alles offiziell, damit für alle Beteiligten Sicherheit besteht“, versichert Torsten Vrazic: „Gerade nach den Vorfällen in Aindling, Gersthofen und sonst wo anders versuchen wir, alles richtig zu machen.“

„Weder noch“, antwortet Martin Mehr auf die Frage, ob es beim TSV Dinkelscherben Punkt- oder Einsatzprämien gibt. Und Geld in Umschlägen schon erst recht nicht. Lediglich Fußballschuhe oder Sportkleidung können die Spieler des Kreisligisten nach Beleg abrechnen. Dass die Kicker vom Kaiserberg auf dem Weg zurück in die Bezirksliga sind, liegt neben der ständigen Integration vieler Eigengewächse auch am kickenden Co-Trainer Phillip Schmid, der vor einer schweren Verletzung bereits in der Regionalliga gespielt hat. „Er ist als Übungsleiter und Vertragsamateur angestellt“, stellt Martin Mehr klar, dass auch der bisher 18-fache Torschütze keine Kuverts zugesteckt bekommt.

Günter Stempfle vom TSV Täfertingen ist einer der dienstältesten Fußball-Funktionäre im Augsburger Land. Seit 41 Jahren gehört er der Vorstandschaft des Dorfvereins an, der in der Kreisklasse spielt. Ein Sponsor, nachdem auch die Andreas-Thaler-Sportanlage benannt ist, übernimmt die Kosten für die Spielkleidung. Dafür sei man sehr dankbar. „Früher hat es noch eher mal Leute gegeben, die mich mit ein paar Hundert Mark unterstützt haben, als wir fremde Spieler holen mussten“, plaudert er aus dem Nähkästchen. Diese Beträge seien dann nicht durch die Bücher gelaufen. Doch diese Zeiten sind längst vorbei. „Heute läuft alles offiziell.“ Die Spieler bekämen eine kleine Punktprämie, die als Fahrgeld abgerechnet wird. Ausbezahlt wird einmal zur Winterpause und einmal nach der Saison. Maximal würden da 250 Euro zusammenkommen. „Das ist nicht mehr als ein kleines Dankeschön für ihren Einsatz“, sagt Stempfle. „Früher konnten die Jungs davon dreimal volltanken. Heute reicht es leider nur noch für zwei Tankfüllungen.“

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Aufrufe: 017.2.2022, 17:09 Uhr
Augsburger Landbote / Oliver ReiserAutor